E-Book, Deutsch, Band 4, 228 Seiten
Reihe: Reisen
Teil 1: 11.000 Kilometer zum Nordkapp und zurück
E-Book, Deutsch, Band 4, 228 Seiten
Reihe: Reisen
ISBN: 978-3-7562-5124-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bernhard Conrad, Jg. 1961, ist seit 1993 schriftstellerisch tätig. Über mehr als drei Jahre lebte er in Französisch-Guayana und Suriname sowie weitere drei Jahre in der Ukraine. Neben seinen vielfältigen Veröffentlichungen nahm er auch als Autor und Fotograf an Ausstellungen in Museen sowie Galerien im In- und Ausland teil. Er lebt heute mit seiner Familie im südlichen Odenwald.
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13. Tag 8: Fortlandsvåg
(Vestsideveien - Bergen - Fortlandsvåg - 513 km -
zurückgelegte Strecke: 3.109 km) Das Frühstück ist nicht unbedingt der Bringer, aber immerhin gibt es ein Spiegelei und etwas Obst. Bei einem Gespräch mit einem Gast aus Serbien über Tesla diskutiert, da er demnächst dort anfangen wird. Er ist natürlich ein totaler Fan des Unternehmens, erkennt aber an, dass die Arbeitsbedingungen bei diesem Arbeitgeber nicht immer zu den besten gehören. Danach zur Ami, die sich in der Nacht von den gestrigen Strapazen ausruhen konnte. Ölstand prüfen, dann soll’s eigentlich losgehen. Neben mir steht aber ein Lieferwagen, in den gerade zwei Deutsche türkischer Abstammung einsteigen wollen. Sie sprechen mich auf meinen Oldtimer an, finden meinen Plan, zum Nordkapp zu fahren, sehr abenteuerlich, würden das selbst auch niemals machen. Dann erzählen sie davon, dass sie versuchen wollen, sich beruflich in Norwegen niederzulassen, weil man hier ja viel mehr verdienen könne. Ich bemerke allerdings, dass die Beiden keine Ahnung haben, sich bisher wohl recht wenig über das Land informierten, denn sie wissen noch nicht einmal, dass dieser Staat nicht zur EU gehört, sie daher eine Arbeitsund Aufenthaltserlaubnis benötigen. Auch scheint ihnen erst langsam das wesentlich höhere Preisniveau aufzufallen. Bevor ich losfahre, wünsche ich ihnen noch viel Glück, habe aber kein so gutes Gefühl bei diesen Auswanderungsplänen. Mein Weg wird mich heute über das Gebirge führen, ich bin gespannt, wie meine Ami diesen Plan aufnehmen wird. Hinter der Stadt Drammen geht es in meinen ersten Tunnel dieser Etappe, der im Rahmen der E 134 hier gerade und völlig harmlos verläuft. Im nahen Kongsberg erwartet mich eine beeindruckende Stromschnelle mitten im Ort, ich befinde mich jetzt auf der RV 40, die mich durch malerische Landschaften am Fluss entlang ins rund 160 Kilometer entfernte Uvdal führt. Hier am Ortseingang, wartet die Uvdal Kirke, eine Langkirche aus dem Jahr 1893 mit 350 Sitzplätzen auf mich, die zwar offiziell keine Stabkirche ist, jedoch mit ihren Drachenfiguren sehr stark daran erinnert. Die wesentlich kleinere Uvdal Stabkirche von 1180 befindet sich dagegen nicht direkt an der Straße. Auf den nun folgenden rund 50 Kilometern über das Hochplateau kann ich in einiger Entfernung große Gletscher erblicken. Coronabedingt sind zum Glück nicht so viele Fahrzeuge unterwegs, wodurch ich die Strecke gemütlich mit kleinen Stopps am Straßenrand zurücklegen kann. In Geilo stoße ich schließlich auf die E 7, wodurch der Verkehr merklich zunimmt, aber immer noch erträglich bleibt. Nach rund 70 Kilometern, die mich durch eine seereiche Landschaft führt, erreiche ich den Parkplatz bei den Vøringsfossen, einem sehenswerten 183 Meter hohen Wasserfall unweit der Straße. Der Platz allerdings ist reichlich überfüllt. Zuvor werde ich aber auf einem kleinen Rastplatz am See Åsbergtjørne eine schöne Begegnung mit einem rund 55-jährigen Dänen haben, der dort auch eine Pause eingelegt hat. Er schlendert mit seinem gemütlichen Bauch, ein freundliches Lächeln im Gesicht, zu meiner in der Sonne wartenden Ami, in die ich eigentlich gerade wieder einsteigen möchte. Bewundernd spricht er mich an, wir kommen ins Gespräch, und es stellt sich heraus, dass er vor Jahren mit dem Motorrad zum Nordkapp gefahren war. „Aber es war so frustrierend,“, so der Däne, „denn ich war ja richtig stolz auf mich, hatte ja den langen Weg mit meinem Motorrad zurückgelegt, und da begegnet mir doch tatsächlich ein Radfahrer, der aus Italien hier hochgefahren war. Ich kam mir richtig mies vor.“ Dabei lachen wir beide, denn ob man nun mit dem Motorrad, einem Fahrrad oder einem Oldtimer zum Nordkapp fährt - alles das ist eine Leistung. Wir plaudern ein wenig, dann fällt sein Blick auf mein Volbeat-TShirt, eine Heavy-Metall-Band aus Dänemark, er dreht sich um, geht zu seinem Auto, kramt darin herum, kommt schnell wieder zurück und überreicht mir lachend einen saftigen Apfel aus seinem Garten, den bekomme ich, so sagt er, weil ich die „beste Gruppe Dänemarks“ kenne. Nun muss ich doch noch neben meiner Ami für einige Fotos poussieren, denn, so der Däne, „ich könnte ja vielleicht noch berühmt werden“. Schön wär’s! Doch zurück auf die Straße, die mein Fräuleinchen wirklich zu lieben scheint, denn sie murrt zu keiner Zeit, schnurrt dagegen zufrieden vor sich hin. Hinter dem großen Wasserfall wartet ein Meisterwerk der Trollkunst auf mich, einer jener unzähligen Straßentunnel, die in Norwegen einfach zum Land gehören, und von denen ich auf meiner Reise weit über hundert durchfahren werde. Dass ich dabei sehr oft, wirklich sehr schlechte Luft einatmen muss, sei hier doch zu Recht angemerkt. Diese Trollbauwerke sind mal alt, mal neu, mal hell, mal ohne jede Beleuchtung mit Gegenverkehr, mal mehr- mal einspurig, mal gerade, mal mit Kurven, mal flach oder mit erheblichen Steigungen; sie sind so vielfältig wie das Land, eigentlich immer Meisterwerke der Bergwerkskunst, aber mit einem Oldtimer eben nicht unbedingt ideal zu befahren. Also, eine Gruppe von vier Tunneln wartet über annähernd acht Kilometern auf mich, es geht zuerst durch den Dalbergtunnelen, der gewissermaßen die Einfahrt bildet in den beeindruckenden Storegjeltunnelen, dessen Spiralen mein Navi im wahrsten Sinne des Wortes durchdrehen lassen, hinein in den fast zwei Kilometer langen Mabøtunnelen, an den sich der einfache Bogen des Kvernhushaugtunnelen anschließt. Der Höhenunterschied, der hier auf engstem Raum überwunden wird, ist immens, und ich bin wirklich froh, dass meiner Ami nicht schwindelig wird und insbesondere ihre Bremsen nicht versagen, was vor einigen Jahren einem Reisebus passierte. Dann erreiche ich den umwerfenden Eidfjord, über dessen 500 Meter tiefes Wasser schon bald die Hardangerbrua führt, deren über 200 Meter hohen Pylonen sich an Land befinden. Die beeindruckende Hängebrücke ist rund 1,3 Kilometer lang und misst 55 Meter, wodurch seit dem Bau der Brücke keine großen Kreuzfahrtschiffe mehr bis zum Ende des Fjords fahren können. Von diesem Bauwerk aus habe ich allerdings einen wunderbaren Blick auf die Weite des Fjords. Auf dem Weg hinab zur Brücke begegnen mir ein Mini-Cooper, ein Käfer, mehrere große Ami-Schlitten, eine Opel-Badewanne sowie ein superkleiner skandinavischer Wagen, dessen Rundungen wirklich drollig aussehen, der Wagentyp mir aber absolut unbekannt ist. Dieses kleine Wägelchen, offensichtlich aus den 50er-Jahren, quält sich leicht qualmend, gefahren von einem mir wild zuwinkenden und lachenden jungen Pärchen gelenkt, den Berg hinauf, man drückt unwillkürlich seine Daumen und hofft, dass sie ihr Ziel erreichen werden. Hinter der Brücke geht es dann in den Vallaviktunnel, der mir nach kurzer Zeit wirklich den Atem raubt, denn hier wartet ein futuristisch blau angestrahlter Kreisverkehr im Tunnel auf mich. Ich staune also nicht schlecht, setze meinen Weg aber trotzdem, denn einfach so anhalten kann man an dieser Stelle natürlich nicht, auf der E13 weiter bis nach Vossevangen fort, wo ich unbeschadet auf die E 16 treffe, die mich, nun mit reichlich viel Verkehr, bis nach Bergen bringen wird. Da es jedoch schon recht spät ist und ich keine Lust auf die Suche nach einem geeigneten Restaurant habe, suche ich eines jener schwedischen Möbelhäuser am Stadtrand auf, wo ich mir zu nicht-norwegischen, somit normalen Preisen, etwas zu Essen besorge. Inzwischen regnet es leider wieder ein wenig, ich mache mich auf zum rund 60 Kilometer entfernten Fortlandsvåg. Dafür muss ich die Osterøybroa über den Fjord nutzen, direkt dahinter in einen modernen Tunnel, gefolgt von einer schönen Landschaft, um kurz vor dem Ziel den dunkelsten und engsten Trolltunnel - mit Gegenverkehr - auf meiner Reise befahren zu müssen - nun bin ich endlich im düsteren Reich der Trolle angekommen, wahrlich! Durch solch eine schwarze Röhre, dessen spitze Felswände meine Ami bedrohen, bin ich zuvor nur einmal gefahren, doch der damalige Tunnel auf der Ile de la Réunion im Indischen Ozean war gerade und bei der Einfahrt hupte man, hier jedoch hat das Bauwerk eine Kurve, auf den fast tausend Metern hofft man inständig, dass einem kein Auto oder gar ein Lkw entgegenkommt, denn dann --- ich mag mir das nicht ausdenken. Als ich das Trollland verlasse, atme ich erst mal erleichtert tief durch, weiß aber, dass ich morgen wieder durch dieses Monstrum fahren muss, was mir hoffentlich keine schlaflose Nacht bescheren wird. Schließlich erreiche ich mein Hotel für diese Nacht. Die große weiße Villa mit einem dorischen Säulenportal befindet sich auf einem kleinen Hügel in einem winzigen Ort am Ende einer Bucht. Ich stelle meine Ami auf dem Parkplatz unterhalb des Anwesens ab, sofort kommen einige Jungs angelaufen, stehen feixend und gleichzeitig staunend vor meinem Autochen, der älteste äußerst schließlich auf Englisch seine Bewunderung für dieses alte Gefährt, dann stürmen sie wieder davon. Etwas früher ist ein Pärchen aus Frankreich hier...