E-Book, Deutsch, Band 02, 413 Seiten
Reihe: Sutherland Brothers
Cole Die Braut des Meeres
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7363-0137-5
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 02, 413 Seiten
Reihe: Sutherland Brothers
ISBN: 978-3-7363-0137-5
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nach einer Karriere als Athletin und Trainerin veröffentlichte Kresley Cole 2003 ihren ersten Roman und ist seither eine der international erfolgreichsten Autorinnen von Liebesromanen.
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Prolog
Tagebuch von Victoria Anne Dearbourne, 1850 17. Januar Heute ist der dritte Tag. Mutter, Miss Scott und ich haben den Schiffbruch der Serendipity überlebt und sind in einem lecken Rettungsboot zu einer einsamen Insel irgendwo in Südozeanien getrieben worden. Da die Windstille seit Wochen andauert, werden wir den Taifunen, die um diese Jahreszeit vorherrschen, schutzlos ausgesetzt sein. Mutter hat gesagt, es sei, als wäre man gefesselt, um auf den Sturm zu warten. Als die Planken zu bersten anfingen, stürzten die Matrosen von Bord – wie die sprichwörtlichen Ratten verließen sie das sinkende Schiff – und ließen uns im Stich. Einer stieß sogar mit Mutter zusammen und kümmerte sich nicht darum, dass sie vom Deck hinab ins Rettungsboot stürzte. Sie hat sich den Rücken ausgerenkt und einen Arm gebrochen. Aber sie ist stark, und ich bin überzeugt, dass sie wieder gesund werden kann, wenn wir nur Hilfe finden. Von Vater fehlt noch immer jede Spur. Ich sah nach oben durch Regen und Gischt und entdeckte ihn an Deck mit einem Kind in den Armen. Und beim nächsten grellen Blitzschlag war das Schiffsdeck verschwunden. Ist es unrecht von mir, zu wünschen, er hätte das schreiende Kind unter Deck gelassen und wäre selbst entkommen? Die niederträchtige Besatzung hat es jedenfalls geschafft. Es spielt auch keine Rolle, was ich mir wünsche – denn ich weiß, dass Vater niemanden im Stich gelassen hätte. An diesem Morgen haben wir wie durch ein Wunder vom Meer etwas zu essen bekommen. Mutter flüsterte mir zu, dass es die Hand des Schicksals sei, die uns dieses Geschenk machte. Miss Scott aber sagt, es liege nur an einer rückläufigen Strömung – derselben Strömung, die uns auf diese Insel geschwemmt habe (Mutter findet, dass Camellia Scott für ihr Alter von Anfang zwanzig sehr klug ist, und daher weiß ich nicht, welcher von beiden ich nun glauben soll). Miss Scott und ich haben mehrere Seekisten, ein Fass mit kostbarem Wasser, ein Paddel und viele andere Güter an Land gezogen. Unter den Seekisten fanden wir auch die Truhe des Kapitäns mit einem leeren Logbuch, einem Tintenfässchen und einer Feder. Miss Scott hat mich gebeten, über unsere Zeit auf der Insel ein Tagebuch zu führen. Sie hat sich wahrscheinlich gedacht, dass ich nicht das Unglück sehen würde, das uns befallen hat, wenn ich solcherart beschäftigt bin. Doch das habe ich, und wenn ich mich auch unaufhörlich um Mutter kümmere oder schreibe, habe ich die beiden Leichname gesehen, die gleichzeitig mit unserer Beute angetrieben wurden. Das Meer hatte ihnen schreckliche, ganz schreckliche Dinge angetan. Ich weiß, dass Miss Scott die Toten an den Rand des Dschungels gezerrt und dort begraben hat, weil ich die Spuren im Sand gesehen habe und ihre Hände später mit Blasen vom Graben mit dem Paddel bedeckt waren. Miss Scott ist noch nicht sehr lange bei uns, und ich weiß, dass sie uns vieles ersparen möchte. Aber ich hoffe doch, dass sie mir sagen würde, wenn einer der Verstorbenen Vater gewesen wäre. 18. Januar Gestern Abend hat Mutter zum ersten Mal geweint. Sie hat sich mit aller Macht gegen die Tränen gewehrt, doch ihre Schmerzen waren zu stark. Es fing an zu regnen, und der Wind wehte in Böen. Wir fingen den Regen in großen Blättern auf. Miss Scott hatte ein paar Feuersteine im Rettungsboot gefunden und versuchte vergeblich, Feuer zu machen. Es war hoffnungslos, aber ich glaube, dadurch konnte sie sich von unserer Lage ablenken. Als sie schließlich aufgab und sofort in den Schlaf sank, waren ihre Hände ganz zerkratzt und aufgesprungen. Mutter hat gesagt, ich müsse Miss Scott helfen, wo ich nur kann, weil sie »für eine so große Verantwortung zu jung« sei. 19. Januar Ich sehe nun, wie viel ich bereits geschrieben habe, und mache mir Sorgen, dass ein Buch nicht reichen wird, aber Miss Scott hat prophezeit, dass wir ganz sicher gerettet werden, bevor mir das Papier ausgeht. Später am Tag fand sie in einer der Seekisten eine Karte und versuchte, unsere Position zu bestimmen. Mich schickte sie Holz sammeln, obwohl wir gar kein Feuer haben. Als ich zurückkam, schienen Mutter und Miss Scott sich damit abgefunden zu haben, dass wir für unbestimmte Zeit auf der Insel bleiben müssen. Wir sind wohl sehr weit von der Zivilisation entfernt. Obwohl Miss Scott und ich sie anflehen, lehnt Mutter es ab, ihren Anteil von unserem kleinen Wasservorrat zu nehmen. 20. Januar Gestern Nacht habe ich von Vater geträumt. Ich habe geträumt, wie er mit uns gelacht hat und wie geduldig er mir beigebracht hat, zu angeln oder Knoten zu knüpfen. Vater hat ein wunderbares, ein herzhaftes Lachen, weil er so eine breite Brust hat, und er braucht nicht viel Grund, um zu lachen. Er liebt Mutter so sehr, dass man meint, er müsse vor lauter Liebe platzen, wenn er in ihrer Nähe ist. In jedem neuen Land, das wir erforschten, suchten die beiden nach unbekannten Kreaturen, nach kleinen Tieren, die noch kein Mensch zuvor gesehen hatte. Er hat immer darüber gestaunt, wie exakt Mutter sie zeichnen konnte, obwohl sie doch schon so viele Zeichnungen für die Artikel angefertigt hatte, die sie gemeinsam verfassten. Dann legte er ihre Zeichnung hin und schwenkte Mutter im Kreis herum, klemmte mich unter den Arm und verkündete, wir drei seien die beste Mannschaft, zumindest auf dieser Erdhalbkugel. Und später ist dann Miss Scott zu uns gekommen, um mir gutes Benehmen und Rechnen beizubringen und Mutters gute Gefährtin zu werden. Alles schien so vollkommen. Zum Glück war ich vor Mutter und Miss Scott aufgestanden, denn beim Aufwachen weinte ich bitterlich. Ich habe meine Augen getrocknet, doch den ganzen Tag war mir zum Weinen zumute, jedes Mal, wenn ich an Vater dachte. Meine Lippen zitterten, und mein Gesicht wurde heiß, genau wie bei den kleinen Kindern, mit denen ich auf dem Schiff gespielt habe. Miss Scott und Mutter mahnen mich jeden Tag, ich solle tapfer sein, doch heute haben sie es mit ganz besonderem Nachdruck gesagt. Trotzdem ist Mutter am Nachmittag aufgewacht und hat mich dabei ertappt, wie ich den Kopf in den Händen barg und heulte wie ein Baby – und dabei bin ich schon dreizehn! Ich habe ihr gesagt, ich wüsste nicht, ob ich stark genug wäre, um alles zu tun, was auf dieser Insel getan werden muss. Wir müssen eine Schutzhütte bauen. Ich versuche auch, mich an alles zu erinnern, was ich auf unseren Reisen gelernt habe, aber Mama und Papa haben immer die schwere Arbeit gemacht, während ich mit Kindern spielte, die ich zufällig kennengelernt hatte. Mutter meint, ich sei in der Tat stark genug, um hier zu überleben. Sie hat gesagt: »Denke daran, Tori, Diamanten werden nur unter großem Druck geboren.« 21. Januar Die tiefen Schnitte an Miss Scotts Händen wollen nicht heilen. Finger und Handflächen sind so angeschwollen, dass sie die Hände nicht schließen kann. Ich weiß, wie gefährlich solche Wunden in diesem heißen Klima sind. Dass ich noch mehr Angst haben könnte, hätte ich nicht gedacht. Es gibt immer noch keinen Hinweis auf Vaters Verbleib, aber ich muss und will glauben, dass er überlebt hat und genau jetzt am Bug eines prächtigen Schiffes steht (größer als die grässliche Serendipity) und nach uns sucht. 22. Januar Ich träume immer von Essen und Wasser, weil wir nur noch so wenig haben. Deshalb denke ich an Mittel und Wege, wie wir an frische Vorräte kommen könnten. Miss Scott will das Innere der Insel erkunden und nach einer Quelle oder Früchten suchen, doch sie hat Angst, uns am Strand allein zu lassen oder mich in den düsteren Dschungel mitzunehmen. Die nächtlichen Geräusche lassen darauf schließen, dass dort viele Kreaturen hausen, denen wir vielleicht lieber nicht begegnen möchten. Heute Nachtmittag bat Mutter mich, mich zu ihr zu setzen. Sehr ernst sagte sie mir, dass Vater vielleicht nicht überlebt hat. Das war für mich wie ein Schlag vor die Brust. Denn bevor sie es aussprach, war es nicht Wirklichkeit gewesen. Als ich mich ausgeweint hatte, sah sie mir tief in die Augen und sagte, mein Großvater würde uns finden, er würde auf keinen Fall aufgeben. »Er wird nie aufhören, uns zu suchen, und uns heimbringen, Tori«, erklärte sie. Doch ich weiß, dass er für eine so weite Reise zu alt ist. Mutter aber schwor, er werde jemanden finden, der uns an seiner Stelle suchen würde. 22. Januar, Nachmittag Wir haben beschlossen, dass ich mit Miss Scott gehen soll. Je hungriger ich werde, desto weniger macht mir der Dschungel Angst. Aber ich habe so ein merkwürdiges Gefühl, dass irgendetwas passieren wird. Ich weiß es genau, denn mein Nacken fühlt sich an, als wäre er voller Ameisen. Bald wird etwas ganz Schlimmes geschehen. Fast könnte ich über diese Worte lachen. Bald wird etwas Schlimmes geschehen. Wie viel schlimmer könnte unsere Lage denn noch werden? Etwas früher an diesem Nachmittag blickte ich hinüber zu Mutter und sah, wie sie eindringlich auf Miss Scott einredete. Meine Mutter, die immer so auf die Gefühle anderer achtet, merkte dabei gar nicht, wie sie Miss Scotts verletzte Hände presste. Und Miss Scott zuckte vor Schmerz zusammen, sagte aber nichts. Soll ich nicht nur Vater, sondern auch noch Mutter verlieren? Manchmal habe ich das Gefühl, als würden alle meine Ängste und meine Trauer nur von einem dünnen...