E-Book, Deutsch, 150 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm
Rechtliche Grundlagen, Grenzen und Folgen
E-Book, Deutsch, 150 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm
Reihe: Schriftenreihe Wettbewerb in Recht und Praxis
ISBN: 978-3-8005-9557-0
Verlag: Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dabei ist Greenwashing nur die negative Kehrseite der an sich zulässigen Werbung mit Umweltvorteilen (Green Claims). Verbraucher benötigen die mit Green Claims transportierten Informationen zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens, wenn sie nachhaltiger und umweltbewusster konsumieren wollen. Nachhaltige Kaufentscheidungen können nur auf Basis zutreffender Informationen getroffen werden. Es verwundert daher nicht, wenn Unternehmen sich in ihrer Kommunikation zunehmend auf dieses veränderte Verbraucherverhalten orientieren und das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Vordergrund ihrer Werbung stellen. Dabei werden nicht selten die Grenzen des Zulässigen überschritten, wie zahlreiche aktuelle Gerichtsentscheidungen belegen. Auch die Europäische Kommission plant eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen.
Wann aber liegt Greenwashing tatsächlich vor und welche Folgen kann es für werbende Unternehmen haben, wenn diese Umweltvorteile bewerben, die nicht oder nicht in der beworbenen Art bestehen? Mit diesen Fragen befasst sich das vorliegende Werk. Es geht dabei nicht nur auf die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorgaben ein, sondern wirft auch einen besonderen Blick auf die in diesem Bereich zunehmend stark regulierte Finanzbranche und die dort geltenden Regelungen zum Greenwashing.
Zielgruppe
Unternehmen, Praktiker, Rechtsanwälte, Mitarbeiter interner Marketingabteilungen, Influencer, Werbeagenturen
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
III. Die Rechtsdurchsetzung der US Federal Trade Commission (FTC)
20 Als Vorreiterin bei der Bekämpfung irreführender Umweltaussagen kann im internationalen Kontext die US Federal Trade Commission (FTC) angesehen werden. Diese wurde durch den „Federal Trade Commission Act“ (FTC Act) von 1914 gegründet und hat die primäre Aufgabe, den Wettbewerb zu fördern und Verbraucher in der größten Volkswirtschaft der Welt (BIP 25,5 Billionen USD 2022, Deutschland BIP 4,01 Billionen) vor unlauteren oder irreführenden Geschäftspraktiken zu schützen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die FTC ihre Bemühungen im Bereich des Umweltschutzes intensiviert, was zu einer Reihe von bedeutenden rechtlichen Entwicklungen und Entscheidungen geführt hat. Die FTC wurde als Reaktion auf die wachsenden Bedenken über monopolistische Praktiken und die Notwendigkeit eines regulierten Wettbewerbs gegründet. Ursprünglich konzentrierte sich die FTC auf wirtschaftliche Fragen, aber mit der Zeit und dem wachsenden Bewusstsein für Umweltprobleme hat die FTC ihre Aufmerksamkeit auch auf den Umweltschutz gerichtet.11 Dies war eine natürliche Entwicklung, da viele unlautere Geschäftspraktiken auch negative Auswirkungen auf die Umwelt hatten. 1. Rechtliche Grundlagen
21 Der „Federal Trade Commission Act“ (15 U.S.C. §§ 41–58) verbietet „unfair methods of competition“ (unlautere Wettbewerbsmethoden) und „unfair or deceptive acts or practices“ (unlautere oder irreführende Handlungen oder Praktiken). Diese Formulierung wurde absichtlich weit gefasst, um der FTC einen breiten Ermessensspielraum zu geben. Die Legislative erkannte, dass eine zu spezifische Definition die Fähigkeit der FTC, auf sich entwickelnde wirtschaftliche und technologische Herausforderungen zu reagieren, einschränken könnte. Dies gibt der FTC eine breite Befugnis, gegen Unternehmen vorzugehen, die irreführende Umweltaussagen geltend machen.12 Es ist wichtig zu betonen, dass, während Art. 5 eine breite Palette von Verhalten abdeckt, nicht jede unethische Geschäftspraxis notwendigerweise als „unlauter“ im Sinne des Gesetzes angesehen wird. Der Supreme Court der USA hat in mehreren Entscheidungen (z.B. FTC v. Sperry & Hutchinson Co., 405 U.S. 233 [1972]) klargestellt, dass die Federal Trade Commission (FTC) die Befugnis hat, Handelspraktiken als „unlauter“ im Sinne des § 5 des Federal Trade Commission Act zu definieren, auch wenn diese Praktiken nicht „deceptive“ sind oder gegen das Kartellrecht verstoßen. Das Gericht stellte fest, dass eine Handelspraxis als „unlauter“ betrachtet werden kann, wenn sie gegen fest etablierte öffentliche Grundsätze verstößt oder, selbst wenn dies nicht der Fall ist, wenn sie einen erheblichen Schaden für den Verbraucher verursacht oder wahrscheinlich verursachen wird, der nicht durch Vorteile für Verbraucher oder den Wettbewerb als Ganzes aufgewogen werden kann. 22 Ein weiteres Urteil des Supreme Court, FTC v. Indiana Federation of Dentists, 476 U.S. 447 (1986), erweiterte das Verständnis von wettbewerbsbeschränkenden Handlungen im Kontext des FTC Act. Das Urteil unterstrich die Bedeutung von Transparenz und Informationsfluss für einen effizienten und fairen Wettbewerb und stärkte die Befugnisse der FTC, gegen Praktiken vorzugehen, die diese Prinzipien untergraben. Es zeigte auch die Bereitschaft des Gerichts, den Schutz der Verbraucher und die Erhaltung eines gesunden Wettbewerbs als zentrale Grundsätze des Wettbewerbsrechts zu priorisieren. Das Gericht betonte, dass Praktiken, die den Verbrauchern die Möglichkeit nehmen, fundierte Entscheidungen zu treffen, als Verstöße gegen Art. 5 betrachtet werden könnten. 23 Die FTC hat im Laufe der Jahre Richtlinien herausgegeben, um Unternehmen über die Interpretation von „unlauteren Praktiken“ aufzuklären. Diese Richtlinien (oft als „Deception Statements“ oder „Unfairness Statements“ bezeichnet) dienen dazu, den Rahmen von Art. 5 zu klären und Unternehmen zu helfen, sich im Einklang mit dem Gesetz zu verhalten, indem sie die von der FTC vertretene Interpretation von „Täuschung“ (deception) und „Unlauterkeit“ (unfairness) gemäß Art. 5 des Federal Trade Commission Act definieren. 24 Die Notwendigkeit solcher Erklärungen entstand aus der Erkenntnis, dass die dynamische Geschäfts- und Verbraucherlandschaft eine genauere und flexiblere Auslegung des Art. 5 erforderte. Diese Statements dienten dazu, die rechtlichen Unklarheiten bezüglich der Begriffe „täuschend“ und „unlauter“ zu klären und gleichzeitig den Unternehmen eine klare Richtschnur für rechtmäßiges Verhalten zu bieten. 25 Deception Statements: Das „FTC Policy Statement on Deception“ aus dem Jahr 198313 definiert „Täuschung“ wie folgt: – Eine Darstellung, Unterlassung oder Praxis, die einen Verbraucher, der unter den gegebenen Umständen vernünftig handelt, wahrscheinlich in die Irre führt.
– Die betreffende Darstellung oder Unterlassung muss materiell sein; d.h., sie ist wahrscheinlich von Bedeutung für die Entscheidung des Verbrauchers bezüglich eines Produkts oder einer Dienstleistung.
– Nicht jede Unwahrheit oder Auslassung wird automatisch als „Täuschung“ im Sinne des FTC Act eingestuft. Eine Praxis oder Darstellung muss den Verbraucher in einer substanziellen, entscheidungsrelevanten Weise irreführen.
26 Unfairness Statements: Das „FTC Policy Statement on Unfairness“ aus dem Jahr 198014 liefert eine detaillierte Auslegung des Begriffs „Unlauterkeit“. Die FTC identifiziert hierbei drei Hauptkriterien: – Die Praxis verursacht oder kann wahrscheinlich erheblichen Schaden für den Verbraucher verursachen.
– Der Schaden wird nicht durch überwiegende Vorteile für den Verbraucher oder den Wettbewerb als Ganzes kompensiert.
– Der Verbraucher kann den Schaden nicht vernünftigerweise vermeiden.
2. Die FTC Guides for the Use of Environmental Marketing Claims („Green Guides“)
27 Im Laufe der Jahre hat die FTC die „Green Guides“ entwickelt, um Unternehmen zu helfen, die Grenzen umweltbezogener Werbeaussagen zu verstehen. Die „Green Guides“ (offiziell „Guides for the Use of Environmental Marketing Claims“15) sind spezifische Leitlinien der FTC, die sich auf Umwelt- und „grüne“ Marketingbehauptungen beziehen. Diese spezialisierte Richtliniensammlung setzt sich dezidiert mit den feinmaschigen Nuancen des umweltbezogenen Marketings und der damit verbundenen Claims auseinander. Die Green Guides sind von eminenter Bedeutung, insbesondere im Kontext der sich dynamisch entwickelnden ökologischen Sensibilität des Marktes und der damit einhergehenden Erwartungen der Verbraucher. – Grundlage im Konzept der Täuschung (Deception): Die Quintessenz der „Green Guides“ korrespondiert unmittelbar mit den Prinzipien der „Deception Statements“. Sie zielen darauf ab, potenzielle Desinformationen im Umweltmarketing zu eliminieren. Ein illustratives Beispiel hierfür wäre die Bewerbung eines Produkts als „biologisch abbaubar“, wenn diese Klassifizierung entweder nicht hinlänglich spezifiziert ist oder im gegebenen Kontext irreführend erscheint. Ein solches Verhalten könnte konsequenterweise als täuschende Praxis gemäß dem FTC Act qualifiziert werden. Die „Green Guides“ fungieren hier als ein Leitfaden, der Unternehmen durch das komplexe Terrain des umweltbezogenen Marketings navigiert, indem er konkrete Szenarien und Beispiele bietet.
– Konnotation zur Unlauterkeit (Unfairness): Obschon die primäre Ausrichtung der „Green Guides“ der Täuschungsvermeidung dient, könnten irreführende ökologische Claims ebenso in den Dunstkreis der „Unfairness“ geraten, insbesondere wenn sie den rigiden Kriterien der „Unfairness Statements“ entsprechen. Ein solcher Fall wäre gegeben, wenn eine irreführende Behauptung substanziellen Schaden für den Verbraucher induziert, dieser Schaden nicht durch übergeordnete Vorteile kompensiert wird und der Verbraucher ihm nicht adäquat entkommen kann.
28 Während die „Deception“ und „Unfairness Statements“ ähnlich einem europäisch verstandenen „Allgemeinen Teil“ für unlautere und täuschende Handelspraktiken fungieren, etablieren sich die „Green Guides“ als deren konkrete Anwendung im Segment des Umweltmarketings. Sie bieten detaillierte Orientierungspunkte und exemplarische Situationen, um sicherzustellen, dass umweltbezogene Claims transparent, authentisch und verifizierbar bleiben. 3. Rechtsdurchsetzungsmechanismen der FTC
29 Die Federal Trade Commission (FTC) verfügt über eine umfangreiche Palette von Rechtsdurchsetzungsinstrumenten, um ihrer regulatorischen Verantwortung gerecht zu werden und Verstöße gegen geltende Gesetze und Vorschriften zu sanktionieren. Diese Durchsetzungsmaßnahmen gliedern sich primär in zwei Hauptkategorien: Administrative Proceedings (Verwaltungsverfahren) und Litigation (Gerichtsverfahren). 30 Administrative Proceedings (Verwaltungsverfahren): Im Rahmen dieser internen Prozesse hat die FTC die Befugnis, mutmaßliche Verstöße zu prüfen und formelle...