Claußnitzer | Die Teeräuber | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 648 Seiten

Claußnitzer Die Teeräuber

E-Book, Deutsch, 648 Seiten

ISBN: 978-3-7504-4703-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Schmuggel, Teeraub und versuchter Mord - all das ist für Richterin Herrad leider nichts Ungewöhnliches. Diesmal allerdings sind die Hauptverdächtigen alte Bekannte ihres Mannes Wulfila. So droht bald die Vergangenheit die Gegenwart zu überschatten, während sich Gespenster in die Welt der Lebenden einmischen und immer mehr darauf hindeutet, dass vielleicht sogar Dämonen die Hörner im Spiel haben ... Ein neuer Roman aus Aquae Calicis, der unabhängig von seinem Vorgänger Tricontium gelesen werden kann.
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1. KAPITEL: IN COLLIBUS SIRONAE
AM STAMM DER alten Buche, deren Krone weit über den schmalen Pfad ragte, saß ein Buntspecht, der anscheinend keine Drachen mochte. Jedenfalls flog er eilig auf, als Gjuki Anstalten machte, den Baum hinaufzuklettern. »Wenn er schon auf Spechtjagd geht, sind wir ihm zu langsam«, bemerkte Ardeija lachend, als der kleine Drache enttäuscht herabgehuscht kam, um sich erneut auf der rechten Schulter seines menschlichen Freundes niederzulassen. Auf ihr hatte er den ganzen bisherigen Weg in die Colles Sironae zurückgelegt. Wulfila, der ein paar Schritte weiter unten am Hang war, konnte nur halb darüber lächeln. Ihm war nicht entgangen, dass Ardeija Gjukis Rückkehr zum Vorwand genommen hatte, erst einmal stehen zu bleiben, und das war kein gutes Zeichen. »Geht es auch noch mit deinem Fuß?«, fragte er, denn es verstand sich von selbst, dass die Wanderung über Stock und Stein für jemanden, der seit dem Bürgerkrieg einen lahmen Knöchel hatte, kein reines Vergnügen war. Ardeija winkte ab. »Er wird ja auch nicht besser davon, dass man ihn schont, und ich bin schließlich nicht das erste Mal hier oben. – Komm! Wenn wir über die Kuppe hinaus sind, ist es nicht mehr weit bis zu einer Stelle, von der man den schönsten Blick überhaupt auf die Stadt hat, und allein dafür würde sich der Aufstieg lohnen.« Mit dieser verheißungsvollen Versicherung wandte er sich ab und schritt, Hinken hin oder her, fast ein bisschen zu munter aus, als wollte er beweisen, dass man sich um ihn keine Sorgen zu machen brauchte. Wulfila beeilte sich, ihm zu folgen, und konnte doch die Überlegung nicht abschütteln, dass er besser daran getan hätte, allein in die Colles zu kommen oder einen anderen Krieger des Hochgerichts mitzunehmen. Schließlich stand kein großes Abenteuer bevor, sondern nur die Befragung eines redlichen Einsiedlers, von dessen Seite keine Gewalttätigkeiten zu befürchten waren. Doch Ardeija hatte gestern Abend von sich aus angeboten, Wulfila zu begleiten, als Herrad beschlossen hatte, ihren Mann und zweiten Gerichtsschreiber in die Colles hinaufzuschicken. Da es nie schaden konnte, wenn einem ein alter Freund Gesellschaft leistete, hatte Wulfila zugestimmt, ohne im ersten Augenblick auch nur an den kranken Fuß zu denken. Er hätte es tun sollen, denn dass es sich nicht empfahl, sich zu Pferde in die Hügel hinaufzuwagen, sagte über deren Beschaffenheit eigentlich genug. Zu seiner Verteidigung konnte er allenfalls anführen, dass er selbst noch nie in den Colles Sironae gewesen war, obwohl er nun schon seit zwei Jahren nicht weit von ihnen entfernt lebte. Aquae Calicis lag in einem jener beneidenswerten Winkel der Welt, in denen sich von alters her immer wieder Menschen unterschiedlichster Herkunft angesiedelt hatten, und mit ihnen ihre Götter und Dämonen. So war irgendwann auch die Göttin Sirona ins Land gekommen und nicht nur in der Quellgrotte hängen geblieben, der die Stadt ihren Namen verdankte, sondern auch an den schroffen Hügeln im Westen, in denen weitere Bäche entsprangen, denen man Heilkräfte nachsagte. Während sich südwestlich von Aquae am Fuße der Colles ein kleines Quellheiligtum aus Römertagen befand, nahmen andere Wasserläufe, die der Mugila zustrebten, ihren Ausgang verborgen im Wald und zwischen den Felsen. Keine Straße führte in die Hügelkette hinauf, nur der ein oder andere gewundene Pfad oder Steig. Das genügte gemeinhin auch, denn im Vergleich zum dichter besiedelten fruchtbaren Landstrich am Fluss war es in den Colles Sironae einsam. So war es kein Wunder, dass ein Eremit sie sich zum Aufenthalt gewählt hatte. Wulfila fragte sich zwar, wie ein frommer Christ sich in den einer heidnischen Göttin geweihten Hügeln fühlen mochte, doch der Zweck ihres Ausflugs bestand glücklicherweise nicht darin, theologische Spitzfindigkeiten zu erörtern, mit denen sich das Hochgericht in aller Regel nicht befasste. Sie sollten nur feststellen, ob ein Mann log, der behauptete, bei ebendiesem Einsiedler gewesen zu sein und sich deshalb gar nicht in Aquae aufgehalten zu haben, als dort ein Diebstahl begangen worden war, dessen man ihn bezichtigte. Es wäre Wulfila leichter gefallen, unvoreingenommen an die Klärung dieser Frage heranzugehen, wenn der Verdächtige kein alter Bekannter gewesen wäre, und zwar leider keiner aus den Zeiten, die er selbst ein wenig abseits von Recht und Gesetz verbracht hatte. Das wäre noch gleichmütig zu ertragen gewesen. Doch als man gestern Godomar von Sirmiacum ins Praetorium geschleift und in aller Form angeklagt hatte, nicht nur eine Gastfreundin bestohlen, sondern das Diebesgut auch noch sehr unbedarft in seinem Gepäck im Haus der Frau versteckt zu haben, hatte Wulfila sich dabei ertappt, voll finsterer Befriedigung breit übers ganze Gesicht zu lächeln, bevor er wieder die Miene eines pflichtbewussten Schreibers aufgesetzt und die Einzelheiten aufgenommen hatte. Zugegebenermaßen war es kein sehr edler Zug, sich mit aller Macht zu wünschen, dass jemand schuldig war und verurteilt werden würde, und womöglich war genau das der Grund dafür, dass Ardeija hatte mitkommen wollen, auch wenn er das gewiss nie laut ausgesprochen hätte. Sie hatten ohnehin nur über Belangloses geplaudert, seit sie heute Morgen die Stadt so früh verlassen hatten, dass nur die kleine Nachtpforte des Westtors geöffnet gewesen war. Darüber, dass die Preise für Räucherfisch in der Hafenvorstadt langsam jegliches Maß vermissen ließen, obwohl es dieses Jahr an Lachsen keinen Mangel gegeben hatte, waren sie sich schon einig geworden, während noch der Nebel über den Wiesen gehangen hatte. Ein Stück bevor die Straße zu einem Einschnitt in den Colles hin anstieg, um sich hinter diesem bescheidenen Pass zu teilen und südwestlich nach Salvinae, westlich nach Padiacum weiterzuführen, hatten sie den Weg eingeschlagen, auf dem man zwischen Hecken und Feldern zu einem winzigen Weiler unterhalb der Hügel gelangte. Dort waren drei Frauen am Brunnen gewesen, die aber, nach Godomar befragt, wie aus einem Munde erklärt hatten, am Vortag habe niemand einen Fremden gesehen. »Er hätte lieber sagen sollen, dass er beim Quellheiligtum oder über irgendeinen Wildwechsel hinaufspaziert ist«, hatte Ardeija gesagt, sobald sie wieder unter sich gewesen waren. Wulfila hatte darauf nur genickt, und während sie südlich der Siedlung bergauf durch den spätherbstlichen Wald gegangen waren, hatten sie sich über die jungen Leute unterhalten, die schon jetzt, Wochen im Voraus, eifrig Vorbereitungen trafen, um in der dunkelsten Zeit des Jahres vermummt durch Aquae zu ziehen und alle bösen Geister des Winters zu vertreiben. Darüber waren sie irgendwie auf den entflogenen Jagdfalken der Vögtin gekommen und schließlich beim trüben Wetter gelandet, das nun schon seit Tagen anhielt. Am Ende hatten sie einvernehmlich geschwiegen, bis Gjuki dann den Specht entdeckt und einen Anlass zur Wiederaufnahme des Gesprächs geboten hatte. Nicht weit hinter der Spechtbuche lichtete sich der Wald, und Ardeija winkte Wulfila zu, ihm zwischen den letzten Bäumen linker Hand hindurch bergab zu folgen, bis sie auf eine fast ebene Freifläche gelangten und der Hang steil vor ihnen abfiel, so dass sich der Blick weit in die Landschaft öffnete. »Und?«, fragte Ardeija mit kaum verhohlenem Stolz und zeigte nach Osten. »Habe ich zu viel versprochen?« Es hätte ein strahlender Sommertag sein sollen, kein wolkenverhangener Novembermorgen, aber selbst unter dem grauen Himmel war die Aussicht eindrucksvoll genug. Unterhalb der Ausläufer der Colles zog sich das breite Band der Mugila hin, und in der Ferne konnte man den Kranichwald und dahinter die ansteigende Geest der Tricontinischen Mark ausmachen. Diesseits des Flusses aber lag die ummauerte Stadt mit ihrer Burg, die aus dem alten Amphitheater emporgewachsen war, ihren Kirchtürmen und der Römernekropole, die sich vor dem Südtor beiderseits der Landstraße erstreckte. Wulfila ließ das Bild stumm auf sich wirken und ertappte sich bei dem Gedanken, wie sonderbar es war, die Stadt von diesem erhöhten Standort aus ganz zu sehen, statt nur einen eng begrenzten Ausschnitt zu erkennen, weil man sich in ihr oder zu nahe bei den Mauern befand. Ardeija hatte sich inzwischen auf einen flachen Felsen gesetzt. »Das Dach schräg rechts vom Turm der Bischofskirche ist das des Praetoriums«, bemerkte er unvermittelt und wies mit dem Finger darauf. »Da ist deine Frau. – Ah, sehr gut!« »Was, ›sehr gut‹?«, fragte Wulfila, aus seinem Staunen über Aquae gerissen. »Du hast gelächelt, als ich von ihr gesprochen habe.« Wulfila, der daran nichts weiter bemerkenswert fand, schwieg verwirrt. Doch die Beobachtung schien Ardeija wichtig zu sein. »Darüber müssen wir nämlich reden«, fuhr er fort und klopfte auf die freie Hälfte seines Felsens, wie um anzudeuten, dass es ein längeres Gespräch werden würde, das man nicht im Stehen führen konnte. »Ich habe mich schon gefragt,...


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