• Neu
Christie | Ferien mit Agatha Christie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Christie Ferien mit Agatha Christie

Zwölf mörderische Urlaubsgeschichten

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-455-01990-2
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sommerzeit ist Krimizeit, schließlich erhitzen sich mit steigenden Temperaturen auch die Gemüter und führen mitunter auf mörderische Pfade. Ob in Cornwall oder an der französischen Riviera, in der Nähe griechischer Tempelanlagen oder in den Gärten englischer Landhäuser - während die Sonne allerorten vom Himmel strahlt, lösen Agatha Christies beliebteste Ermittler in diesen sommerlichen Kurzkrimis manch dunkles Rätsel.  »Die perfekte Christie zu lesen ist wie in den perfekten Apfel zu beißen: das reinste knusprige Vergnügen!« Tana French

Agatha Christie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. Ihre beliebten Helden Hercule Poirot und Miss Marple sind - auch durch die Verfilmungen - einem Millionenpublikum bekannt. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Agatha Christie starb 1976 im Alter von 85 Jahren.
Christie Ferien mit Agatha Christie jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Cover
Titelseite
Sommer in den Pyrenäen
Blut auf dem Bürgersteig
Dreiecksgeschichte auf Rhodos
Tod auf dem Nil
Die Straße des Harlekins
Das Abenteuer des italienischen Edelmannes
Jane sucht Arbeit
Das Verschwinden Mister Davenheims
Der Tempel der Astarte
Der Smaragd des Radschas
Das Orakel von Delphi
Der geheimnisvolle Unbekannte
Der unglaubliche Diebstahl
Nachweise
Zur Autorin
Über Agatha Christie
Impressum


Blut auf dem Bürgersteig


»Eigentlich«, sagte Joyce Lemprière, »erzähle ich diese Geschichte gar nicht gern. Sie liegt lange zurück – fünf Jahre, genau genommen –, lässt mich aber seither nicht mehr los mit ihrer heiter-sorglosen Oberfläche und dem darunter verborgenen Grauen. Eigenartigerweise ist der Skizze, die ich damals gemacht habe, ebendiese Atmosphäre anzumerken. Auf den ersten Blick ist es nur der Entwurf einer steilen Gasse in Cornwall, auf der die Sonne liegt. Wenn man aber lange genug hinschaut, spürt man geradezu, wie sich das Unheil einschleicht. Ich habe das Bild nie verkauft und schaue es auch nie an. Es steht in einer Ecke meines Ateliers mit dem Gesicht zur Wand.

Der Ort hieß Rathole, ein wunderliches kleines Fischerdorf in Cornwall, sehr malerisch – vielleicht zu malerisch. Einer dieser Orte, in denen die Touristen in ›Ye Olde Cornish Tea House‹ gelockt werden. In den Läden verfertigen junge Frauen mit Bubikopf und in Hängerkleidchen handkolorierte Sprüche auf Pergament. Hübsch und idyllisch, aber auf eine sehr gewollte Art.«

»Wem sagen Sie das«, stöhnte Raymond West. »Der Fluch der Reisebusse. So schmal die Gassen auch sein mögen – kein malerisches Dorf ist vor ihnen sicher.«

Joyce nickte.

»Die Sträßchen, die nach Rathole herunterführen, sind tatsächlich schmal und sehr steil. Aber zurück zu meiner Geschichte. Ich war für vierzehn Tage zum Zeichnen nach Cornwall gekommen. In Rathole gibt es ein altes Gasthaus, das Polharwith Arms – angeblich das einzige Haus, das die Spanier verschonten, als sie fünfzehnhundertirgendwas den Ort mit Granaten bombardiert haben.«

Raymond West runzelte die Stirn.

»Nicht mit Granaten, Joyce. Versuchen Sie bei der historischen Wahrheit zu bleiben.«

»Also jedenfalls hatten sie irgendwo an der Küste Kanonen an Land gebracht und abgefeuert, und dann waren die Häuser kaputt. Aber darum geht es gar nicht. Das Gasthaus war ein wunderschönes altes Gebäude mit einer Art Vorbau auf vier Säulen. Ich suchte mir einen guten Platz und wollte gerade an die Arbeit gehen, als ein Auto sich langsam die gewundene Straße herunterquälte und ausgerechnet vor dem Gasthaus hielt, wo es mich besonders störte. Ein Mann und eine Frau stiegen aus, auf die ich nicht weiter achtete. Sie trug ein Kleid in Blassviolett und einen Hut in der gleichen Farbe.

Wenig später kam der Mann wieder heraus, und ich atmete auf, als er den Wagen zum Kai fuhr und dort abstellte. An mir vorbei schlenderte er zurück zum Gasthaus. In diesem Augenblick schraubte sich, wie es der Zufall wollte, noch ein Wagen nach unten. Die Frau, die ihm entstieg, hatte das bunteste Chintzkleid an, das mir je untergekommen ist, bedruckt mit einem Muster aus knallroten Weihnachtssternen, wenn ich mich recht erinnere. Auf dem Kopf hatte sie einen dieser breitkrempigen Strohhüte, wie sie die Leute auf Kuba tragen, in tiefem Scharlachrot.

Sie hatte nicht vor dem Gasthaus gehalten, sondern war ein Stück weitergefahren, auf den anderen Wagen zu. Als sie ausstieg, sah der Mann sie und sagte überrascht: ›Carol! Aber das gibt es doch gar nicht! Dass wir uns hier an diesem abgelegenen Flecken treffen … Ich habe dich jahrelang nicht mehr gesehen. Da ist Margery, meine Frau. Komm, ich mache dich mit ihr bekannt.‹

Sie liefen nebeneinander die Straße hoch, und ich sah, dass die andere Frau gerade aus dem Gasthaus gekommen war und auf sie zuging. Diese Carol sah ich nur ganz flüchtig, als sie an mir vorbeilief, ich bemerkte ein sehr weiß gepudertes Kinn und einen flammenden Scharlachmund und überlegte, ob Margery über dieses Treffen wohl sehr erbaut wäre. Aus der Nähe hatte ich Margery nicht gesehen, aber aus der Entfernung wirkte sie altbacken und ziemlich etepetete.

Natürlich ging mich das alles nichts an, aber manchmal liefert einem das Leben kuriose Momentaufnahmen, und man macht sich unwillkürlich so seine Gedanken darüber. Bruchstücke ihrer Unterhaltung wehten zu mir her. Sie sprachen vom Baden. Der Mann, der offenbar Denis hieß, wollte mit einem Boot die Küste entlangrudern. Eine Meile weiter, sagte er, gebe es eine berühmte Höhle, die sehr interessant sei. Carol wollte die Höhle auch sehen, schlug aber vor, den Klippenweg zu nehmen und sie sich von der Landseite her anzuschauen. Sie hasse Boote, sagte sie. Schließlich einigten sie sich darauf, dass Carol zu Fuß über den Klippenweg gehen und die beiden anderen, die das Boot nehmen würden, an der Höhle erwarten würde.

Ich hatte inzwischen auch Lust aufs Baden bekommen. Es war ein sehr warmer Vormittag, ich kam mit meiner Arbeit nicht recht voran und hoffte, dass die Nachmittagssonne mir reizvollere Effekte liefern würde. Also packte ich meine Sachen zusammen und lief zu einem kleinen Strand, den ich entdeckt hatte und der in einer ganz anderen Richtung als die Höhle lag. Das Baden war herrlich. Hinterher stärkte ich mich mit Zunge aus der Dose und zwei Tomaten und kam nachmittags voller Zuversicht und in Vorfreude auf meine Arbeit ins Dorf zurück.

Ganz Rathole schien im Tiefschlaf zu liegen. Mit der Nachmittagssonne hatte ich recht gehabt – die Schatten waren tatsächlich viel wirkungsvoller. Schwerpunkt meiner Skizze war das Polharwith Arms. Ein Sonnenstrahl fiel schräg vor das Gasthaus und erzielte eine ganz seltsame Wirkung. Die drei Badebegeisterten waren offenbar wohlbehalten zurückgekehrt, denn vom Balkon hingen zwei Badeanzüge zum Trocknen, ein roter und ein dunkelblauer.

An einer Ecke meiner Skizze musste ich etwas korrigieren, und ich beugte mich kurz vor. Als ich wieder aufsah, lehnte wie hingezaubert ein Mann an einer der Säulen des Polharwith Arms. Er war angezogen wie ein Seefahrer und mochte ein Fischer sein. Aber er hatte einen langen schwarzen Bart, und hätte ich ein Modell für einen finsteren spanischen Kapitän gesucht, hätte ich keinen besseren finden können. Ich fing in größter Eile an zu zeichnen, ehe er mir entkommen konnte, allerdings sah es aus, als wäre er bereit, diese Säule bis in alle Ewigkeit zu stützen.

Dann aber setzte er sich doch in Bewegung, aber zum Glück erst, als ich bekommen hatte, was ich wollte. Er trat zu mir herüber – und dann legte er los. Unglaublich, wie dieser Mann reden konnte!

›Rathole war ein sehr interessanter Ort‹, fing er an.

Das wusste ich schon und sagte es ihm auch, aber das rettete mich nicht. Ich bekam die ganze Geschichte der Bombardierung – ich meine der Zerstörung – des Dorfes zu hören und dass das letzte Todesopfer der Wirt des Polharwith Arms gewesen war, auf seiner eigenen Schwelle durchbohrt vom Schwert eines spanischen Kapitäns, das Blut sei auf den Bürgersteig gespritzt und habe sich hundert Jahre lang nicht mehr abwaschen lassen.

Das alles fügte sich gut in die träumerisch-träge Atmosphäre des Nachmittags. Die Stimme des Mannes war sanft, hatte aber einen seltsam bedrohlichen Unterton. Jenseits seiner fast unterwürfigen Art spürte ich Grausamkeit. Durch ihn wurden mir die Inquisition und die Gräueltaten der Spanier begreiflich.

Während er redete, arbeitete ich weiter und merkte plötzlich, dass ich über der aufregenden Geschichte etwas in meine Skizze hineingezeichnet hatte, was nicht da war. Auf das weiße Stück Bürgersteig vor der Tür des Polharwith Arms, auf das die Sonne fiel, hatte ich Blutflecken gemalt. Erstaunlich, welche Streiche der Kopf der Hand spielen kann, dachte ich, aber als ich wieder zu dem Gasthaus hinsah, erschrak ich erneut. Meine Hand hatte nur das gemalt, was meine Augen sahen – Blutstropfen auf dem weißen Pflaster.

Ein, zwei Minuten sah ich wie gebannt hin, dann machte ich die Augen zu, sagte mir: ›Sei nicht albern, da ist überhaupt nichts‹, und öffnete sie wieder, aber die Blutflecken waren noch da.

Ich hielt es plötzlich nicht mehr aus und unterbrach den Redefluss des Fischers.

›Ich habe ziemlich schlechte Augen. Sind das Blutflecke auf dem Bürgersteig da drüben?‹

Ein gütig-nachsichtiger Blick traf mich.

›Keine Blutflecken heutzutage, Lady. Was ich Ihnen erzählt habe, ist fast fünfhundert Jahre her.‹

›Ja, aber jetzt … auf dem Bürgersteig …‹, stotterte ich, dann blieben mir die Worte im Halse stecken. Ich wusste, dass er nicht sehen würde, was ich sah. Ich stand auf und raffte mit zitternden Händen meine Sachen zusammen. In diesem Moment kam der junge Mann, der vormittags mit dem Wagen angekommen war, aus dem Gasthaus. Er sah sich ratlos nach rechts und nach links um. Seine Frau trat auf den Balkon und holte die Badesachen herein. Er ging auf seinen Wagen zu, dann aber schwenkte er ab und lief über die Straße auf den Fischer zu.

›Sagen Sie, guter Mann, wissen Sie zufällig, ob die Dame, die in dem zweiten Wagen kam, schon zurück ist?‹

›’ne Dame in ’nem Kleid mit ’ner Masse Blumen drauf? Nein, hab sie nicht gesehen. Heute Vormittag ist sie über den Klippenweg in Richtung Höhle gelaufen.‹

›Ja, ich weiß. Wir haben dort alle drei gebadet, dann ist sie allein zurückgegangen, und seither habe ich sie nicht mehr gesehen. So lange kann sie unmöglich gebraucht haben. Sind denn die Klippen in dieser Gegend gefährlich?‹

›Kommt drauf an, in welche Richtung man will. Am besten nimmt man einen mit, der sich auskennt.‹

Damit meinte er natürlich sich selbst und machte Anstalten, das Thema zu vertiefen, aber der junge Mann ließ ihn stehen, lief zurück zum Gasthaus und rief zu seiner Frau auf dem Balkon hoch:

›Hör mal, Margery, Carol ist noch nicht zurück. Merkwürdig, was?‹

Margerys Antwort hörte ich nicht, aber ihr Mann fuhr fort:

›Wir können uns nicht länger hier aufhalten, wir müssen weiter nach...


Mundhenk, Michael
Michael Mundhenk studierte englische und französische Literatur in Berlin und Vancouver. Während seiner anschließenden Lehrtätigkeit an kanadischen Universitäten begann er die Arbeit als freier Lektor und Üersetzer.

Orth-Guttmann, Renate
Renate Orth-Guttmann übersetzt seit Mitte der sechziger Jahre aus dem Englischen. 1989 erhielt sie den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis.

Christie, Agatha
Agatha Christie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. Ihre beliebten Helden Hercule Poirot und Miss Marple sind - auch durch die Verfilmungen - einem Millionenpublikum bekannt. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Agatha Christie starb 1976 im Alter von 85 Jahren.

Agatha Christie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. Ihre beliebten Helden Hercule Poirot und Miss Marple sind - auch durch die Verfilmungen - einem Millionenpublikum bekannt. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Agatha Christie starb 1976 im Alter von 85 Jahren.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.