E-Book, Deutsch, 348 Seiten
Christen Die Abendgesellschaft der Quartiersleute
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86282-344-4
Verlag: Acabus Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Hamburger Generationenroman
E-Book, Deutsch, 348 Seiten
ISBN: 978-3-86282-344-4
Verlag: Acabus Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Hamburg, 2013. Wiebke Andresen, Tochter des seinem siebzigsten Geburtstag entgegensehenden Familienpatriarchen Hans-Peter Boettiger steckt mitten in den Vorbereitungen eines Festes für ihren Vater, zu dem die ganze Familie anreisen wird. Ein Eklat scheint vorprogrammiert, denn hinter der Fassade aus Bürgerlichkeit und hochgehaltener Tradition zeigen sich Risse, und vor dem Spiegel der Vergangenheit verblassen noch immer klar umrissen geglaubte Familienbilder.
England 1896. In Südwales ereignet sich eines der unzähligen Bergwerksunglücke jener Zeit. Die Katastrophe wird zur Geburtsstunde eines bis in die heutige Zeit überdauernden Hamburger Familienunternehmens, den Quartiersleuten Boettiger & Consorten.
Der Bergarbeiter John Buttger konnte nicht ahnen, dass eher die Wirren der Zeit und ein äußerst obskurer Vorfall ihn zum Gründervater einer Hamburger Firma machen würden. Er und sein Sohn Oskar kämpfen mit ihren Familien vor allem gegen die Verwerfungen zweier Kriege und die Schwierigkeiten wirtschaftlich und politisch chaotischer Zeiten. Oskar wird seine beiden Frauen und Eltern verlieren und nach dem Krieg mit drei kleinen Kindern von vorne anfangen: Hans-Peter, Lisbeth und Bernhard. Lisbeth, die unermüdlich versucht, das Gestern mit dem Heute zu verbinden und Bernhard, genannt Fletch, der nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges als Erster mit der Tradition bricht und Kapitän zur See wird. Da sind Hans-Peters grundverschiedene Töchter Wiebke und Lilly und ihre Familien. Wiebke, die mit einer nicht immer beherrschbaren Eifersucht auf die Schwester und der Herkunft ihres ersten Sohnes kämpft und Lilly, die mit dem Zerbrechen ihrer Ehe ringt. Und nicht zuletzt ist da Malte, der Enkel Hans-Peters, der ganz andere Pläne hat als sein Großvater.
"Die Abendgesellschaft der Quartiersleute" ist ein Tableau miteinander verwobener Biographien und eines außergewöhnlichen und in der ursprünglichen Form ausgestorbenen Berufsstandes vor dem Hintergrund die Stadt Hamburg prägender Geschichte.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Tylorstown, Rhondda Fach, Wales, 1896 John & Rufus Die Explosion zerriss den schiefergrauen Morgenhimmel, fraß sich hinauf durch die dunklen Wolkenfetzen und fegte ihr Echo wie eine Lawine aus zerreißenden Felsbrocken das Tal herunter. John Buttger blieb wie angewurzelt stehen. Sekundenlang war er sich nicht sicher, ob er die Geräusche wirklich gehört hatte oder ob sie nur einer inneren, satanisch heimtückischen Einbildung entsprungen waren. Als habe ein unterirdischer Dämon seine Ketten gesprengt, donnerten das zischende Kreischen auseinanderbrechenden Holzes und ein abgrundtiefes Grollen zerberstenden Gesteins vor ihm durch die Schatten. Er starrte an den flackernden Petroleumlampen vorbei den Weg hinauf und versuchte etwas zu erkennen. Eine fenstergroße Fläche des Weges war abgesackt und hatte sich vor ihm in den Schatten in eine rissige Mulde verwandelt. Er hörte den schwer gehenden Atem der beiden Wilson-Brüder hinter sich und einen Herzschlag später das einsetzende Wimmern des jungen Milton. Das dunkle Rauschen, das folgte, war mitleidlos real. Ein langes, grausam unmenschliches Fauchen stob aus den beiden Schächten oben auf dem Hügel, und dann löste sich quietschend die Eisenverkleidung des Lüftungsrades vom Gestänge neben Schacht 6, zerschnitt surrend die Luft und landete mit einem ohrenbetäubenden Scheppern irgendwo in den Schattenrissen der brechenden Äste. Für ein paar Sekunden herrschte Totenstille, und nur das beängstigende Zischen und Brausen des schwarzen Qualms war zu hören, der pfeifend aus den beiden Öffnungen des Berges in den düsteren Himmel fuhr. John Buttger drehte sich langsam um und blickte sprachlos in die Gesichter der zwölf weiteren Männer, die mit aufgerissenen Augen den Weg hinaufstarrten. Keiner sagte ein Wort. Samuel Jenkins kniete auf dem Weg und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Der alte Olding zitterte, als habe man ihn an diesem Februarmorgen mit einem Eimer Eiswasser geweckt, und Milton rannen die Tränen in Strömen über die Wangen. Er hatte nicht darauf geachtet, dass die Männer hinter ihm stehen geblieben waren. Wenn sie frühmorgens ihre Schicht antraten, hingen die meisten von ihnen ihren Gedanken nach. Sie sprachen nicht viel, hielten es für sinnvoller, ihre Kraft nicht mit unnötigem Geschwätz auf dem Weg hinauf zu den Einstiegen zu verschwenden, die Jüngeren verschämt gähnend und die Alten ihre Müdigkeit in Mienen vergrabend, die so versteinert wirkten wie die Wände der Stollen, in die sie für die nächsten Stunden hinabfahren würden. Heute war er ein wenig früher als die anderen aufgewacht, hatte sich angezogen, seinen Beutel gepackt und sich langsam auf den Weg gemacht. Jetzt schaute er über die Köpfe der Männer hinunter ins Tal und sah die anderen Kumpel weiter unterhalb im Morgendunst stehen, fassungslos heraufstarrend. Ein weiteres leiseres, tiefes Dröhnen rollte ihnen entgegen und ihre Augen blickten unwillkürlich das Tal hinauf, suchten ängstlich die Baumwipfel ab, von wo sie wussten, dass hinter ihnen der Einstieg zum Cynllwyndu, Schacht 8, lag. Eine riesige, wabernde Rauchwolke schwärzte die Dämmerung und ließ den Tag über dem Schacht wieder Nacht werden. John Buttger streckte zögernd die Hand aus. Schwarze Flocken schwebten durch seine Finger und rieselten zu Boden. Von weiter oben ertönten Schreie. Stimmen riefen durcheinander und eine Minute später kamen zwei Kumpel mit Fackeln den Weg heruntergelaufen. Als sie die Männer erreichten, gaben sie die Fackeln für einen Augenblick weiter, stützten ihre Hände auf die Knie und rangen keuchend nach Luft. 'Ein paar kommen bitte mit uns. Die anderen laufen nach Tylorstown zurück und holen Hilfe. Schnell! Wir müssen irgendwie da runter und schauen, ob ...'