Cederstrand | Alle meine Kinder | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 343 Seiten

Cederstrand Alle meine Kinder


1. Auflage 2016
ISBN: 978-87-11-50486-4
Verlag: Lindhardt og Ringhof Forlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 343 Seiten

ISBN: 978-87-11-50486-4
Verlag: Lindhardt og Ringhof Forlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erik Fenskov ist Chefingenieur in einer dänischen Lebensmittelfabrik, verheiratet und hat drei Kinder. Nach außen hin scheint alles in einer geregelten Ordnung, wären da nicht die Kinder, die ihm seit einiger Zeit schlaflose Nächte bereiten. Sein Sohn, in den er große Hoffnung gesetzt hatte, versagt im Studium und will neuerdings in einer Wohngemeinschaft mit Freunden wohnen. Auch die Tochter will sich nicht so recht nach den Wünschen des Vaters formen lassen. Sie hat sich in einen griechischen Arbeiter verliebt und will diesen nun heiraten, an ihre berufliche Zukunft denkt sie gerade wenig.Zu allem Überfluss will Eriks Fenskovs Arbeitgeber ihn nun auch noch ins Ausland versetzen. Der liberale Erik Fenskov aber kann diese neue Stelle nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und ist von Zweifel geplagt. Die Situation eskaliert endgültig, als seine Frau ihm offenbart, dass sie sich von ihm trennen will...ALLE MEINE KINDER ist ein Roman über Generationskonflikte und das langsame Zerbröckeln der gesellschaftlichen und familiären Ordnungen in einem Land, das von Wohlstand bestimmt ist und dadurch seine eigentlichen Ziele aus den Augen verloren hat.Ein allzeit aktuelles Buch über die großen Themen: Liebe, Familie und Gesellschaft. Sehr Lesenswert! -

Cederstrand Alle meine Kinder jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Erstes kapitel
„Hör mal, Erik, wenn jemand tolerant ist, dann sind wir das wohl – aber da mach ich nicht mehr mit!“ „Was hat sie denn gesagt?“ „Leck doch’n Schaf am Arsch!“ „Was?!“ Erik ließ das Buttermesser fallen. „Das hat sie gesagt?“ Gunvor nickte. Er räusperte sich. „Bißchen stark, muß man schon sagen.“ „Ja! Und ausnahmsweise bin ich also mal in die Luft gegangen und hab zu Rie gesagt, daß ich so was nicht hören möchte, und wenn sich das wiederholte, würde ich Pusser eben einfach das Haus verbieten. Da ist sie gleich aufgebraust: ich solle ihren Freundinnen nicht zu nahe treten, das lasse sie sich nicht gefallen. Und ich hab dann gesagt, wenn jemand ein Recht habe, sich unangenehm berührt zu fühlen, dann sei ich das doch wohl. Sie haben mich angeguckt, als ob ich leicht übergeschnappt wäre, und haben sich einen Blick zugeworfen, ich sage dir, einen Blick! ... dann stöhnten sie und zuckten die Achseln, wackelten mit dem Hintern und rauschten lässig und sexy zur Tür hinaus, zuerst Pusser und dann Rie. – Soll man sich das gefallen lassen?“ „N-nein – aber sie sind doch jung.“ „Entschuldigt das alles?“ „Man sollte so ein – so einen Kraftausdruck doch nicht ernst nehmen.“ „Da kann ich dir wahrhaftig nicht zustimmen, und ich nehme das ernst. – Was soll man denn von den jungen Mädchen denken?“ „Überhaupt nichts. Eine Formsache. Pusser ist schon in Ordnung.“ „Ist sie vielleicht gewesen. Aber ein nettes Mädchen gebraucht solche Ausdrücke nicht.“ „Was heißt nett. Diese Sprache ist nun mal bei ihr zu Hause üblich. In unsern Ohren klingt sie freilich ein bißchen derb. Ist aber nur eine andere Terminologie.“ „Vielleicht geradezu nachahmenswert?“ „Um Himmels willen! – Aber so was gibt sich mit der Zeit. Du kannst beruhigt sein, Rie weiß sehr genau, was sie zu sagen hat, wenn sie Eindruck machen will.“ „Siehst du denn nicht, daß sie dadurch verrohen?“ „Ach laß doch.“ Er wischte sich mit der Serviette den Mund ab, hatte nicht recht Lust. Es war so ein schöner Morgen, und die Krokusse leuchteten in der Sonne. Diese Farbenpracht steckte an; er war einfach gut gelaunt, wollte das auskosten dürfen, wollte sich ein bißchen ausruhen in dieser Stimmung von heiterem Wohlwollen, die sich einstellte, wenn er sich mit dem Frühstück nicht übereilte und noch seinen kleinen Umweg am Wald entlang machen konnte. Aber nur gerade so eben. Er legte die Serviette auf den Tisch und stand auf. „Willst du schon gehen?“ „Wieso schon? Ich hasse Überstürzungen, das weißt du.“ „Darf ich fragen, ob du es auch ganz natürlich fändest, wenn ich einen solchen Ausdruck gebrauchte?“ Sie wollte ihn keineswegs so leicht davonkommen lassen. Er lachte laut auf. „Du! Das könntest du überhaupt nicht! Nee, Gunvorchen, du und ich, wir sind nette Menschen.“ Sie fauchte höhnisch: „Hier in der Stadt hat man wohl eine andere Meinung von uns.“ „Das ist eine Frage der Kriterien. Den Vorwurf, daß wir konventionell sind, kann man uns selbstverständlich nicht machen, aber trotzdem können wir nicht umhin – wir sind nett.“ „Ist das vielleicht ein Fehler?“ „Ich weiß nicht recht.“ „Tu nicht so dumm!“ „Ich meine das wirklich. Man schleppt so viel Ballast mit sich herum, der einen hemmt und von dem die nächste Generation jedenfalls nicht belastet zu sein scheint.“ „Ist das wirklich nur negativ? Eine gewisse Portion von dem, was du Nettigkeit nennst, öffnet auf alle Fälle einige der Türen des Lebens. Aber die Kinder und ihre Kameraden glauben, daß sie den Kopf haben, um ihn sich einzurennen.“ Er lachte wieder. „Ja, sie kriegen wohl mehr – äh – physische Beulen, dafür dürften ihnen einige der psychischen erspart bleiben.“ „Glaubst du das wirklich?“ „Bestimmt! Sie wissen, was sie wollen. Und tun das! Sieh dir nur Marianne an – heiratet, ohne daß man etwas davon weiß.“ „Und obwohl wir abgeraten haben ...“ „Ließ keine Kritik gelten. Ja danke.“ Er trat von einem Bein aufs andere. Er mußte nun wirklich los, aber geradezu unhöflich wollte man ja auch nicht sein. Schon gar nicht bei diesem Thema. „Und die beiden anderen“, sagte er und sah demonstrativ auf die Uhr, „zweifelst du vielleicht daran, daß sie genauso selbständig sind?“ „Selbständig vielleicht schon“, sagte sie langsam, sie wußte genau, daß sie ihn aufhielt, und nahm gleichsam einen Anlauf: „Aber ich finde nicht, daß sie – daß sie nett und freundlich sind.“ „Was sagst du?“ Er kam unwillkürlich einen Schritt zurück. „Nicht nett und freundlich?“ „Nein. Stell dir vor, manchmal finde ich, sie benehmen sich, als ob sie so gräßliche Eltern haben, wie wir sie hatten.“ „Ooch – gräßlich?“ Er fand das ein wenig zu stark, zumal nach so vielen Jahren. „Na ja, zumindest verständnislos, streng und voller Vorurteile, so waren sie doch, das weißt du, meine Eltern und deine Eltern. Und manchmal hab ich Angst, du, doch ja, daß sie am Ende triumphieren werden: wir haben recht bekommen.“ „So ein Unsinn! Sie sind doch tot, und –“ „Deshalb können sie doch recht bekommen.“ „Womit recht? Ehrlich gesagt, ich versteh dich nicht.“ Er wurde immer ungeduldiger. „Damit, daß man die Dinge nicht ernst genug genommen hat.“ „Aber Herrgott, Gunvor!“ Er zauste sie ein bißchen in den Haaren. „So was, bloß weil sie ab und zu mal was raushauen. Wir haben prächtige Kinder! Das weißt du so gut wie ich, und eigentlich verrät man sie ein bißchen, wenn man an ihnen zweifelt.“ Sie lächelte ihn an. „Vielleicht.“ – „Nicht ‚vielleicht‘!“ Er küßte sie auf die Wange, mußte sich jetzt beeilen. Sie stand auf und stellte sich ans Fenster, während er zur Garage ging. Kurz darauf das gewohnte Brummen, der Wagen schwenkte halb in Fahrtrichtung, ein Winken mit der linken Hand, und er war weg. – Er mochte nicht mal mehr richtig zuhören, er wird langsam träge, dachte sie und hob die Zeitung auf. Er spürte, daß ihre Worte ihm dennoch die Morgenstimmung verdorben hatten, und versuchte sie wieder hervorzuzaubern. Eine gute Stimmung zu bewahren – eigentlich beherrschte er diese Kunst fast bis zur Vollendung, und das hielt er für wichtig, wenn man mit vielen sprechen und arbeiten und in einer immer größere Anforderungen stellenden Position sein Bestes geben mußte. Ein paar Augenblicke, in denen man zu sich selbst finden konnte. Nie fiel ihm das leichter als in dieser fruchtbaren Landschaft. Heute mußte er sich jedoch mit der Fahrt allein begnügen, wie ärgerlich, denn gerade jetzt im Vorfrühling war es hübsch, am Waldrand anzuhalten und ein Stück zwischen den Bäumen zu gehen. Aber er hatte doch noch genug Zeit, um langsam den großen, breiten Weg entlangzufahren, der durch ein Stück Tiefebene führte; auf der einen Seite der Wald und auf der anderen Seite, weit hinter den Feldern, der aufsteigende Höhenrücken mit vereinzelten Höfen und Häusern. Die Büsche im Gehölz waren rot vor Saft, noch leuchtender als vorgestern, als sie ihn darauf aufmerksam gemacht hatte. Vorgestern, dachte er, da saß sie neben mir, und sie hatte ihre Hand auf meinem Knie, ließ sie dort liegen, als wir vom Weg abbogen, quer durch das erblühende Land am Höhenrücken fuhren, bergab und bergauf – und die Tannen schlossen sich hinter uns; die Räder knirschten auf dem Kiesweg, und sie saß da und sang, ganz leise, ich hörte es kaum, weil der Motor so brummte. Er dachte an ihre kurzen Begegnungen, irgendwo, in einer Stadt, in einem beliebigen Wirtshaus, am liebsten aber hier oben auf dem Hügel. Wie jedesmal, wenn er an Elsa dachte, kam Ruhe über ihn. Eine heitere Freude belebte ihn, gab ihm das Gefühl eines fast kosmischen Gleichgewichts. Gunvors Worte fielen ihm ein, was ein nettes Mädchen dürfe – wieviel weniger nett würde man ihn finden, wenn jemand von dem zwischen ihm und Elsa wüßte. Und er dachte daran, daß man eine so innige Freundschaft wie die ihre mit dem Etikett Untreue versehen müßte. Dennoch war es eine Tatsache, daß auch sie dieser Forderung nach Nettigkeit unterlagen. Wieder fühlte er, daß sie vielleicht eine Schwäche war, diese Nettigkeit, die zu Kompromissen zwang, zu Rücksichtnahme, Höflichkeit. Konnte man ohne sie leben, sollte man es tun? Wäre man dann ehrlicher und vollkommener? Aber im Grunde genommen wünschte er nicht, daß sich etwas ändern sollte. Er hatte versucht, sich Elsa in seinem Heim vorzustellen, an Gunvors Stelle. Und er war nicht sicher, ob das richtig wäre – nicht jetzt, vielleicht wenn sie älter würden und die Entbehrung sie zu Veränderungen zwang. Jetzt war Gunvor ein Teil seines Lebens, Elsa ein anderer. Beide gehörten dazu, als Teile des eigentlichen Lebens, auf dieselbe Weise wie die Kinder, und er fühlte, daß sein Leben dadurch reicher wurde. Alles das trug dazu bei, daß es zu einem richtigen Leben wurde, und gab ihm das Wissen um das Wesentliche. In Artikeln über das Wohlbefinden am Arbeitsplatz, im Zusammensein mit anderen, wurde oft geschrieben, daß die äußere, aber auch die innere Nettigkeit ein Zeichen von Schwäche sei – ob das nun stimmte oder nicht, man mußte der Tatsache ins Auge sehen, daß man nett und durchschnittlich war. Viele Faktoren ließen einen so werden – Zuhause, Erziehung, Schule, Kameraden – vor allem die Eltern, die man nun einmal bekommen hatte. Das schloß ja nicht aus, daß man ein gewisses Bedürfnis nach...


Cederstrand, Ditte
Ditte Cederstrand war eine dänische Autorin. Sie wurde 1915 als Ditte Cecilie Cederstrand geboren und stammte aus einer bürgerlichen Familie aus dem wohlhabenden Hellerup. Nach dem Wirtschaftsabitur arbeitete sie zunächst als Sekretärin und Firmenkorrespondentin. 1937 heiratete Cederstrand den deutschen Pastor Siegbert Hummel und lebte von 1937 bis 1944 in Dresden und Leipzig. 1944 wurde die Ehe geschieden und Cederstrand zog mit ihren drei Kindern zurück nach Dänemark.
Kurze Zeit darauf lernte sie den Autor Harald Herdal kennen. Das Paar zog 1946 zusammen und heiratete 1949. Durch Herdal kam Cederstrand in Kontakt mit kommunistischen Kreisen und machte zudem Bekanntschaft mit Vertretern der dänischen Arbeiterliteratur wie Hans Kirk, Martin Andersen Nexø und Hans Scherfig. 1949 trat Cederstrand der Kommunistischen Partei DKP bei und engagierte sich zudem im dänischen Frauenverband. Cederstrands Interesse für den Sozialismus und der Arbeiterbewegung spiegelt sich auch in ihrem literarischen Schaffen wider. Heute zählt Cederstrand zu den prominentesten weiblichen Vertreterinnen des dänischen Sozialrealismus und der Arbeiterliteratur der 1960er und 1970er-Jahre.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.