E-Book, Deutsch, Band 2, 384 Seiten
Caudill Flucht der Herzen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7751-7654-5
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 384 Seiten
Reihe: Romantic Suspense im Gilded Age
ISBN: 978-3-7751-7654-5
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geheimdienstmitarbeiter Andrew Darlington hütet ein gefährliches Geheimnis, das niemals ans Licht kommen darf. Als er beauftragt wird, einen US-Marshall bei einem Fall zu unterstützen, hält er das lediglich für einen weiteren Karriereschritt. Doch dann wird der US-Marshall getötet und sein früheres Leben droht aufzufliegen ...
Die verwitwete Lu hat nur ein Ziel: mit ihrem Sohn den Fängen der gefährlichen Familie Thorne zu entkommen. Das Angebot des Marshalls, als Informantin gegen die Thornes auszusagen, schien die perfekte Lösung zu sein. Unfreiwillig finden sich Andrew und Lu im selben Team wieder. Doch selbst wenn sie lernen, zusammenzuarbeiten, könnten die Geheimnisse, die sie verbergen, alle Hoffnungen und Träume zunichtemachen. Können sie ihrer Vergangenheit entfliehen – und der Familie, die ihre Mitglieder bei jeglichem Verdacht auf Verrat tötet?
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[ Zum Inhaltsverzeichnis ] Kapitel 2
Die Nacht war wolkenlos. Im hellen Mondlicht ging Lu zurück in die Stadt. Nicht, dass jemand sie wegen ihres spätabendlichen Gangs über Land befragen würde. Die meisten würden annehmen, dass sie hin und wieder für Molly arbeitete – eine Annahme, die völlig unbegründet, aber nicht überraschend war. Doch je weniger Fragen gestellt wurden, desto größer war die Chance, dass die Thornes ihr Geheimnis nicht erfuhren. Nach heute Nacht würde es allerdings ohnehin keine Rolle mehr spielen. Morgen früh würde Bills Frau ihren im Hühnerstall versteckten Krug ein letztes Mal gefüllt finden, voller denn je. Und noch ein paar andere Familien würden von der Beute, die sie bei dem Schönling gemacht hatte, profitieren. Nur die Witwe Zachary ließ sich nicht helfen. Sie hatte sich wieder einmal geweigert, »Blutgeld« von der Frau zu nehmen, deren Familie ihren Mann ermordet hatte. Wieder einmal zog sich die immer gegenwärtige Schlinge der Schuld noch ein wenig enger um Lus Hals zusammen. Hätte sie nicht gelogen, um sich zu schützen und die Wahrheit über den Tod ihres Mannes Irvine zu verschleiern, könnte Sheriff Zachary noch am Leben sein und seine Frau und seine Tochter wären nicht zur Armut verdammt. Oder, schlimmer noch, gezwungen, eines von Mollys Mädchen zu werden. Lu schauderte. Vielleicht sollte sie es sich noch einmal überlegen und doch gegen die Thornes aussagen. Wenn die Prozesse erfolgreich waren, wie Walt Kinder es ihr versprochen hatte, würden sie die Zacharys nie mehr quälen können. Dann könnte Lu ihr Schuldgefühl endlich überwinden und Luella Preston werden, eine Mutter, die ihrem Sohn Oscar ein sicheres Zuhause bot. Er würde in die Gesellschaft aufgenommen werden, würde Freundschaft mit den anderen Kindern schließen und eine gute Ausbildung erhalten. Sie würde sich nie mehr Sorgen machen müssen, was wohl aus ihm würde, wenn sie den Kampf um seine Unschuld verlor. Doch nein. Wieder einmal brach die Wahrheit in ihre Träume ein und machte sie zunichte. Ein Prozess änderte überhaupt nichts. Die Zacharys wären immer noch arm. Und schlimmer noch, im Zusammenhang mit dem Prozess konnten Fragen nach Irvines Tod aufkommen und Lus Geheimnis auffliegen lassen. Dann würde kein Deal der Welt sie retten. Oscar würde im besten Fall in ein Waisenhaus gesteckt. Wahrscheinlich aber würde er bei irgendeinem Thorne enden, dem es gelingen würde, als freier Mann aus dem Prozess herauszukommen – wahrscheinlich Ma Frances, ausgefuchst wie sie war –, und er würde, wie es Lus größte Angst war, zu einem Kriminellen heranwachsen. Nein, sie konnte nicht als Zeugin aussagen. Es gab zu viel, was schiefgehen konnte. Wenn sie und Oscar erst einmal geflohen waren, konnte sie der Witwe Zachary Geld schicken. Dann konnte die Frau es nicht ablehnen. Lu ging am Laden für Reiterbedarf und Futtermittel vorbei, über die brach liegenden Felder in Richtung des Hauses der Familie Thorne. Die einzige Möglichkeit, sowohl für die Zacharys als auch für Oscar zu sorgen, bestand darin, an ihrem ursprünglichen Plan festzuhalten – heute Nacht mit Walt Kinder zu fliehen, ihn dann jedoch abzuhängen, sobald sie und Oscar außerhalb von Ma Frances' Reichweite waren. Im Haus drang ihr das süße Aroma verbotener gebackener Köstlichkeiten in die Nase und quälte ihre Zunge. Offenbar verwöhnte Ma Frances Oscar wieder einmal mit einem Dessert. Lu schmunzelte. Wenn sie ihre Wirkung auf Männer nicht verlieren wollte, musste sie eine schlanke Taille behalten, deshalb durfte sie nicht zu viel Süßes essen. Doch ab morgen konnte sie so hässlich wie ein Opossum sein. Ein winziger Bissen würde ihr allerdings schon jetzt nicht schaden. Sie ging durch das Wohnzimmer in die leere Küche. Perfekt. Auf dem Tisch stand ein Holunderbeerkuchen, von dem bereits ein großes Stück fehlte. Sie schnitt sich ein Stückchen mit einer weichen Beerendolde und knusprigem Rand ab und rief dann die Treppe hinauf: »Oscar, ich bin wieder da.« Keine tapsenden Schritte. Komisch. Er musste eingeschlafen sein. Dieser Junge konnte sogar während eines Tornados schlafen, wenn man ihn ließ. Wenn sie ihren Kuchen gegessen hatte, würde sie hinaufgehen und ihn in ihre gemeinsame neue Zukunft tragen. Sie rundete die Hand zu einer Schale, um etwaige Krümel und Sahnetropfen aufzufangen, und führte den Bissen zum Mund. »Stopp!« Ma Frances kam von der hinteren Veranda in die Küche gerauscht. Ihre Miene war so düster wie ihre schwarze Trauerkleidung. Lu hielt inne, den Bissen auf halbem Weg zum Mund. Konnte diese Frau einem nicht einmal ein winziges Häppchen erlauben? Schließlich würde sie dadurch ja keine hundert Pfund zunehmen. »Was hast du Walt Kinder über unsere Unternehmungen erzählt?« Lu ließ die Hand sinken. Sie spürte, wie ihr der Schweiß zwischen den Schulterblättern herablief. Ma Frances konnte nichts von ihren Plänen mit Walt wissen. Sie waren zu vorsichtig gewesen. Nicht einmal sein Bruder Eli, der als Schwätzer bekannt war, hatte etwas geahnt. Sie zwang sich zu einer Ruhe, die sie nicht empfand. »Ich habe gar nichts erzählt. Er war einfach eines meiner Opfer im Saloon.« »Er ist ein Verräter. Sag mir alles, was du ihm je gesagt hast.« Ma Frances packte sie am Handgelenk und schüttelte sie. Der Kuchen – die Beeren und die Kruste – flogen durchs Zimmer. »Dasselbe, was ich jedem Mann erzähle. Dass er gut aussieht und der Traum jedes Mädchens ist.« Ma Frances ließ Lus Handgelenk mit einem verächtlichen Schnauben los. »Ich sollte eigentlich wissen, dass du nur eine Sache im Kopf hast. Einmal Hure, immer Hure.« Lus Nackenhärchen richten sich auf. Ihr einstiges Gewerbe war ihr aufgezwungen worden, sie hatte es nicht freiwillig gewählt. Und sie würde ein solches Leben nie mehr führen, solange sie atmete. »Wie kommst du darauf, dass Walt ein Verräter ist? Dass die Bande ein paar Fehlschläge hatte, sagt doch noch gar nichts.« »Er ist ein Gesetzeshüter. Clint hat den Beweis heute Morgen gefunden.« Die Panik kämpfte mit der Logik. Ma Francis konnte sie nicht wirklich verdächtigen, sonst wäre Lu schon tot. »Das glaube ich nicht. Walt ist zu smart, um Polizist zu sein. Bist du sicher, dass Clint nicht nur eifersüchtig ist?« Alle wussten, wie sehr er hinter ihr her war. Diese Obsession warf ein zweifelhaftes Licht auf seine Behauptung, »Was für einen sogenannten Beweis hat er denn gefunden?« Ma Frances nahm einen Stapel Papiere vom Tisch und hielt sie hoch. »Seiten über Seiten mit Notizen über unsere kleine Organisation. Er hatte sogar eine Quelle, die ihm Informationen lieferte und sich bereit erklärt hatte, gegen uns auszusagen.« Lus Knie drohten zu versagen, sie griff nach der Stuhllehne, um sich festzuhalten. Ma Frances musste die Wahrheit kennen. Es konnte nicht anders sein, bei den vielen Informationen, die sie besaß. Sie trieb ein Katz- und Mausspiel mit ihr, bis sie den letzten, tödlichen Schlag ausführen würde. Lu saß in der Falle. »Wenn ich rausfinde, wer uns verpfiffen hat, ist derjenige genauso tot wie Walt.« Lu blinzelte. »Du weißt nicht, wer es ist?« »Dieser verdammte Kerl hat die Identität des Informanten verschleiert.« Ihr Kopf war plötzlich ganz leicht, ihre Kraft kehrte zurück. Sie war in Sicherheit. Heute Nacht konnten sie, Oscar und Walt – »Moment. Walt ist tot?« »Natürlich ist er tot – oder er wird es bald sein. Ich kann doch nicht zulassen, dass der Mann alles ruiniert.« Sie deutete mit ihrem Daumen über ihre Schulter hinter sich auf den. »Hab’ ihm Holunderbeerkuchen mit einer guten Dosis Laudanum gegeben, genug, um ihn auszuschalten, bis die Wirkung einsetzt. Ich will, dass dieser Mann für den Ärger, den er unserer Familie gemacht hat, leidet.« »Du kannst ihn doch nicht umbringen!« »Sagt wer? Dieser hochnäsige Pastor? Dem ist unsere Familie doch egal. Mir nicht. Als Irvine dich heiraten wollte, habe ich dich dieser Puffmutter abgekauft. Ich habe dich auf deinem schwangeren Hintern sitzen lassen, während wir anderen kämpften, um über die Runden zu kommen. Ich habe dich nicht an Molly verkauft, als Irvine starb. Du schuldest mir Loyalität, nicht irgendeinem Pastor.« »Aber wenn Walt ein Ordnungshüter ist, werden dann nicht andere kommen und ihn suchen? Wir müssen aus der Stadt weg.« Wenigstens war nicht alle Hoffnung dahin. Sie und Oscar würden im allgemeinen Chaos verschwinden. »Wir werden diese Stadt niemals mehr verlassen. Irvine ist hier begraben und ich verlasse ihn nicht. Cyrus und Clint werden Walts Tod wie einen Unfall aussehen lassen.« Ma Frances warf die Papiere ins Feuer. »Ich hab’ mich um die Beweise gekümmert. Du wirst dich um seinen Bruder kümmern.« »Ich kann Eli nicht umbringen.« »Jeder in dieser Familie hat seinen Job zu machen. Willst du sagen, dass du nicht zur Familie gehörst? Wenn ja – wir kommen auch ohne das Geld, das du klaust, zurecht.« Ma Frances griff in ihre Tasche, in der sie immer eine Deringer mit sich herumtrug. Lus Hand verkrampfte sich so sehr, dass es wehtat. Es musste einen Weg geben, die Sache aufzuschieben oder zu verschwinden, bevor sie ihrer Liste unverzeihlicher Sünden eine weitere hinzufügte. »Heute Abend ist es zu spät für alles. Er wird Verdacht schöpfen und mich überwältigen.« Die Waffe, die ihre Schwiegermutter halb aus der Tasche gezogen hatte, schimmerte. »Aber wenn ich ihm morgen früh Kuchen bringe, wird er das als Flirtversuch auffassen.« Ma Frances schwieg und schien nachzudenken, dann steckte sie die Waffe wieder ein. »Gut, aber du...