E-Book, Deutsch, 168 Seiten
Carmichael KERZEN FÜR DIE TOTEN
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-2602-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Krimi aus London
E-Book, Deutsch, 168 Seiten
ISBN: 978-3-7554-2602-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Reporter Quinn von der Morning Post erfuhr, was der Geschäftsmann David Breame nach seiner Rückkehr aus Schweden am Londoner Flughafen Heathrow erlebte; eine interessante Geschichte, die gut in Quinns Serie über ungewöhnliche Verbrechen passte. Doch ansonsten... passte nichts zusammen. Schon gar nicht der Mord an Breames Teilhaber, für den es kein Motiv zu geben schien... Harry Carmichael (eigtl. Hartley Howard/Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; ? Großbritannien) war ein britischer Schriftsteller. Der Roman Kerzen für die Toten um den Londoner Privatdetektiv John Piper erschien erstmals im Jahr 1973; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr (unter dem Titel Hochzeitstorte mit Nachgeschmack ). Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
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Zweites Kapitel
Quinn betrat die Bar des Royal Oak in der Euston Road kurz vor Viertel nach sechs. Er wusste, dass er früh daran war. Der Mann, den er zu treffen hoffte, würde kaum vor sieben eintreffen. So blieb ihm noch Zeit, bei ein oder zwei Glas Bier in aller Ruhe zu entspannen. Das Lokal war beinahe leer. Höchstens ein halbes Dutzend Gäste hielten sich in der Bar auf, jeder trank für sich allein, jeder sah ausgekühlt aus von der Kälte des stürmischen Abends. Er hatte viel Platz für sich am Ende der langen Theke. Ein junger Mann mit schulterlangem Haar bediente ihn wortlos und machte sich dann wieder daran, Gläser auf einem Regal aufzutürmen. Quinn trank einen. Schluck Bier, spülte den mit einem zweiten Schluck hinunter und knöpfte seinen Regenmantel auf, um die Wärme besser aufsaugen zu können. Um halb sieben traf eine Gruppe von Neuankömmlingen ein, die alle zu laut redeten und zu häufig lachten. Nach und nach füllte sich das Lokal, und mit jeder Minute, die verstrich, wuchs der allgemeine Tumult. Quinn überließ sich ganz der behaglichen Wärme des Gasthauses. Es machte ihm nichts aus, dass der Mann, der ihm versprochen hatte, spätestens um sieben zu kommen, sich bereits zehn Minuten verspätet hatte. Keine Eile, sagte sich Quinn. Dieser Abend gehört dir. Wahrscheinlich hofft Moorside sowieso nur, dich anpumpen zu können. Seine Informationen sind niemals allzu zuverlässig. Wenn er nicht kommt, ist damit auch nichts verloren. Hier kannst du ebenso gut wie in irgendeinem anderen Gasthaus ein paar Bierchen kippen und ein paar Stunden vertrödeln... Gegen Viertel nach sieben tippte ihm jemand auf die Schulter, und eine Stimme, die ihm vage bekannt vorkam, sagte: »Ihr Bier sieht schon ganz schal aus. Trinken Sie aus, dann spendiere ich Ihnen noch eines.« Es war lange her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, doch Stephen Grady hatte sich kaum verändert. Makellos gekleidet, der schmale Schnurrbart gepflegt wie immer, feine Lachfältchen um die Augen. »Das ist die netteste Einladung, die mir heute zuteilgeworden ist«, sagte Quinn. »Wenn Sie eine Fata Morgana sein sollten, dann lassen Sie bitte den Preis für ein Bier hier liegen, ehe Sie sich wieder in Luft auflösen.« »Keine Sorge«, versetzte Grady. »Ich bin von Fleisch und Blut. Aber Sie befinden sich hier doch in fremdem Revier. Was hat Sie denn hierhergeführt, so weit weg von Ihren heimischen Regionen?« »Ich war hier mit einem Mann verabredet, der meinte, er hätte eine interessante Information für mich. Spätestens um sieben wollte er hier sein. Ich vermute, dass ich ihn heute Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen werde. Wahrscheinlich sitzt er schon wieder.« »Aha, Sie verkehren also immer noch in diesen feinen Kreisen«, stellte Grady fest. Er bestellte ein Bier für Quinn und einen Gin für sich. Dann hob er prostend sein Glas. Quinn leerte das seine fast bis zur Hälfte. Als er es auf die Theke stellte, fragte er: »Und was hat Sie in diese Gegend geführt?« »Ich bin um diese Zeit fast immer im Royal Oak. Genehmige mir noch einen vor der Heimfahrt.« Nachdem er noch einen Schluck von seinem Gin getrunken hatte, fragte er: »Dieser feine Mensch, von dem Sie mir eben erzählt haben, wollte Ihnen wohl etwas Interessantes für Ihre Spalte liefern?« »Ja. Er behauptete, er hätte von einer neuen Methode gehört, Hasch nach England einzuschmuggeln. Ich habe gerade eine Serie von Artikeln über Rauschgifthandel veröffentlicht.« »Warum schreiben Sie nicht einmal eine Serie über Schmuggel im Allgemeinen«, meinte Grady über den Rand seines Glases hinweg. »Warum?« »Ich hätte da eine ganz interessante Geschichte für Sie, die ich neulich abend gehört habe.« »Dichtung oder Wahrheit?« »Oh, nackte Wahrheit – wenn er nicht der Welt größter Lügner ist. Und ich glaube nicht, dass er mich auf den Arm nehmen wollte. Es heißt doch immer in vino veritas, nicht wahr?« »Ja, das heißt es, aber ob es auch immer stimmt?«, meinte Quinn skeptisch. »Nun, hören Sie mir erst einmal zu. Ich traf den Mann, von dem ich spreche, in unserem Golfclub. Wir kamen ins Gespräch. Er hatte offensichtlich schon einiges getrunken, bevor ich eintraf, und er genehmigte sich noch einige weitere Gläser, während wir beisammen saßen. Ich hatte den Eindruck, er hoffte, im Whiskey seinen Kummer ertränken zu können.« »Ach, er hatte Kummer?« »Ja, und der Whiskey half auch nicht seine Stimmung zu heben. Dafür lockerte er ihm die Zunge. Sonst hätte er mir bestimmt nicht erzählt, was ihm neulich, als er geschäftlich in Schweden war, passiert ist. An dem fraglichen Abend hatte er meiner Ansicht nach auch ein Glas zu viel getrunken.« »Es wäre nett, wenn Sie endlich zur Sache kämen«, bemerkte Quinn, nachdem er einen tiefen Zug aus seinem Glas genommen hatte. »Drängen Sie mich nicht. Ich erzähle Ihnen alles schön der Reihe nach. Also, an seinem letzten Abend in Stockholm lernte Breame eine sehr attraktive Schwedin kennen und verbrachte die Nacht mit ihr in seinem Hotel. Als er gegen Morgen aufwachte, erzählte sie ihm eine rührselige Geschichte...« Quinn schlürfte genüsslich sein Bier, während er der Geschichte von der Geburtstagstorte für ein kleines Mädchen namens Katrine lauschte. Als Grady zum Ende kam, war Quinns Glas fast leer. Er spülte den letzten Tropfen hinunter, winkte dem Barkeeper und bestellte eine neue Runde. »Nein, die übernehme ich«, schaltete sich Grady ein. »Wieso? Sie haben doch das letzte Mal bezahlt.« »Schon recht, aber ich trinke ja auch doppelte Gins. Gerecht ist gerecht.« »Stimmt haargenau«, bestätigte Quinn. »Ich muss endlich lernen, meine Großzügigkeit zu bremsen.« Der langhaarige junge Mann brachte ihnen die Getränke und zog sich zurück. Dicke Schwaden von Tabaksqualm durchzogen jetzt die Bar, Stimmengewirr, Gelächter und Gläserklirren erfüllten den Raum. »Nun«, fragte Grady, »was halten Sie von diesen Aufnahmen, die in der Torte versteckt waren?« »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Eine ganz merkwürdige Geschichte ist das. Was an Aufnahmen der israelischen Botschaft so Besonderes sein soll, leuchtet mir nicht ein. Es kann doch jeder beliebige von jedem beliebigen Botschaftsgebäude Fotographien machen so viel er will.« »Aber vielleicht war es nicht das Gebäude, das man fotographieren wollte.« »Was denn sonst?« »Die Leute auf der Straße.« »Warum gerade an diesem besonderen Ort?« »Vielleicht möchte jemand genau wissen, wer an dem fraglichen Tag die Botschaft aufsuchte«, erwiderte Grady. Quinn fand diesen Gedanken der Überlegung wert. »Die Frage ist nur – zu welchem Zweck?« »Sie sind der kriminalistische Experte. Die Lösung müssen Sie finden.« »Bevor sich aus dieser Story etwas machen ließe, müsste ich mich einmal persönlich mit diesem Bekannten von Ihnen unterhalten, mit diesem David Breame.« »Er wird aber vielleicht nicht darüber sprechen wollen.« »Einen Versuch ist es immerhin wert. Wo kann ich ihn erreichen?« »In seinem Büro wahrscheinlich. Er und sein Kompagnon Rodell haben ein Geschäft für Geschenkartikel in Aldersgate. Arbee Fancy Goods heißt der Laden. Aber vielleicht ist Breame schon wieder unterwegs.« Quinn blickte zur Uhr über der Bar hinauf. »Das wird sich leicht feststellen lassen, wenn ich ihn zu Hause anrufe. Wenn er nicht schon wieder verreist ist, dann sitzt er jetzt sicher beim Abendessen. Wo wohnt er?« »Irgendwo in Swiss Cottage. Die Nummer steht bestimmt im Telefonbuch.« In leicht verändertem Ton fügte Grady hinzu: »Aber erwähnen Sie nichts von mir. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, dass ich über das, was er mir im Club erzählte, meinen Mund halten würde. Sagen Sie einfach, ein Kontaktmann vom Flughafen hätte Ihnen den Tipp gegeben.« »Wie Sie meinen. Aber es ist ja seine eigene Schuld, wenn die Sache sich herumspricht. Er hätte selbst dichthalten sollen.« »Nun ja, der Ärmste stand unter Alkohol...« »Hat man beim Zoll denn nicht verlangt, dass er die Sache für sich behält?« »Das weiß ich nicht. Sehen Sie denn einen Grund für Geheimhaltung?« »Nun, wenn die Geschichte publik wird«, meinte Quinn, »dann wird derjenige, der dahintersteckt, sich hüten, noch einmal Kontakt aufzunehmen.« »Breame wäre das nur recht. Er hat ärgere Sorgen.« »Zum Beispiel?« »Seine Frau hat ihn verlassen.« Grady grinste. »So ein Glück möchte ich auch einmal haben. Aber er ist ganz gebrochen. Deshalb ließ er sich im Golfclub volllaufen.« »Wie ist sie denn dahintergekommen?« »Sie hörte ein Telefongespräch mit. Offenbar riefen die Leute vom Zoll an, um ihn zu fragen, ob jemand mit ihm Verbindung aufgenommen hätte. Damit war die Katze aus dem Sack. Sie holte die ganze Geschichte im Nu aus ihm heraus und ließ keine Entschuldigung gelten. Soviel ich weiß, wohnt sie jetzt in einem Hotel.« »Ehrlichkeit scheint sich in seinem Fall nicht bezahlt gemacht zu haben«, stellte Quinn fest. »Ich wette, er bereut es jetzt, dass er nicht einfach schnurstracks durch den Zoll gegangen ist. Wenn er den Mund gehalten hätte...« »Dann wäre er vielleicht in ernste Schwierigkeiten geraten, wenn der Zoll gerade bei ihm eine Stichprobe gemacht und den Kuchen untersucht hätte.« »Hm, da haben Sie vielleicht recht. Wann ist er denn aus Schweden zurückgekommen?« »Letzte Woche....




