E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: Preselect
Caduff / Mahler / Rossetti Unterrichten an Berufsfachschulen (E-Book)
2. Auflage 2014
ISBN: 978-3-0355-0203-9
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Berufsmaturität
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: Preselect
ISBN: 978-3-0355-0203-9
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Im dualen Berufsbildungssystem verbringen die Lernenden höchstens zwei Tage in der Schule, in der restlichen Zeit arbeiten sie im Betrieb. Das Unterrichten
an Berufsfachschulen stellt deshalb besondere Ansprüche – es braucht spezifische pädagogische Konzepte und eine angepasste Didaktik. Unter anderem geht es darum, an die Erfahrungswelt der Lernenden anzuknüpfen, das Lernen als Ausgangspunkt für weitere berufliche Problemlösungen und lebenslanges Lernen zu nutzen, viel Stoff in wenig Zeit unterzubringen und dabei immer den individuellen Voraussetzungen der Lernenden gerecht zu werden. Der erste Band der Trilogie 'Unterrichten an Berufsfachschulen' greift wesentliche Elemente des Unterrichts in Berufsmaturitäts-Bildungsgängen auf und fokussiert diese nach methodisch-didaktischen Gesichtspunkten. Die komplett überarbeitete Neuauflage orientiert sich durchgehend am neuen BM-Rahmenlehrplan 2012.
Das Buch kann im Selbststudium erarbeitet werden, an schulhausinternen Weiterbildungen Verwendung finden oder der Vertiefung einzelner Aspekte oder der Begleitung von Studierenden dienen.
Autoren/Hrsg.
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Teil 2
Unterrichten in Berufsmaturitäts-Bildungsgängen
Seitenblick Herausforderungen des BM-Unterrichts aus der Optik (angehender) Gymnasiallehrpersonen Wer bereits über ein gymnasiales Lehrdiplom verfügt oder dabei ist, ein solches zu erwerben, kann sich in der Schweiz im Rahmen einer berufspädagogischen Zusatz- oder Nachqualifikation (zu 300 Lernstunden) auch für den Unterricht in der Berufsmaturität qualifizieren. Die Rahmenlehrpläne des Bundes für Berufsbildungsverantwortliche (BBT 2011) definieren dazu sieben Bildungsziele, zugehörige Studieninhalte und Standards, die sich auf die besonderen Lernumstände in der Berufsbildung beziehen. In unserem Zusammenhang interessieren hauptsächlich die beiden Bildungsziele, die sich spezifisch auf den Unterricht in der BM richten: –Bildungsziel 6 («Den Transfer von der Praxis in die Theorie und von der Theorie in die Praxis beherrschen – Inhalte: Lernende in ihrem Beruf abholen; die berufliche Erfahrung einschätzen und für weitere Lernprozesse verwenden; Gelerntes als Basis für neues Lernen») und –Bildungsziel 7 («Die Inhalte des Lehrfaches theoretisch durchdringen und fachdidaktisch aufbereiten – Inhalte: Reflexion der spezifischen Inhalte des Faches, der berufspädagogisch-theoretischen Denkweise und der fachdidaktischen Umsetzung» (vgl. BBT 2011, S. 40–4111). Aus den Formulierungen ist zu erahnen, dass BM-Unterricht sich von gymnasialem Unterricht wesentlich unterscheidet: So spielen zwar auch im BM-Unterricht wie am Gymnasium fachspezifische Inhalte die zentrale Rolle, es muss aber immer auch die berufspädagogisch-theoretische Perspektive mitbedacht, der Bezug zur Arbeitswelt hergestellt werden. Das ist ein hoher Anspruch – gerade für Gymnasiallehrpersonen, die von dem, was ihre Lernenden am Arbeitsplatz leisten, welche Kompetenzen dort gefragt sind und mit welchen Strategien gearbeitet wird, meist nur vage Vorstellungen haben. Weil es keine spezifische BM-Didaktik gibt, besteht zudem immer Gefahr, dass Lehrpersonen angesichts knapper Zeitbudgets ihren Unterricht beschleunigen oder Inhalte einfach kürzen, also weniger vermitteln. Aus unserer Sicht geht es aber nicht darum, etwas wegzulassen, sondern darum, das reduzierte Zeitbudget didaktisch optimal zu nutzen. Das ist womöglich die grösste Herausforderung im BM-Unterricht. BM-Unterricht im Vergleich zu gymnasialem Unterricht In Zürich12 werden die Studierenden im Rahmen ihrer berufspädagogischen Zusatz- oder Nachqualifikation auf solche Herausforderungen gezielt sensibilisiert und vorbereitet. In den unterrichtsspezifischen Ausbildungsmodulen hospitieren sie deshalb auch in einem BM-Bildungsgang und verfassen dazu einen Bericht, in dem sie ihre Beobachtungen und Überlegungen festhalten. Inzwischen verfügen wir so überein Korpus von 600 Hospitationsberichten. Im Folgenden geht es darum, einigen dieser Berichte didaktische Ansprüche an den BM-Unterricht zu entlocken. Bei der Auswertung interessierten uns speziell der Aspekt, wie im Sinne von Martin Lehner (? hier) die beschränkte Unterrichtszeit als Lernzeit genutzt wird), und die Unterschiede zwischen gymnasialer Didaktik und der Didaktik im Berufsmaturitätsunterricht.13 Bei Hospitationen im Jahr 2013 haben die Studierenden ihr Hauptaugenmerk auf den Aspekt «Viel Stoff – wenig Zeit» gelegt und anlässlich der Schlussevaluation zu ihren Beobachtungen und aus Gesprächen mit hospitierten Lehrpersonen exemplarisch einige Zitate ausgewählt. Die Tabelle enthält eine Auswahl solcher Zitate und der didaktischen Konsequenzen, die sich aus unserer Sicht daraus ziehen lassen. Sie können jeweils durchaus auch auf andere als die genannten Fächer übertragen werden. Generell wird von den Lehrpersonen immer wieder moniert, der Rahmenlehrplan sei bei knapper Lektionenzahl überfrachtet. Der Synopsis entnehmen wir, dass es Lehrpersonen gibt, die nach Inhalt methodisch-didaktisch geschickt differenzieren. Damit meinen wir, dass nicht aufwendige Gruppenarbeiten durchgeführt werden, wenn komplexe Inhalte vermittelt und von den Lernenden erarbeitet werden sollen. Es ist aber offenbar nicht immer einfach zu beurteilen, welchen Inhalt man mit welcher Methode vermitteln soll. Zusätzlich bedienen sich Lehrpersonen wenig der Integrationsdidaktik und verzichten oft darauf, zu einem Sachverhalt parallel effizient Wissen zur Verfügung zu stellen. In einem Text wird zum Beispiel Kant erwähnt, aber die Lehrperson blendet lediglich kurz Kants Biografie ein, und die Lernenden machen sich auf einem vorstrukturierten Blatt Notizen. Für die Fachdidaktik drängt sich der folgende Schluss auf: Nicht die Inhalte sind das Problem, sondern eine mangelnde Ressourcenorientierung der Lehrpersonen im Hinblick auf das berufliche Umfeld der Lernenden. Für Lernende technischer und informationstechnologischer oder gesundheitlicher Ausrichtung braucht es in den Fächern unterschiedliche methodisch-didaktische Vorgehensweisen. Den Berichten zufolge kommt dies nur ansatzweise im naturwissenschaftlichen Unterricht zum Zug. «An Ihrem Arbeitsplatz haben Sie doch auch schon …» Schwieriger wird das Unterfangen in Fächern wie Französisch oder Deutsch, wenn es sich nicht gerade um KV-Klassen im M-Profil handelt. Lehrpersonen müssen sich also ein Bild machen, welche Berufsfelder sie unterrichten. Literaturepochen lassen sich in technisch ausgerichteten Berufen wohl leichter unterrichten, wenn zum Beispiel zuerst einmal die technischen Errungenschaften des entsprechenden Jahrhunderts angesprochen werden. Mit Fallbesprechungen rennt man bei gesundheitlich ausgerichteten Berufen offene Türen ein. Die Lehrperson muss also eine Transferleistung iniitieren. Im Folgenden listen wir nun noch Aussagen auf, die zeigen, was den Hospitierenden im Vergleich mit dem gymnasialen Unterricht oder aus dessen Optik im hospitierten BM-Unterricht aufgefallen ist: –«Im Vergleich zum Gymnasium haben alle Lehrpersonen dasselbe Skript und rund vierzig Standardversuche.» –«Im Gymnasium ist der Praxisbezug (Experimente) weniger ausgeprägt als in der technischen Berufsmaturität.» –«Am Gymnasium gibt es keine Prüfungsvorbereitungsstunde. Vertiefung und Verarbeitung müssen zu Hause gemacht werden.» –«Berufslernende sehnen sich nach klaren Aussagen, die sie in konkreten Situationen im Berufsalltag anwenden können.» –«Leute, die eine BM 2 [also die BM im Anschluss an die Berufslehre] machen, sind engagiert, weil sie die Schule zu schätzen wissen.» –«Die klare und strukturierte Art und Weise des Unterrichts ist bemerkenswert.» –«Es wäre sinnvoll, am Ende der Schulstunde die häufigsten Fehler festzuhalten und mit den Lernenden zu korrigieren.» –«Zusammenfassungen des Besprochenen unter Zuhilfenahme einer komplett anderen Darstellungsweise (sprachlich versus grafisch), um direkt verschiedene Lernkanäle anzusprechen, sind sehr gut.» –«Ist eine Lernende in einer Prüfung ungenügend, muss sie ein Blatt ausfüllen und dem Ausbildungsort zur Unterschrift vorweisen. So muss sie sich nochmals über die Prüfung Gedanken machen.» –«Als Lehrperson sollte man versuchen, Stoffmengen sinnvoll zu reduzieren und den Fokus immer auf die wichtigsten Erkenntnisse zu leiten, damit die Lernenden den Gesamtüberblick nicht verlieren. Auf das Eintrichtern von Rezepten und Methoden sollte man verzichten. Rezepte werden sehr schnell vergessen. Der Bezug zur Arbeitswelt ist zentral, jedoch sollte gerade der BM-Unterricht über den Zaun hinausführen in Richtung gymnasiale Bildung.» –«Auffallend ist, wie widerwillig die Lernenden Hochdeutsch sprechen.» –«Man sollte der Aufforderung, Hochdeutsch zu sprechen, mehr Nachdruck verleihen.» –«Eine effizientere Nutzung der Zeit würde das Lösen von Hausaufgaben bringen.» –«Wenn möglich sollte der Unterrichtsstoff mit der Lebenswelt der Lernenden in Verbindung gebracht werden.» –«Mit dem Lerntempo-Duett wird besonders dem unterschiedlichen Lerntempo der einzelnen Lernenden Rechnung getragen.» –«Wenn man die Lernenden nur einmal in der Woche und immer zur gleichen Zeit hat, ist es wichtig, die Stimmung positiv zu nutzen.» –«Den Lektionenverlauf schriftlich an der Wandtafel festzuhalten, ist eine gute Orientierung für die Lernenden. Die Unterrichtsstruktur ist so für die Lernenden nachvollziehbar gestaltet.» –«Konsolidierungsprozesse können sehr gut über Übungen zu Hause und durch die Kontrolle und Besprechung der Hausaufgaben erreicht werden.» –«Spracherwerb kann im Schulzimmer mit reinen Sprechübungen in Gruppen nicht zufriedenstellend erzielt werden. Für die Lernenden ist von Vorteil, wenn ein...