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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 504 Seiten

Reihe: Ein Dave Robicheaux-Krimi

Burke Weißes Leuchten

Ein Dave-Robicheaux-Krimi, Band 5

E-Book, Deutsch, Band 5, 504 Seiten

Reihe: Ein Dave Robicheaux-Krimi

ISBN: 978-3-86532-743-7
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alles beginnt mit einem Schuss durch ein Fenster im Haus des Öl-Magnaten Weldon Sonnier. Dave Robicheaux wird mit den Ermittlungen beauftragt. Sofort ist er heillos verstrickt im engen Beziehungsgeflecht einer der angesehensten Familien Louisianas. Doch der Clan mauert. Wie soll er in diesem gefährlichen Sumpf aus familiärer Gewalt, jahrzehntealter Schuld und Mafiaverbindungen den Überblick behalten? Unterstützt von seinem Partner Clete Purcel versucht er Licht ins Dunkel zu bringen. Allerdings muss er nicht nur gegen Verbrecher kämpfen, auch die Dämonen seiner eigenen Vergangenheit machen ihm zu schaffen. Gelingt es Dave, dem Druck standzuhalten?
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1 Ich kannte die Sonnier-Familie schon mein ganzes Leben lang. Drei Sonniers hatten gemeinsam mit mir die katholische Grundschule in New Iberia besucht, einer war mit mir in Vietnam gewesen, und kurz war ich sogar mal mit Drew, dem Nesthäkchen, gegangen, bevor ich in den Krieg zog. Durch Drew wurde mir klar, dass die Sonniers einer ganz bestimmten Sorte von Menschen angehörten: Man mag sie nur aus der Entfernung, aber nicht wegen dem, was sie sind, sondern wegen dem, was sie verkörpern – eine Art vererbten oder familiär vermittelten Konstruktionsfehler, als wäre bei ihnen der Kitt vergessen worden, der uns als Menschen zusammenhält. Die Geschichte der Sonnier-Kinder war so eine, von der man instinktiv wusste, dass man nicht mehr wissen wollte, genauso wie man sich spät nachts in der Bar Leidensgeschichten einer verzweifelten und geplagten Seele eigentlich gar nicht anhören mag. Als Polizist habe ich die Erfahrung gemacht, dass Pädophile in der Lage sind, sehr lange ihrem Treiben nachzugehen und dabei ein geordnetes Leben zu führen und Dutzende, sogar Hunderte von Kindern zu missbrauchen, weil man dem eigenen instinktiven Gespür für die Symptome beim Täter nicht trauen mag. In unserem Kopf entstehen schreckliche, ekelhafte Bilder, und so hoffen wir wider besseres Wissen, dass das Problem in Wirklichkeit nur in unserer subjektiven Wahrnehmung liegt. Die systematische körperliche Misshandlung von Kindern gehört in dieselbe Kategorie. Niemand will sich damit auseinandersetzen. In meinem ganzen Leben kann ich mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo ein Erwachsener jemals in der Öffentlichkeit eingegriffen hätte, wenn ein anderer Erwachsener ein Kind schlecht behandelte. Den Staatsanwälten graut davor, jemanden wegen Kindesmisshandlung vor Gericht zu bringen, weil ihre einzigen Zeugen für gewöhnlich Kinder sind, die schon der bloße Gedanke, gegen die eigenen Eltern aussagen zu müssen, in Angst und Schrecken versetzt. Und die bittere Ironie dabei ist, wenn der Staatsanwalt Erfolg hat, wird das Opfer danach in die Obhut des Staates übergeben und wächst bei Pflegeeltern oder in einem Waisenhaus auf, das kaum mehr ist als eine Verwahranstalt für Menschenwesen. Als Kind sah ich die Brandmale, die die Sonnier-Kinder an Armen und Beinen trugen. Sie stammten von Zigaretten. Die verschorften Wunden sahen aus wie geringelte, graue Würmer. Irgendwann glaubte ich, die Sonniers würden in einem Haus aufwachsen, das eher ein Ofen war als ein Heim. An einem wunderschönen Frühlingstag rief der Dispatcher, der Diensthabende der Telefonzentrale im Sheriffsbüro des Iberia Parish, wo ich als Detective arbeitete, mich zu Hause an und teilte mir mit, jemand habe bei Weldon Sonnier durchs Esszimmerfenster geschossen und ich könne Zeit sparen, wenn ich direkt dort hinfahren würde und nicht erst vorher ins Büro käme. Ich saß gerade am Frühstückstisch, durchs offene Fenster roch ich den schweren, üppigen Duft der Hortensien im Blumenbeet und das Regenwasser der letzten Nacht, das von den Pecanbäumen und Eichen im Garten tropfte. Es war ein wirklich schöner Morgen, das frühe Sonnenlicht hing wie weicher, wattiger Rauch in den Ästen der Bäume. „Bist du noch dran, Dave?“, fragte der Dispatcher. „Sag dem Sheriff, er soll jemand anders hinschicken“, antwortete ich. „Hast du was gegen Weldon?“ „Nein. Aber ich hab was gegen manche Dinge, die sich vermutlich in Weldons Kopf abspielen.“ „Okay, ich sag’s dem Alten.“ „Ach was, vergiss es“, sagte ich. „Wird ’ne Viertelstunde dauern, dann mach ich mich auf den Weg. Was wisst ihr noch?“ „Das ist alles. Seine Frau hat’s gemeldet. Er nicht. Typisch Weldon, stimmt’s?“ Er lachte. Angeblich hatte Weldon mehr als 200 000 Dollar für die Renovierung der alten Familienvilla draußen am Bayou Teche ausgegeben, die noch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg stammte. Das Haus war aus verwitterten, weiß gestrichenen Ziegeln erbaut und besaß eine breite Terrasse mit Säulenvorbau. Im zweiten Stock zog sich eine Veranda ums ganze Haus herum. An den Fenstern gab es grüne Läden mit Lamellen, an den beiden Enden des Daches identische Ziegelschornsteine, und überall verschnörkelte, ornamentale Eisenverzierungen, die von historischen Bauten im French Quarter von New Orleans stammten. Die lange Auffahrt von der Straße zum Haus wurde vom Geäst moosbewachsener Eichen überdacht wie von einem Baldachin, doch ansonsten war Weldon Sonnier nicht der Typ, der für barocken Schmuck unnötig Land brachliegen ließ. Der ganze Grund vor dem Haus und sogar unten am Bayou, wo früher die Hütten der Sklaven gestanden hatten, war an Farmer verpachtet, die dort Zuckerrohr anbauten. Ich hatte es immer als Ironie des Schicksals empfunden, dass Weldon so viel von dem Geld, das er mit Öl verdient hatte, dafür ausgab, um in einer klassischen Südstaatenvilla leben zu können, wo er selbst doch in einem typischen Akadier-Farmhaus aufgewachsen war, einem über 150 Jahre alten, stattlichen Gebäude aus Zypressenholz, das man einst in mühevoller Handarbeit und ohne Nägel errichtet hatte. New Iberias Denkmalschützer waren buchstäblich in Tränen ausgebrochen, als Weldon in einer schäbigen Hinterwäldlerkneipe eine Handvoll angetrunkener Schwarzer anheuerte, ihnen Brecheisen und Äxte in die Hand drückte und schließlich auf einem Zaun sitzend, gemächlich eine Zigarre schmauchend und an einem Glas mit Cold Duck nippend, dabei zusah, wie sie das alte Sonnier-Haus zu einem Haufen Bretter zerlegten, die er später allesamt für 200 Dollar an einen Schreiner verkaufte. Als ich mit meinem Pick-up die Einfahrt hochfuhr und unter einer großen Eiche vor der Säulenterrasse parkte, warteten bereits zwei uniformierte Deputys in ihrem Wagen auf mich. Die Vordertüren standen weit offen, damit sie in den Genuss der milden Brise kamen, die über den schattigen Rasen wehte. Der Fahrer namens Garrett, der früher in Houston Polizist gewesen war, ein stämmig gebauter Mann mit dickem blonden Schnurrbart und einer Gesichtsfarbe, die nach frischem Sonnenbrand aussah, schnippte seine Zigarette in hohem Bogen in die Rosen und stieg aus, um mir entgegenzugehen. Er trug eine Pilotensonnenbrille, und an seinem rechten Unterarm prangte die Tätowierung eines grünen Drachen. Er war noch ziemlich neu, ich kannte ihn kaum, aber ich hatte gehört, dass er in Houston seinen Abschied eingereicht hatte, nachdem er im Verlauf einer Internal-Affairs-Untersuchung vom Dienst suspendiert worden war. „Was habt ihr?“, fragte ich. „Nicht viel“, sagte er. „Mr. Sonnier meint, es ist wahrscheinlich ein Unfall gewesen. Irgendwelche Jungs auf der Hasenjagd oder so.“ „Und was sagt Mrs. Sonnier?“ „Die sitzt im Frühstückszimmer und stopft sich mit Beruhigungsmitteln voll.“ „Aber was sagt sie dazu?“ „Nichts, Detective.“ „Nennen Sie mich ruhig Dave. Denken Sie auch, dass das nur so ’n paar Jungs waren?“ „Werfen Sie doch mal einen Blick auf das Riesenloch in der Wohnzimmerwand, und sagen Sie mir dann, was Sie denken.“ Er biss sich auf die Lippen, weil das etwas schroff herausgekommen war. Ich bewegte mich in Richtung Haustür. „Dave, warten Sie noch kurz“, sagte er. Er nahm die Brille ab und kniff sich in den Nasenrücken. „In der Zeit, als Sie im Urlaub waren, hat uns die Frau zweimal angerufen, weil jemand ums Haus herumstrich. Wir sind gekommen, konnten aber niemanden finden, deshalb hab ich’s nicht ernst genommen. Ich dachte, sie ist vielleicht ein bisschen … überspannt.“ „Das kann man wohl sagen. Sie ist tablettensüchtig.“ „Damals hat sie ausgesagt, sie hätte einen Typ mit einem Narbengesicht gesehen, der durch ihr Fenster gestarrt hat. Sie meinte, es hätte ausgesehen wie rote Knetmasse oder so was. Aber der Boden war ganz nass, und Fußspuren hab ich keine gefunden. Aber vielleicht hat sie ja tatsächlich was gesehen. Wahrscheinlich hätte ich der Sache ein bisschen gründlicher nachgehen sollen.“ „Machen Sie sich da mal keine Gedanken. Ich übernehme das jetzt. Warum fahrt ihr zwei nicht vorne zum Café und gönnt euch eine Erfrischung?“ „Ist sie nicht die Schwester von diesem Nazi- oder Klan-Politiker in New Orleans?“ „Allerdings. Weldon hat ein Faible dafür, sich die Richtigen auszusuchen.“ Ich konnte es mir nicht verkneifen: „Sie wissen doch, wer Weldons Bruder ist, oder?“ „Nein.“ „Lyle Sonnier.“ „Dieser Fernsehprediger aus Baton Rouge? Sie machen Witze. Mann, ich wette, der Typ könnte Scheiße als Rosen verkaufen, ohne dass seine Hände nach was anderem als Seife duften.“ „Willkommen in Süd-Louisiana, Kollege.“ Weldon öffnete die Tür und gab mir die Hand. Eine große, rechteckige Hand, dicke Schwielen zogen sich über Handballen und Zeigefinger. Selbst mit einem Grinsen wirkte Weldons Gesicht energisch, der Blick wie eine Schrotladung, sein Kiefer kantig und hart. Das braungraue Haar war so kurz geschnitten, dass man über den großen Ohren die Kopfhaut durchschimmern sah, und er schien immer die Backenzähne zusammenzubeißen, weil sich das knotige Gewebe hinter dem Kiefergelenk spannte. Er trug Hausschuhe, verwaschene Jeans ohne Gürtel und ein mit Farbflecken verunziertes T-Shirt, das über seinen mächtigen Bizeps und dem brettflachen Bauch spannte. Er war noch unrasiert, in der Hand hielt er eine Tasse Kaffee. Er behandelte mich zuvorkommend – Weldon war stets höflich –, sah dabei aber immer wieder auf seine Uhr. „Mehr kann ich dir wirklich nicht erzählen, Dave“, sagte er, als wir im Türbogen zum Esszimmer standen. „Ich stand hier...


James Lee Burke, 1936 in Louisiana geboren, wurde Ende der 1960er Jahre als neue Stimme aus den Südstaaten gefeiert. Mitte der 1980er Jahre begann er Kriminalromane zu schreiben, in denen er die unvergleichliche Atmosphäre von New Orleans mit starken Geschichten verbindet.


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