E-Book, Deutsch, Band 6, 544 Seiten
Reihe: Ein Dave Robicheaux-Krimi
Ein Dave-Robicheaux-Krimi, Band 6
E-Book, Deutsch, Band 6, 544 Seiten
Reihe: Ein Dave Robicheaux-Krimi
ISBN: 978-3-86532-739-0
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zupackend und ehrlich: Das ist Detective Dave Robicheaux. Der Vietnam-Veteran mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn ermittelt in flirrender Südstaatenatmosphäre.
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1 Bei Sonnenuntergang war der Himmel schwarz geworden, und das peitschende Unwetter hatte sich vom Golf her landeinwärts gewälzt und New Iberia unter Wasser gesetzt. Die East Main Street war übersät mit Blättern und Ästen, die der Sturm aus dem langen Baldachin von Eichen gerissen hatte, welcher die Straße vom alten Ziegelbau der Post bis zur Zugbrücke über den Bayou Teche am Stadtrand überdachte. Die Luft hatte sich jetzt abgekühlt, und sie war durchsetzt mit leichtem Nieselregen und mit dem üppigen Aroma von fruchtbarem nassen Humus, von Jasmin, der in der Nacht blüht, Rosen und jungem Bambus. Ich wollte gerade mit meinem Pick-up bei Del’s halten, um zum Abendessen für uns drei Portionen frischen Crawfish mitzunehmen, als ein lavendelfarbener Cadillac schlingernd aus einer Seitenstraße schoss, gegen den Bordstein prallte, dabei eine Radkappe auf dem Bürgersteig hinterließ, und lange, schlangenlinienförmige Reifenspuren durch das matt schimmernde gelbe Licht der Straßenlaternen zog, das sich auf dem regennassen Asphalt spiegelte. Mein Dienst war beendet, und ich war müde und ausgelaugt. Ich hatte den Tag damit verbracht, im Wald nach einem 19-jährigen Mädchen zu suchen. Ich fand sie schließlich, wo man sie liegen gelassen hatte: in einem Graben, Mund und Handgelenke mit Klebeband umwickelt. Vergeblich versuchte ich, nicht an den Rest zu denken. Der Pathologe war ein netter Mann. Er war mit dem Leichensack zur Hand, bevor irgendwelche Reporter oder Familienangehörigen eintrafen. Verhaftungen wegen Trunkenheit am Steuer sind mir zuwider. Es ist mir zuwider, die Erklärungsversuche der Fahrer mitanhören zu müssen, ihre mitleiderregenden Versuche, nüchtern zu wirken, mitansehen zu müssen, und es bereitet mir auch keinerlei Genugtuung, wenn die blanke Furcht in ihre Augen tritt, wenn ihnen dämmert, dass ihnen der Gang in die Ausnüchterungszelle bevorsteht und dass ihnen der nächste Morgen kaum Besseres zu bieten haben wird, von der Erwähnung ihres Namens in der Zeitung ganz abgesehen. Aber vielleicht ist es mir in Wahrheit auch einfach zuwider, ein Abbild meiner selbst zu sehen, wenn ich in ihre Gesichter blicke. Aber ich glaubte nicht, dass dieser bestimmte Fahrer noch einen Block weiter kommen würde, ohne einem geparkten Wagen den Kotflügel abzureißen oder in irgendeinem Vorgarten zu landen. Ich steckte mein tragbares Signallicht in den Zigarettenanzünder und setzte es mit dem Magnetfuß aufs Dach der Fahrerkabine, dann ließ ich ihn genau vor The Shadows rechts ranfahren, einer riesigen Südstaatenvilla aus Ziegelsteinen und mit weißen Säulen, die man 1831 hier am Bayou Teche errichtet hatte. Ich hielt meine Polizeimarke vom Iberia Parish Sheriff’s Department offen in der Hand, als ich an sein Fenster trat. „Kann ich bitte Ihren Führerschein sehen?“ Er besaß markante Züge, ein römisches Profil, breite rechteckige Schultern und große Hände. Als er lächelte, sah ich, dass seine Zähne überkront waren. Die Frau neben ihm trug das Haar in blonden Ringellöckchen, und ihr Körper war so geschmeidig, sonnengebräunt und wohlgeformt wie der einer Schwimmerin bei den Olympischen Spielen. Ihr Mund wirkte so rot und empfindlich wie eine Rose. Außerdem sah sie aus, als wäre sie seekrank. „Führerwas wollen Sie sehn?“, fragte er und versuchte, mir dabei gerade ins Gesicht zu schauen. Aus dem Wageninnern drang ein schwerer, warmer Geruch an meine Nase, wie der Rauch brennenden feuchten Laubs. „Ihren Führerschein“, wiederholte ich. „Bitte nehmen Sie ihn aus Ihrer Brieftasche, und geben Sie ihn mir.“ „Oh, yeah, klar doch“, sagte er. „Ach, vorhin, da hab ich echt nicht aufgepasst. Tut mir leid. Ehrlich.“ Er fischte den Führerschein aus der Geldbörse, ließ ihn in seinen Schoß fallen, ertastete ihn wieder und reichte ihn mir dann hoch, die ganze Zeit über bemüht, seinen Blick nicht von meinem Gesicht gleiten zu lassen. Sein Atem roch wie vergorenes Obst, das man lange Zeit in einem verschlossenen Steinkrug sich selbst überlassen hatte. Unter einer Straßenlaterne betrachtete ich den Führerschein. „Sie sind Elrod T. Sykes?“, fragte ich. „Jawohl, Sir, der bin ich.“ „Würden Sie bitte aus dem Wagen steigen, Mr. Sykes?“ „Jawohl, Sir, was immer Sie wünschen.“ Er war an die vierzig, aber gut in Form. Trug ein hellblaues Golfhemd, Slipper und graue Gabardinehosen, die locker von seinem flachen Bauch und seinen schmalen Hüften fielen. Er schwankte ein wenig und legte eine Hand auf die Wagentür, um sich zu stützen. „Wir haben hier ein kleines Problem, Mr. Sykes. Ich glaube, das ist Marihuana, was Sie da in Ihrem Auto geraucht haben.“ „Was … Junge, Junge, das wär aber wirklich übel, wenn dem so wäre, oder?“ „Und wie ich es sehe, hat Ihre Freundin gerade den Rest des Joints verschluckt.“ „Das wäre aber wirklich in der Tat übel, Sir.“ Er schüttelte den Kopf in tiefem Ernst. „Nun gut, lassen wir das mit dem Gras jetzt mal beiseite. Aber ich muss Sie leider verhaften. Wegen Trunkenheit am Steuer.“ „Das ist jetzt aber wirklich ganz übel. So hab ich mir den heutigen Abend ganz und gar nicht vorgestellt.“ Er sperrte die Augen weit auf und machte den Mund auf und zu, ganz so, als ob er versuchte, die Ohren wieder freizubekommen. „Sagen Sie mal, haben Sie mich erkannt? Was ich damit sagen will, da gibt’s jede Menge Reporter, die mir nur zu gerne mal den Arsch aufreißen würden. Glauben Sie mir, Sir, das wär das Letzte, was ich brauche. Das kann ich nicht deutlich genug betonen.“ „Ich werde Sie jetzt zum Stadtgefängnis fahren, Mr. Sykes. Ist nur die Straße hier runter. Dann lasse ich einen Wagen kommen, der Ms. Drummond dahin bringt, wo sie übernachtet. Aber Ihr Cadillac wird abgeschleppt.“ Er atmete mit einem langen Seufzer aus. Ich wandte mein Gesicht ab. „Sie gehen also ins Kino?“, fragte er. „Ja, und Ihre Filme haben mir immer gefallen. Wenn Sie jetzt bitte den Zündschlüssel abziehen würden.“ „Ja, klar doch“, sagte er schicksalsergeben. Er beugte sich zum Fenster hinein und zog die Schlüssel ab. „El, tu was“, sagte die Frau. Er richtete sich kerzengerade auf und sah mich an. „Das Ganze ist mir wirklich irrsinnig peinlich“, sagte er. „Kann ich vielleicht mit einer großzügigen Spende davonkommen, für Mütter gegen Alkohol am Steuer oder so was?“ Im Licht vom Stadtpark konnte ich den Regen sehen, der auf die Wasseroberfläche des Bayou Teche prasselte. „Mr. Sykes, Sie sind hiermit verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen, aber wenn Sie sich dafür entscheiden, etwas zu sagen, kann dies später gegen Sie verwendet werden“, sagte ich. „Als Ihr langjähriger Fan empfehle ich Ihnen, kein weiteres Wort mehr zu sagen. Schon gar nicht über irgendwelche Spenden.“ „Anscheinend machen Sie nicht viel Federlesens. Waren Sie mal ein Texas Ranger? Die machen auch nicht viel Federlesens. Wenn man bei einem von denen frech wird, gibt’s gleich was auf die Rübe.“ „Nun, das halten wir hier nicht so“, sagte ich. Ich legte meine Hand unter seinen Arm und führte ihn zu meinem Pick-up, öffnete die Wagentür und half ihm hinein. „Sie werden sich doch wohl in meinem Wagen nicht übergeben, oder?“ „Nein, Sir, mir geht’s blendend.“ „Gut. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.“ Ich ging wieder zurück zu dem Cadillac und pochte an die Scheibe der Beifahrertür. Die Frau, deren Name Kelly Drummond war, kurbelte das Fenster herunter und blickte zu mir hoch. Ihre Augen waren von einem tiefen, intensiven Grün. Sie befeuchtete sich die Lippen, und ich sah verschmierten Lippenstift auf ihren Zähnen. „Sie werden hier so etwa zehn Minuten warten müssen, dann wird jemand kommen und Sie heimfahren“, sagte ich. „Officer, es ist meine Schuld“, sagte sie. „Wir haben uns gestritten. Elrod ist ein guter Fahrer. Ich finde nicht, dass er eine Strafe verdient hat, nur weil ich ihn verärgert habe. Darf ich aussteigen? Mir tut der Hals weh.“ „Ich gebe Ihnen den Rat, den Wagen zu verriegeln und sich nicht vom Fleck zu rühren, Ms. Drummond. Außerdem rate ich Ihnen, sich einmal über die Gesetze zu informieren, die den Besitz von Rauschmitteln im Staat Louisiana betreffen.“ „Wow, also, es ist ja nicht so, dass wir irgendjemandem Schaden zugefügt haben. Elrod kommt in Teufels Küche. Mikey wird ihm die Hölle heiß machen. Warum bringen Sie nicht ein bisschen Verständnis dafür auf ?“ „Mikey?“ „Unser Regisseur. Der Bursche, der an die zehn Millionen Dollar in Ihr kleines Kaff bringt. Darf ich jetzt aussteigen? Ich bin wirklich nicht scharf drauf, einen Hals wie Quasimodo zu bekommen.“ „Sie können gehen, wohin Sie wollen. In dem Billardsalon dahinten ist ein Münztelefon. Von dort aus können Sie eine Kautionsagentur anrufen. An Ihrer Stelle würde ich nicht aufs Revier kommen, um Mr. Sykes zu helfen. Waschen Sie sich erst mal mit ordentlich Shampoo das mexikanische Lachgras aus dem Haar.“ „Mannomann, so was von den Arsch offen. Wo haben die Sie bloß aufgetrieben?“ Ich ging zurück zu meinem Wagen und stieg ein. „Hören Sie, vielleicht kann ich dem Gericht mein Entgegenkommen zeigen“, sagte Elrod Sykes. „Was?“ „Nennt man das nicht so? Da ist doch nichts Schlechtes dran, oder? Mann, ich sag’s Ihnen, jetzt verhaftet zu werden, ist wirklich das Letzte, was ich brauche.“ „Die wenigsten Menschen, die sich vor einem Richter wiederfinden, haben damit gerechnet“,...