Burke | Blues in New Iberia | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 22, 592 Seiten

Reihe: Ein Dave Robicheaux-Krimi

Burke Blues in New Iberia

Ein Dave-Robicheaux-Krimi, Band 22

E-Book, Deutsch, Band 22, 592 Seiten

Reihe: Ein Dave Robicheaux-Krimi

ISBN: 978-3-86532-726-0
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als kleiner Junge träumte Desmond Cormier immer davon, es allen zu beweisen. 25 Jahre später ist er ein erfolgreicher Filmproduzent. Durch einen Zufall entdeckt Detective Dave Robicheaux in der Nähe von Desmonds Strandhaus eine Leiche. Die junge Frau wurde gekreuzigt, der Mord gleicht einem Ritual. Bald werden weitere Menschen auf ähnliche Weise getötet und die Tatorte theatralisch inszeniert. Stecken vielleicht Mitglieder von Desmonds Filmcrew dahinter?
Robicheaux traut niemandem. Jeder scheint etwas zu verheimlichen. Doch dann lässt sich seine Tochter Alafair ausgerechnet auf die Filmcrew ein und schon bald verspürt er eine unerklärliche Angst um sie …
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1 Desmond Cormiers Erfolgsgeschichte war höchst ungewöhnlich, selbst angesichts der zahlreichen selbstgefälligen Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichten, die wir uns in der noch unvollendeten Saga unserer unausgereiften Republik erzählen; eine, die sich immer wieder ändert und doch auch immer dieselbe bleibt, eine Saga, die sowohl die Gräber von Shiloh einbezieht als auch die ausgebrannte Asche von Dörfern der Ureinwohner. Was überhaupt nicht zynisch gemeint ist. Desmonds Geschichte war ein typisches Beispiel amerikanischer Folklore, das uns versichert, Reichtum und ein Zauberland seien selbst für den Geringsten unter uns erreichbar, immer vorausgesetzt, wir erwecken nicht die uns innewohnende Neigung, unsere Helden auf einem mittelalterlichen Rad zu brechen und sie später neu zu beurteilen, aus sicherem Abstand und im Windschatten der Geschichte. Desmond wurde nicht nur in die Not hinein geboren, in der Schlafkoje eines Sattelschleppers, in der seine Mutter die Nabelschnur abband und sich für immer verabschiedete, sondern von seinen Großeltern im Chitimacha Indianerreservat im Hinterzimmer eines Gemischtwarenladens, der kaum mehr war als eine stickige Baracke, in Armut aufgezogen. Sie stand an einem Feldweg inmitten baumlosen Ackerlandes, wo Schatten und eine kalte Limonade im Vorraum des Ladens bereits als Luxus galten, bevor die Spielkasinobetreiber aus Jersey kamen und, mit Unterstützung des Staates Louisiana, Leute in großer Zahl davon überzeugten, dass ein Laster eine Tugend sei. Wie seine Großeltern, gehörte auch er zu dieser Gruppe indianischer Mischlinge, die wenig freundlich als Redbones bezeichnet werden. Sein Haar war zimtbraun, typischer für Cajun-Frauen als für Männer. Seine Haut war glatt wie Lehm, fast haarlos, seine zu weit auseinander stehenden Augen von einem ausgewaschenen Blau wie bei jemandem mit einem Fetalen Alkoholsyndrom. Wie die meisten seines Volks war er sich seiner ethnischen Abstammung sehr bewusst und lächelte nur selten, doch wenn er es tat, konnte er einen ganzen Raum erhellen. Ich hatte immer das Gefühl, Desmond versuche, sich in seinen Kleidern zu verkriechen, fast als ob er sowohl Angst als auch eine große Traurigkeit in sich trüge. Wie der sein sagenumwobenes Horn blasende Proteus, erschuf und erfand Desmond sich immer wieder neu, vielleicht ohne je zu wissen, wer er war. Wie auch immer. Schon als kleiner Junge konnte er die Welt nicht akzeptieren, wie sie war, genauso wenig wie er sein persönliches Schicksal akzeptierte. Im Alter von zwölf Jahren schien es ihm bestimmt zu sein, spindeldürr und zart zu bleiben, und der Überträger von Darmwürmern und Kopfläusen. Eines Morgens, hinter dem Laden seiner Großeltern, band er mit nacktem Oberkörper unter einer weißen Sonne, der kleine Körper schweißgebadet, einen Hohlblockstein an jedes Ende eines Besenstiels und stemmte. Und er blieb dabei. Und knetete still einen Gummiball im Schulbus, während die größeren Jungs ihn auslachten und häufig runter auf den Kies drückten. Mit 14 hatte er den Körper und die verborgene Erbitterung eines Mannes, und die Jungs, die ihn zuvor tyrannisiert hatten, versuchten nun, sich mit einem schwachen, untertänigen Lächeln einzuschmeicheln. Er reagierte darauf mit der freundlichen Aufmerksamkeit eines Menschen, der einem Fremden beim Pusten von Seifenblasen zuschaute, bis sie schließlich den Kopf senkten und stumm gingen, um ihn nur ja nicht zu provozieren. Nach der Highschool kellnerte er im French Quarter und ging auf dem Jackson Square bei einem Straßenmaler in die Lehre, wo er herausfand, dass er besser war als sein Lehrer. Manchmal sah ich ihn in den frühen Morgenstunden, zerzaust, Farbe auf dem Hemd und in den Haaren, Beignets aus einer Papiertüte essen und Milchkaffee aus einem Styroporbecher trinken. An einem besonders kalten und grauen Morgen im Januar sah ich ihn im Nebel an der St. Louis Cathedral zusammengekauert auf einer eisernen Bank sitzen, wie ein noch nicht entwickeltes Lebewesen aus einer früheren Zeit. Er trug keine Jacke, und die Ärmel hatte er weit hochgekrempelt, wie dem Wetter zum Trotz. Er wirkte melancholisch, seine Sorglosigkeit eine Maske für seine Einsamkeit, und ich setzte mich unaufgefordert neben ihn. Die Luft roch nach Fluss, toten Käfern in einem Regenwasserkanal, nach den Wein- und Bierbechern im Rinnstein, nach nasser Erde und Nachtblumen und Flechten auf Stein. Es roch eher wie in einer karibischen Stadt als nach Amerika. Er erzählte mir, er werde nach Hollywood gehen, um Filmregisseur zu werden. „Muss man dafür nicht studieren?“, fragte ich. „Hab ich schon“, erwiderte er. „Wo?“ Er richtete einen Finger auf seinen Kopf. „Hier drinnen.“ Ich lächelte gutmütig, sagte aber nichts. „Du glaubst mir nicht, hm?“, fragte er. „Was weiß ich schon?“ „Gehst du noch in die Kirche?“, fragte er. „Klar.“ „Das heißt, du glaubst an die Sachen, die sich jenseits dieser Welt befinden. Genau das ist ja Malerei. Genau das ist es, was Filmemachen bedeutet. Man betritt eine Zauberwelt, von der andere nichts wissen.“ Ich erhob mich von der Bank. Ich fühlte mich alt. Meine Kriegsverletzungen taten weh. Die harte Bank hatte sich auf meinem Hintern abgezeichnet. Ich hörte das Läuten zum Angelusgebet vom Turm der Kathedrale, vielleicht als Erinnerung an unsere Veränderlichkeit und unser endgültiges Schicksal. „Viel Glück“, sagte ich. „Tritt denen in Kalifornien ordentlich in den Hintern.“ Er hatte Puderzucker auf der Wange. Einen kurzen Moment dachte ich an ein armes Kind, das sich in eine Bäckerei geschlichen hatte. Er lächelte, als er zu mir aufblickte. „Was gibt’s zu lachen?“, fragte ich. „Was man nur durch Glück bekommt, lohnt nicht zu besitzen, Dave. Ich dachte, das wüsstest du.“ 25 Jahre später kehrte Desmond als Regisseur mit einem Golden Globe und einer Oscar-Nominierung nach Hause zurück. Er ließ sich vorübergehend in einem Haus auf Stelzen unten am Cypremort Point nieder, mit Eichen und Palmen im Garten und einem herrlichen Blick auf die Bucht, wo er jeden Abend, wie er behauptete, Haie aus dem Sonnenuntergang gleiten sah, eintauchend in die Dünung, ihre Rückenflossen so klar und deutlich wie zerbrochene Rasierklingen. Das Problem war, dass sie niemand sonst sah. Vor langer Zeit hatte man einvernehmlich beschlossen, dass Desmond nicht ganz von dieser Welt war und am Rande eines Traums lebte, aus dem er seine Kunst und auch seine offenkundige Verachtung für Erfolg und Geld ableitete. Er passte in keine Schublade und bekam infolgedessen mit jedem Ärger – mit Produzenten, den politisch Korrekten und den unpolitisch Korrekten, einem Schauspieler, den er in einen Swimmingpool warf, einem Araberscheich, der täglich rund um die Uhr im Parkhaus des Beverly Hills Hotels ein Dutzend Autos im Leerlauf laufen ließ und zu dessen Haus Desmond eine Lkw-Ladung Ziegen liefern ließ. Am ausgebrannten Ende eines Augustnachmittags nach einem Sommer der Dürre, des Fischsterbens und des ausgetrockneten Marschlandes, das sich in Keramik zu verwandeln begann, fuhr ich zur Spitze des Cypremort Point mit einem jungen uniformierten Deputy namens Sean McClain, der seit sieben Monaten bei der Polizei war, immer noch an die Menschheit glaubte und jeden Morgen mit Vogelgezwitscher im Kopf aufwachte. Er war in einer Kleinstadt an der Grenze von Louisiana und Arkansas aufgewachsen und hatte einen Akzent wie jemand, der mit einer dünnen Haarklammer trommelte. Um fünf Uhr morgens des gleichen Tages hatten wir drei Notrufe wegen einer Frau bekommen, die irgendwo am südlichen Ende des Point schrie. Ein Anrufer sagte, der Schrei käme aus einem leichten Kajütboot. Die anderen Anrufer waren sich nicht sicher. Die Sonne war aufgegangen, als der diensthabende Deputy eintraf. Niemand im Hafen oder den Bootshäusern hatte irgendetwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen. Ich hätte die ganze Sache einfach vergessen können, aber wenn drei Leute einen Schrei melden, dann rufen sie nicht wegen eines Geräuschs an, sondern wegen einer Erinnerung im kollektiven Unbewussten, eine, die bis in die Höhlen zurückgeht. Wenn wir so alarmiert sind, dass wir anderen davon erzählen müssen, greifen wir auf ein urzeitliches Wissen um das dunkle Potenzial des Genpools zurück. Oder zumindest habe ich das immer geglaubt. Ich machte Sean auf Desmonds Haus aufmerksam. „Da wohnt also dieser berühmte Film-Fritze?“, fragte er. „Schon ein ziemliches Ding, was?“ Ich bin überzeugt, dass seine Worte eine Botschaft enthielten, hatte allerdings keine Ahnung, welche. „Genau, da wohnt er einen Teil des Jahres“, sagte ich. „Ist er einer dieser Hollywood-Liberalen?“ „Frag ihn. Falls er zu Hause ist, stelle ich dich ihm vor.“ „Im Ernst?“ „Aber vorher arbeiten wir noch etwas.“ „Aber sowas von“, sagte er. Er blickte ernst aus der Seitenscheibe hinüber zu den Büschen und Palmen und Eichen, in denen das Louisianamoos wucherte. „Wonach suchen wir eigentlich?“ „Wenn du einen Toten mit dem Gesicht nach unten auf dem Strand liegen siehst, wär das ein Anhaltspunkt.“ Ich stellte den Streifenwagen am Straßenrand ab, und wir gingen zum Wasser hinunter. Die Ebbe hatte eingesetzt, der Sandstrand war bei Sonnenaufgang glitschig, mit abfließenden Rinnsalen und Krustentieren überzogen, und die Bucht schimmerte wie ein bronzenes Schild. Wir gingen bis ans Ende des Point, von dort 500 Meter zurück nach Norden. Ich sah einen Tennisschuh, der verkehrtherum im Schaum trieb. Ich hob ihn auf und schüttelte Sand und Wasser aus. Er war limettengrün mit blauen Streifen, Größe...


James Lee Burke wurde 1936 in Houston?/?Texas geboren und wuchs in Louisiana auf. In der Küstenregion des »Bayou State« spielen auch die Krimis um Dave Robicheaux. Burke wurde für sein Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mehrfach mit dem Edgar Alan Poe Award, dem Hammett Prize und dem Deutschen Krimi Preis. Burke lebt mit seiner Frau auf einer Ranch in Montana und in New Iberia?/?Louisiana.

Aus der Dave-Robicheaux-Reihe wurden zwei Krimis verfilmt: »Mississippi Delta« (»Blut in den Bayous«) mit Alec Baldwin in der Hauptrolle und »Mord in Louisiana« (»Im Schatten der Mangroven«) mit Tommy Lee Jones.


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