Burg | Hitler besiegen | Buch | 978-3-593-39056-7 | sack.de

Buch, Deutsch, 280 Seiten, Format (B × H): 152 mm x 222 mm, Gewicht: 510 g

Burg

Hitler besiegen

Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-593-39056-7
Verlag: Campus Verlag GmbH

Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss

Buch, Deutsch, 280 Seiten, Format (B × H): 152 mm x 222 mm, Gewicht: 510 g

ISBN: 978-3-593-39056-7
Verlag: Campus Verlag GmbH


Avraham Burg, früherer Parlamentspräsident, Knesset-Sprecher und Leiter der Jewish Agency, spricht aus, was viele in Israel empfinden: Der jüdische Staat ist besessen vom Misstrauen – gegen sich selbst, seine Nachbarn und die Welt um sich herum. Der Holocaust wird als ultimatives Trauma vereinnahmt, um israelisches Unrecht zu legitimieren. Burg kritisiert sein Land als militaristisch, fremdenfeindlich und anfällig für Extremismus. So wird der Weg zu einem Frieden im Nahen Osten immer wieder verbaut. Trotz der großen Bedeutung des Erinnerns an die Opfer ist es Zeit, dass Israelis, Juden und die westliche Welt – allen voran Deutschland – das Trauma des Holocaust überwinden und Israel zu einem neuen Selbstverständnis findet, das auf Freiheit und Demokratie beruht.

' Dies ist ein wichtiges Buch, geschrieben von einem mutigen Mann.' Tony Judt, Autor von 'Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart'

' Ein faszinierendes Buch, das zum Nachdenken anregt. Jeder, der sich um Israels Zukunft sorgt, sollte es lesen.' John J. Mearsheimer, Koautor von 'Die Israel-Lobby'

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Weitere Infos & Material


Inhalt

Vorwort zur deutschen Ausgabe

1 Meine Wurzeln
2 Der allgegenwärtige Holocaust
3 Die Shoah-Epidemie
4 Hitler besiegen
5 Erinnerung an die Weimarer Republik
6 Lehren aus dem Holocaust
7 Die Balance zwischen Heldentum und Shoah
8 Der Eichmann-Prozess
9 Wem gehört der Holocaust?
10 Ein neues Judentum
11 Gott schmunzeln lassen
12 Ich werde leben

Anmerkungen


Als ich anfing, dieses Buch zu schreiben, gab ich ihm den Titel Hitler hat gewonnen. Nach meinem damaligen Eindruck waren die Wunden und Narben so tief, dass die moderne jüdische Nation keine Chance auf Heilung hatte. Das Trauma der Shoah erschien mir als unheilbare Krankheit. Ich war wütend, dass wir weiter die Chance auf ein normales Leben nicht nutzten und das Leben hier in Israel so hart war, was auch für kommende Generationen unser Schicksal zu sein schien. Eben wegen der Verzweiflung, die mich erfasste, kämpfte ich gegen die Woge der Abgestumpftheit an. Und dann geschah ein Wunder: Während des Schreibens nahmen diese Fragen eine neue Dimension an. Aus der Asche und dem Rauch erwuchs vorsichtiger Optimismus. Und nach der jüdischen Sitte, einem Kranken einen neuen Namen zu geben, um seine Heilung zu erleichtern, änderte ich den hebräischen Buchtitel in Hitler besiegen. Es ist immer noch möglich; es besteht nach wie vor eine Chance. Wir müssen gewinnen, uns bleibt gar nichts anderes übrig, wenn wir nicht aufhören wollen zu leben. Ich habe allein einen weiten Weg zurückgelegt, aber schon jetzt bin ich optimistisch. Wir werden es schaffen.
Meine Mutter starb einige Tage vor Erscheinen dieses Buches in Israel. Aber vorher eröffnete sie mir die Chance, Optimismus zu finden. Wir feierten ihren letzten Geburtstag zusammen, ihre Kinder, Enkel, Urenkel und deren Ehepartner. Es war ein fröhliches Fest. Auf dem Heimweg war ich im Wagen allein mit ihr und fuhr langsam durch die Jerusalemer Straßen.
"Avraham, Gott muss mich wohl sehr lieben", sagte sie strahlend vor Glück.
Das hatte ich sie im Laufe der Jahre mehr als einmal sagen hören. Nun nutzte ich den ungestörten Moment zu einer Frage, die ich ihr bis dahin nicht zu stellen gewagt hatte. "Mama, wie kannst du so etwas sagen? Mit sieben Jahren hast du deine Mutter verloren. Als du acht Jahre alt warst, wurde die Hälfte deiner Familie in Hebron ermordet. Als du 14 warst, starb dein Vater an gebrochenem Herzen, und vor einigen Jahren hast du deine älteste Tochter Tzviya verloren."
"Stimmt", antwortete sie nach kurzem Nachdenken. "Aber mein Leben lang war ich von Liebe umgeben." Dann fügte sie hinzu: "Alle haben mich geliebt."
In den folgenden Tagen ging mir die Macht der Liebe, die meine Mutter gerettet hatte, noch lange durch den Kopf. Kurz darauf unterhielten wir uns über die Tagesnachrichten. Die israelische Luftwaffe bombardierte und tötete Unschuldige auf den Stränden und Straßen in Gaza und in libanesischen Dörfern und Städten. Ein Enkel meiner Mutter flog als Luftwaffenpilot eine Transportmaschine.
"Ich bin ja so froh, dass er kein Kampfflieger ist", sagte meine Mutter.
"Wieso?", fragte ich überrascht.
"Würde ich etwa wollen, dass mein Enkel Bomben auf unschuldige Menschen abwirft?"
Der Mut der Liebe, den sie ausstrahlte, machte mich sprachlos. Da sie in Hebron 1929 ihre Kindheit verloren hatte, hätte sie es sich durchaus leisten können, ein bisschen weniger tolerant zu sein und vielleicht sogar eine gewisse Schadenfreude über das Leid "der Araber" als Feinde Israels zu empfinden, wo immer sie auch leben mochten. Aber die Liebe, die sie umgeben hatte, war offenbar auch in sie eingedrungen. Für mich verkörperte sie den Inbegriff der jüdischen Heldin. Denn wer ist nach jüdischer Tradition ein wahrer Held? "Einer, der aus seinem Feind einen lieben, geliebten Freund macht." Wenn meine Mutter ihr persönliches Inferno mit schierer Liebe und Hoffnung überwinden konnte, dann haben wir alle eine positive Zukunft.
Wie meine Mutter, die mein Leben lang in meiner Nähe wohnte, waren auch Lucien und Janine, die wunderbaren Eltern meiner Frau Yael, da - sie als junge, verliebte Frau, die den Kampf unterstützte, er als mutiger Partisan der jüdischen Résistance in Frankreich. Als viele ihrer Freunde sich Mitte des vorigen Jahrhunderts der Rechten zuwandten und den Weg jüdischer Erlösung und des Separatismus einschlugen, wandten sie sich der Linken und den Ideen des Universalismus und Humanismus zu. Ihren gegenwärtigen Lebensabschnitt widmen sie der Aufgabe, das Gute zu zeigen, das in der Flut von Bösem in jenen Tagen durchschimmerte. Lucien befasst sich als Historiker mit dem jüdischen Widerstand in Frankreich und versucht Tag und Nacht, die "Gerechten unter den Völkern" ausfindig zu machen, um sie mit diesem israelischen Ehrentitel auszuzeichnen. Die Gerechten sind jene Nichtjuden, die ihr Leben riskierten, um unsere verfolgten Brüder zu retten, und die somit das Bild Gottes bewahrten, nach dem die Menschheit erschaffen wurde. Der Geist meiner Schwiegereltern schwebt über jedem Abgrund, an den dieses Buch und meine Überlegungen mich geführt haben. Ohne sie hätte ich nicht gewusst, dass es einen alternativen, positiven Glauben an das Gute im Menschen gibt.
In diesem Buch geht es nicht um Geschichte. Ich bin kein Interpret der Vergangenheit, sondern lediglich Konsument der Nachrichten, die sie produziert. Mit der Vergangenheit befasse ich mich nur, um die Gegenwart zu verstehen. Es geht auch nicht um eine weitere Anklage gegen Hitler und seine Gefolgsleute. Nach meinem Urteil sind sie für immer schuldig. Es geht vielmehr um unsere Geschichte jenseits ihrer ungeheuren Verbrechen. Die Shoah und die Gräueltaten, die die Nazis an uns verübten, sind untrennbarer Teil der aktiven israelischen Gegenwart. Da ich die Gegenwart zugunsten einer besseren Zukunft für meine Kinder und ihre Freunde verändern will, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich dem festgefahrenen Denken und Fühlen der Post-Shoah-Gegenwart zu stellen in dem Bemühen, sie zu begreifen, zu verändern und mich verändern zu lassen. Dieses Buch habe ich voller Ehrfurcht und Respekt geschrieben. Sollte ich jemanden verletzen, entschuldige ich mich dafür. Sollte die Wahrheit schmerzen, dann leide auch ich darunter.
Während dieses Buch entstand, beherrschte die Frage der atomaren Aufrüstung des Iran die Tagesordnung und sie tut es noch heute. Wie üblich gehen Politik und Geschichte Hand in Hand: Atombombe und Antisemitismus, Diktatur und Hass auf Israel. Präsident Mahmoud Ahmadinedschad arbeitet mit Nachdruck an seinem Atomprogramm und ruft gleichzeitig dazu auf, Israel von der Landkarte zu tilgen. Wiederholt sich die Geschichte? Steht eine zweite Shoah bevor? Noch haben wir darauf keine Antworten, aber die Panik ist wieder da. Was bedeutet das für mich? Soll ich meinen Optimismus, meinen Glauben an die Weltgemeinschaft, meine Hoffnung auf eine bessere Zukunft für meine Kinder aufgeben und durch die klassische jüdische Paranoia ersetzen? So reagieren viele, aber ich nicht. Ich verstehe das heutige Judentum anders. Dem jüdischen Volk unserer Zeit ist etwas Erstaunliches passiert, was unseren Vorfahren in unserer leidvollen Geschichte nur wenige Male widerfahren ist. Die Welt hat sich verändert. Supermächte, die meisten christlichen Kirchen und ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung schworen vor sechzig Jahren "Nie wieder", und dieses Mal meinten sie es ernst. Wir stehen einem großen, bedrohlichen Feind nicht allein gegenüber. Die Veränderungen in den arabischen Staaten, islamistischer Fanatismus und seine Gefahren, die sich jahrelang gegen uns richteten, als wir noch auf uns allein gestellt waren, betreffen mittlerweile viele wohlgesinnte Nationen. Unser persönlicher Feind ist zum gemeinsamen Feind geworden, und ihm steht eine wachsende internationale Koalition gegenüber. Diese Welt ist eine völlig andere als die, die wir früher gekannt haben. Die Haltung der Welt und unsere eigenen Fähigkeiten geben Anlass zu Hoffnung und Vertrauen. Es ist eine Welt, auf die ich baue.
Die abschließenden Arbeiten an diesem Buch erledigte ich während einer unglaublichen Reise, die ich mit meinem jüngsten Sohn Noam machte. Wir fuhren auf den Spuren meines verstorbenen Vaters durch Deutschland, eine weite Reise, die mich in die verborgensten Tiefen meines Ichs führte. Da unser Rückflug sich verzögerte, hatten wir, Vater und Sohn, unverhofft ein paar Stunden Zeit und gingen in den Berliner Zoo. Während Noam um die Habitate exotischer Tiere strolchte, saß ich da und schaute den gefangenen Affen zu. Alle sprangen lebhaft und verspielt von einem Ast zum anderen. Mit einer Hand hielten sie sich fest, streckten die andere nach dem nächsten Ast aus und hangelten sich weiter. Ein Affe saß allein abseits und mischte sich nicht unter die anderen. Ich erkundigte mich bei einem vorbeigehenden Tierpfleger, was das Tier habe. "Er ist anders", antwortete er. "Er kann nicht klettern, weil er Angst hat, den Ast loszulassen. Wenn man sich mit beiden Händen an einem Ast festhält, kann man nicht klettern. Das ist sein Schicksal. Er sitzt den ganzen Tag auf dem Boden wie ein Trauernder, der vom Leben um ihn herum isoliert ist."
Ich dachte über den armen Affen nach, aber nicht nur über ihn. Ich fragte mich, ob das wohl eine Fabel sein mochte. Ging es nur um den Affen oder um uns? Seit jener Zeit in Deutschland klammern wir uns schmerzlich an das Wenige, was wir haben, und wollen nicht loslassen. Wir sitzen auf dem Ast vergangener Trauer und schwingen uns nicht auf in die Höhen der Menschlichkeit, in die wir gehören.
Noam kam zurück und lenkte mich ab. Ich vergaß, den Tierpfleger zu fragen, ob diese Krankheit heilbar sei. Wir kauften Eis und machten uns auf den Heimweg.


Avraham Burg wurde 1955 als Sohn eines deutschen Holocaust- Überlebenden in Jerusalem geboren. Sein Vater Josef Burg lebte in Dresden und Berlin, wo er die Ausreise deutscher Juden organisierte, bis er selbst 1939 floh.
Nach dem Militärdienst wurde Avraham Burg aktiv in der Friedensbewegung „Peace Now!“. Er war Berater von Schimon Peres, Vorsitzender der Jewish Agency und Sprecher der Knesset. In letzter Zeit hat er die Kernthesen des Zionismus öffentlich infrage gestellt und die Politik Israels scharf kritisiert. In 'Hitler besiegen' unterstreicht Burg anhand seiner eigenen, sehr bewegenden Familiengeschichte seine außergewöhnliche und leidenschaftliche Vision eines universelleren und menschlicheren Judentums.



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