Bürster | Flintenweiber | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Niedersachsen Krimi

Bürster Flintenweiber


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86358-583-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Niedersachsen Krimi

ISBN: 978-3-86358-583-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Privatdetektivin Thea Thading hat ihren ersten Auftrag: Sie soll herausfinden, welcher Hund sich am Zaun ihres Nachbarn erleichtert. Doch dann kommt ihre alte Bekannte, die Wittmunder Kommissarin Wilma Menkens, ins Oldenburger Land, gemeinsam mit den Damen ihres Schützenvereins. Nur wenig später liegt Wilma angeschossen im Maisfeld - nicht weit entfernt von einer Leiche mit einem Sack voller Cannabis ...

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2 Als Thea einen Tag später ihr Fahrrad aus dem Schuppen holte, wartete Sielmann bereits am Zaun. »Na? Gibt es schon Erkenntnisse?« Der hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie wollte sich eben auf den Weg nach Bruchbäke machen, denn sie war mit Wilma übereingekommen, dass sie sich besser im Gasthof trafen. »Nein«, antwortete sie knapp, stieg auf und ließ ihren Nachbarn einfach stehen. »He! Warte doch mal! Wohin fährst du? Hat das mit meinem Fall zu tun?«, rief er ihr nach. Sie bremste hart, kam schlingernd zum Stehen und drehte sich zu ihm um. »Entschuldige mal, aber es geht dich nichts an, wo ich in meiner Freizeit hinfahre.« Sielmann joggte zu ihr hin. »Das geht mich sehr wohl was an«, motzte er. »Wie kommst du darauf, dass du Freizeit hast? Ich hab dir einen Vorschuss gezahlt. Da kannst du nicht einfach alles stehen und liegen lassen am helllichten Tag und blaumachen.« »Vielleicht muss ich mal was einkaufen?« »Und wenn in dieser Zeit der Täter vorbeikommt?« »Dann gibst du ihm was zu fressen und bindest ihn so lange an, bis ich zurück bin, um ihn zu verhaften.« Thea stieg wieder auf und trat so wütend in die Pedale, dass der Kies spritzte. Sie schätzte, dass sie bis nach Bruchbäke eine gute halbe Stunde brauchte. Eigentlich musste sie nur an der Autobahn entlangfahren, denn die führte direkt durch das ehemalige Bauerndorf am Rande der Stadt hindurch. Als Kind war Thea des Öfteren im Bruchbäker See baden gegangen, zusammen mit Friedjof, ihrem missratenen Zwillingsbruder, der in die rechte Szene abgedriftet war, während sie Polizistin wurde. Das Leben schlug manchmal seltsame Kapriolen. Aber das war alles lange her. Von ihrer Familie lebte niemand mehr. Sie ließ die Stadt hinter sich und fuhr über Feldwege an Weiden und Waldstücken vorbei. Zwischen den Bäumen entdeckte sie den See. Um diese Jahreszeit war er verlassen. Ohne den Autobahnlärm wäre es hier fast idyllisch gewesen. Hier und da tauchten alte Bauernhäuser auf, einige mit Reet gedeckt, andere halb verfallen und unbewohnt. Tiefe Gräben, die das feuchte Gelände entwässerten, säumten die Wege. Schlaglöcher so tief wie der Grand Canyon zwangen Thea zu wilden Slaloms, und einige Male wäre sie fast gestürzt. Das Oldenburger Land war eine Sache für sich, und Bruchbäke war einer der vielen vergessenen Orte, von denen eigentlich nur noch der Name existierte. Thea wunderte sich, was Wilma Menkens bewogen hatte, einen Ausflug ausgerechnet in diese Einöde zu machen. Sie hatte sogar von einem Erlebniswochenende gesprochen. Was um Himmels willen gab es zwischen Maisfeldern, Kuhweiden und Autobahn zu erleben? Als Thea vor dem Gasthof vom Rad stieg, verstand sie jedoch, was die Flintenweiber hierhergeführt hatte. Mitten in der Pampa, zwischen alten Eichen und Buchen, stand ein auf den ersten Blick gepflegtes Gasthaus. Die weiß verputzte Fassade konnte jedoch, wenn man genau hinsah, dringend frische Farbe gebrauchen. Den Eingang säumten zwei riesige Blumenkübel, in denen Koniferen wuchsen, dazwischen ein Standaschenbecher, stiller Zeuge davon, dass sich Gäste in diese gottverlassene Gegend verirrten. Eine riesige Werbeplane, die am Balkon im ersten Stock angebracht war, verriet, warum das so war. Sie zeigte einen Kerl, grobschlächtig und mit Jägerhut und Kochschürze bekleidet. In der einen Hand hielt er eine Flinte, in der anderen einen toten Fasan. Er lächelte wie Hans Albers, spöttisch und ein wenig überheblich. Thea las, was daneben geschrieben stand: Der wilde Willi Wirt und Alleinunterhalter im Gasthof »Wilder Eber« Wildgerichte aus eigener Jagd Erlebniswochenenden während der kulinarischen Wildwochen vom 15. Oktober bis zum 30. November Noch während Thea den wilden Willi betrachtete, wurde die Eingangstür aufgerissen, und jemand stürzte auf sie zu. Thea ließ das Rad los, es fiel auf den Boden, denn sie fand sich in einer Umarmung wieder, die ihr sämtliche Luft aus den Lungen quetschte. »Wilma«, keuchte sie, nachdem die große Frau sie losgelassen hatte. »Mensch, Thading!« Ihre Freundin schlug ihr so heftig auf die Schulter, dass Thea fast in die Knie ging. »Pünktlich wie die Bahn. Ich freu mich so, dich zu sehen.« Sie grinste über das ganze Gesicht. »Darum musst du mich nicht gleich zermalmen und in den Boden stampfen«, keuchte Thea und richtete ihre Jacke. »Du bist einfach zu spiddelig. Hast nix auf den Rippen, Mensch!« »Kannst mir ja was von dir abgeben.« Thea wusste, dass Wilma ihr die Bemerkung nicht verübelte, denn die Kommissarin gehörte zu der Sorte von Frauen, die ihre Leibesfülle mit Stolz trugen. »Du siehst tatsächlich aus, als könntest du eine richtige Mahlzeit gebrauchen«, bemerkte Wilma und musterte Thea von oben bis unten. Die bückte sich etwas beschämt und hob ihr Fahrrad auf. »Du bist mager wie eine verhungerte Katze.« »So bin ich eben.« »Und ich bin Queen Mum. Sei ehrlich. Die Detektei läuft nicht so, wie du gehofft hast, oder?« Thea zuckte nur mit den Schultern. »Brauchst du Geld?« »Nein«, log sie und sah dabei zu Boden. »Ich komme klar.« »Weißt du was?«, sagte Wilma. »Wir laden dich zum Essen ein. Die Flintenweiber sind schon ganz gespannt auf dich. Du magst doch Wildschwein?« »Ja, schon …«, murmelte Thea und deutete auf die Werbeplane über ihren Köpfen. »Hat der Willi da das Wildschwein erlegt?« »Natürlich.« »Ziemlich wilde Angelegenheit hier, was?« »Deshalb sind wir gekommen. Je wilder, desto besser.« Vielleicht hätte ich die Flintenweiber doch zu mir einladen sollen, schoss es Thea durch den Kopf. Schließlich wohnte sie gleich neben Little Joes Ponderosa, die hätte ihnen sicher gefallen. Zumindest denjenigen, die »Bonanza« noch aus dem Fernsehen kannten. Thea vermutete, dass die Flintenweiber allesamt in diesem Alter waren, also um die fünfzig. Thea seufzte. In zwei Jahren würde sie das halbe Jahrhundert auch voll haben. Ohne weiter zu fragen, zog Wilma sie in die Gaststätte hinein und schob sie durch einen langen, düsteren Flur in Richtung Clubzimmer. Sie kamen an der Küche vorbei, aus der ein Duft von Rotkohl und Braten drang. Theas Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und ihr wurde kurz schwindlig. Sie blieb stehen, um sich zu sammeln. »He! Passen Sie doch auf!«, blaffte sie jemand an. Thea sprang erschrocken zur Seite und ließ einen Schrank von Kerl vorbei, der ein Bierfass schleppte. »Ist das der wilde Willi?«, flüsterte sie. Wilma nickte. »Ja, das ist der Inhaber hier. Willi Kieske. Moment mal. He, Chef!«, rief sie ihm nach. »Bei uns kommt noch ’ne Portion mehr dazu. Für die Flintenweiber aus Wittmund. Sie wissen schon.« Der Wirt brummte etwas in seinen Bart, nickte und verschwand dann eilig mit dem Fass in der Gaststube. »Der alte Bruddelpott will Alleinunterhalter sein?«, fragte Thea skeptisch. »Er war immerhin schon im Fernsehen mit seinen Döntjes. Beim NDR. Hast du das nicht gesehen?« »Nein. Ich hab nur Radio.« Wilma öffnete die Tür zum Clubraum. Lautes Frauenlachen brandete ihnen entgegen. An einem festlich gedeckten Tisch saßen die Flintenweiber aus Wittmund. Dem Lärm nach mussten es mindestens hundert sein, aber es waren nur zehn, wie Thea zählte. Sie amüsierten sich offenbar gerade köstlich. Als Wilma mit Thea hereinkam, blickten sie auf und sahen ihnen erwartungsvoll entgegen. »Das hier«, sagte Wilma stolz und schob Thea vor sich her, »ist Thea. Ich hab euch von ihr erzählt. Ihr wisst schon. Die Meisterdetektivin.« Thea spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sie hob beschämt die Hand. »Na ja, das mit der Detektivin kommt hin, aber der Meister davor, der ist ein bisschen übertrieben.« Wilma legte den Arm um sie, was Thea fast zu Boden warf. »Sie ist immer so bescheiden. Was ist, Mädels? Ich hab sie eingeladen, mit uns zu essen. Seid ihr einverstanden? Gibt unsere Kasse das her?« Eine der Frauen stand auf. Sie überragte Wilma, die nicht eben klein war, um einen Kopf. Thea fiel auf, dass die übrigen Frauen ebenfalls nicht gerade zierlich waren. »Club der Walküren« hätte auch als Deckname gepasst, dachte sie. »Wilmas Freunde sind auch unsere Freunde«, dröhnte die Stimme der Riesin durch den Raum. »Die Flintenweiber aus Wittmund begrüßen Thea mit einem dreifachen«, an dieser Stelle stimmten die Übrigen schmetternd in den Schlachtruf der Schützen ein, »gut Schuss! Gut Schuss! Gut Schuss!« Bevor sich Thea versah, hatte Wilma sie auf einen freien Stuhl gedrückt und an den Tisch geschoben. Sie wollte protestieren, aber Wilma ließ ihr keine Zeit. »Wir brauchen noch ein Gedeck!«, rief sie der Bedienung zu. »Kommt sofort«, antwortete die junge Frau, die mit ihrem Outfit genauso wenig in das rustikale Ambiente vom »Wilden Eber« passte wie Kubelka in einen Kleingartenverein. Zwar trug sie Gesundheitsschuhe und eine Kellnerschürze, aber auch Piercings im Gesicht und ein Tattoo am Hals. Es war eine rote Rose. Sie hatte anscheinend versucht, ihre dünnen Haare blau zu färben, was irgendwie misslungen war, jedenfalls schillerten an vielen Stellen grüngräuliche Flecken durch. Ihre Augen hatte sie mit Kajal dick umrandet, doch sie lächelte schelmisch, was Thea gefiel. Als sie aus dem Raum hinauseilte, um noch ein Gedeck zu holen, wäre sie fast gegen den Türrahmen gerannt. Die Frauen kicherten. »Ist die auch Alleinunterhalterin?«, fragte Wilma. »Ne. Die übt noch«, sagte die Riesin, »ich glaub, das ist die Tochter vom...


Helga Bürster wurde 1961 in einem oldenburgischen Dorf geboren. Später verschlug es sie nach Süddeutschland, wo sie Theaterwissenschaft, Literaturwissenschaft und Geschichte studierte. Seitdem lebt sie vom Schreiben und Geschichtenerzählen. Mit ihrer Familie wohnt sie seit 1995 wieder in einem niedersächsischen Dorf.



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