Bühlmann / Heidelberger / Schaub | Konkordanz im Parlament | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 10, 336 Seiten, Format (B × H): 147 mm x 220 mm, Gewicht: 698 g

Reihe: Politik und Gesellschaft in der Schweiz

Bühlmann / Heidelberger / Schaub Konkordanz im Parlament

Entscheidungsfindung zwischen Kooperation und Konkurrenz

E-Book, Deutsch, Band 10, 336 Seiten, Format (B × H): 147 mm x 220 mm, Gewicht: 698 g

Reihe: Politik und Gesellschaft in der Schweiz

ISBN: 978-3-03810-454-4
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Parlament zwischen Konkurrenz und Konkordanz: Diese Studie liefert neue Erkenntnisse zur Konkordanz, provokative Diskussionsbeiträge und innovative Daten zur parlamentarischen Entscheidungsfindung
In der Öffentlichkeit wie in der Politikwissenschaft herrscht heute die These vor, dass die schweizerische Konkordanzdemokratie in den letzten Jahren unter Druck geraten ist. Das Buch Konkordanz im Parlament stellt diese Krisenthese auf die Probe. Es untersucht, ob und wie sich die Funktionsweise der parlamentarischen Entscheidungsfindung, die Einbindung von Minderheiten und die Umgangsformen im Parlament in den letzten Jahrzehnten tatsächlich verändert haben. Damit leistet es einen wissenschaftlich fundierten, allgemein verständlichen Beitrag zur öffentlichen Debatte um die Konkordanz. Auf Basis neuer Daten beleuchten die Autorinnen und Autoren die Frage, ob und wie sich die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche der letzten Jahrzehnte im Parlament niedergeschlagen haben.
Mit Beiträgen von Alexander Arens, Marc Bühlmann, Clau Dermont, Rahel Freiburghaus, Karin Frick, Marlène Gerber, Anja Heidelberger, Ruth Lüthi Blume, Sean Müller, Diane Porcellana, Hans-Peter Schaub, Daniel Schwarz, David Zumbach und Guillaume Zumofen.
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Schau mal, wer da spricht: die Verteilung der Reden im Parlament
Daniel Schwarz
1. Einleitung
Der Beitrag stellt die Frage, ob sich an der Verteilung der Wortmeldungen im Parlament Hinweise auf einen Wandel der Konkordanz ablesen lassen. Er geht davon aus, dass eine funktionierende (inhaltliche) Konkordanz eher auf die argumentative Breite als auf einzelne personelle Aushängeschilder setzt. Damit alle Meinungen, die zwischen und innerhalb der Parteien bestehen, zu Wort kommen können, muss diesen zuerst das Wort erteilt werden. Der Beitrag verwendet demnach die Verteilung der Reden als ein mögliches Mass für die Konkordanz im Parlament. Es wird erwartet, dass die Fraktionen im Zug des verschärften Parteienwettbewerbs sowie der zunehmenden Polarisierung (vgl. den Beitrag von Clau Dermont in diesem Band), Professionalisierung und Mediatisierung (Bailer und Bütikofer 2015; Schwarz 2018; Traber et al. 2014; vgl. auch den Beitrag von Marc Bühlmann, Anja Heidelberger und Hans-Peter Schaub in diesem Band) immer stärker auf profilierte Köpfe statt auf die gesamte Breite der Parlamentsmitglieder setzen. Dies würde sich in einer Zunahme der Ungleichheit der Verteilung der Wortmeldungen zeigen. 2. Theoretischer Hintergrund
Konkordanz beinhaltet den Aspekt von Machtteilung und Interessenausgleich in einem politischen System, das an sich keine Regierungswechsel kennt (Linder 1987). Es liegt darum nahe, dass die Konkordanz nicht nur auf die Mehrheitsfindung (vgl. Linder und Müller 2017; Schwarz 2009), sondern auch auf die Wortmeldungen im Parlament auswirkt, wie dies beispielsweise mit Bezug auf die Qualität parlamentarischer Debatten von Bächtiger (2005) nachgewiesen werden konnte. Der Fokus des vorliegenden Beitrags liegt hauptsächlich auf der Frage des Zugangs zum Rednerpult. Der Gang ans Rednerpult (bzw. im Fall des Ständerats die Wortmeldung vom eigenen Sitzplatz aus) ist an Regeln gebunden, deren Inhalt und Interpretation sich über die Zeit verändern (vgl. den Beitrag von Ruth Lüthi in diesem Band). Es spielt deshalb eine grosse Rolle, um welchen Vorlagentyp es sich handelt, welcher Kategorie die Debatte zugeteilt wurde, ob ein Ratsmitglied eine besondere Aufgabe erfüllt (insbesondere als Berichterstatterin oder Berichterstatter der vorberatenden Kommission oder als Ratspräsidentin oder Ratspräsident) usw. Neben diesen Faktoren, die die Anzahl und den Umfang der Wortmeldungen direkt beeinflussen, gehen auch von den sich wandelnden strukturellen und parteipolitischen Rahmenbedingungen im Schweizer Parlament bedeutende Impulse aus: Verschärfter Parteienwettbewerb sowie zunehmende Polarisierung und Professionalisierung haben letztlich zu einer stark gestiegenen Fraktionsdisziplin geführt (Bailer und Bütikofer 2015; Schwarz 2018; Traber et al. 2014; vgl. auch den Beitrag von Clau Dermont in diesem Band). Die zu Beginn der 1990er-Jahre erfolgreich initiierte Professionalisierung der Arbeitsbedingungen im Parlament (Bütikofer 2014; Lüthi 2009) hat zudem zu einer Stärkung und folglich zu einem Machtzuwachs der Fraktionsleitungen geführt (Schwarz 2018), wodurch sich auch die Abhängigkeit der Parlamentsmitglieder vom Goodwill der Partei erhöht hat. Eine steigende Fraktionsdisziplin muss indes nicht automatisch in einen restriktiveren Zugang zum Rednerpult münden. Aus der internationalen Forschung ist bekannt, dass die Parteileitungen ihren Parlamentarierinnen und Parlamentariern eine relativ freie Meinungsäusserung im Plenum erlauben, solange sie sich beim Drücken des Abstimmungsknopfes am Ende an ihre Vorgaben halten (Laver et al. 2003). Proksch und Slapin (2012) sehen diesbezüglich einen entscheidenden Einfluss der politischen Institutionen: Je stärker das Wahlsystem einen Anreiz dafür schafft, dass die Zusammensetzung der Parteilisten und die gesamte Wahlkampfführung zentralisiert über die nationale Parteileitung erfolgt, desto wichtiger erweist sich die gegen aussen präsentierte inhaltliche Geschlossenheit der Partei, und umso dominanter fällt die Rolle der Partei auch bei der Auswahl der Redner und der inhaltlichen Kontrolle der Reden aus. Im internationalen Vergleich geben die Regeln und Verfahren des Schweizer Parlaments individuellen Ratsmitgliedern – und somit auch solchen, die innerhalb ihrer Partei eine Minderheitsposition vertreten – allerdings starke Artikulationsmöglichkeiten in die Hand (Damgaard 1995; Döring 1995; Schwarz et al. 2011). Auch Schwarz et al. (2017) kommen anhand der Analyse einer längeren Parlamentsdebatte aus den Jahren 2002 und 2003 für den schweizerischen Kontext zum Schluss, dass hiesige Debatten durch flache Hierarchien und einen für alle Ratsmitglieder relativ einfachen Zugang zum Rednerpult geprägt sind. In der empirischen Analyse der genannten Debatte zeigte sich, dass sowohl die Auswahl der Redner als auch der Inhalt der Reden relativ wenig von Fraktionsdisziplin geprägt sind. Einzig die Zugehörigkeit zur vorberatenden Kommission erwies sich in der Studie als signifikanter Indikator der Zahl der Wortmeldungen der Ratsmitglieder. In Bezug auf die zentrale Frage des vorliegenden Beitrags, nämlich wie sich die Verteilung der Wortmeldungen auf die 200 Mitglieder des Nationalrats und die 46 Mitglieder des Ständerats seit Mitte der 1990er-Jahre entwickelt hat, geben die Erkenntnisse der bisherigen Forschung zu zwei gegenläufigen Hypothesen Anlass: Einerseits lässt sich argumentieren, dass aufgrund der flachen Hierarchien und starken Minderheitenrechte die individuelle Profilierung am Rednerpult begünstigt wird. Dass sich die verfügbaren Ressourcen über die Jahre erhöht haben, kann diesbezüglich unterstützend wirken. Insgesamt spräche dies dafür, dass heute die Verteilung der Wortmeldungen auf die Ratsmitglieder gleichmässiger erfolgt als früher. Andererseits wurde festgestellt, dass sich die Macht aufgrund von Professionalisierung zunehmend in der Partei- bzw. Fraktionsleitung konzentriert, was auch die Parteidisziplin stark fördert. Die Fraktionsleitung hat ein Interesse an einem geschlossenen Auftreten, um das politische Profil der Partei zu schärfen. Dies spräche dafür, dass sich die Redehäufigkeit und die Redezeit heute auf weniger und stärker medienaffine Personen konzentriert als früher. Neben den Rahmenbedingungen der parlamentarischen Arbeit über die Zeit dürfte es auch eine Rolle spielen, auf welche der beiden Parlamentskammern sich die Analyse richtet. Aufgrund der geringen Sitzzahl verteilt sich im Ständerat die Arbeit, die umfangmässig mit dem Nationalrat vergleichbar ist, auf weniger Schultern. Es ist daher zu vermuten, dass die Verteilung der Wortmeldungen im Ständerat gleichmässiger erfolgt als im Nationalrat. Hinzu kommt, dass im Ständerat weniger Einschränkungen in Bezug auf die Wortmeldungen bestehen (vgl. dazu den Beitrag von Ruth Lüthi in diesem Band). 3. Empirische Auswertungen
Im Folgenden wird versucht, eine empirische Antwort darauf zu finden, welche der beiden oben hergeleiteten Hypothesen eher der Realität entspricht. Im Zentrum der Auswertung steht nicht die Über- oder Unterrepräsentation bestimmter Gruppen (z. B. bezüglich des Geschlechts oder der Muttersprache; vgl. dazu die Beiträge von Marlène Gerber sowie von Sean Müller oder von Hans-Peter Schaub in diesem Band) am Rednerpult, sondern die Verteilung der Reden im National- bzw. im Ständerat insgesamt sowie die Frage, inwieweit die Verteilung der Redehäufigkeit und -dauer auf einen übergreifenden Wandel der Konkordanz hindeutet. Der Beitrag widmet sich im nächsten Abschnitt zuerst einigen grundsätzlichen Anmerkungen zur Datengrundlage, anschliessend wird das Augenmerk auf die Datenanalyse und die Beantwortung der Hypothesen gelegt. 3.1 Datengrundlagen
Die in die Untersuchung einbezogenen Reden sind in verschiedener Hinsicht bereinigt worden, um die Auswertungen auf Wortmeldungen von Parlamentsmitgliedern einzugrenzen. So sind die Reden von Regierungsmitgliedern, die in der Schweiz nicht dem Parlament angehören, sowie von Verwaltungsvertreterinnen und -vertretern wie beispielsweise der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler in der Untersuchung nicht berücksichtigt. Ebenfalls ausgeschlossen wurden die Wortmeldungen des Ratspräsidiums, die meist prozedurale Erläuterungen oder allgemeine Mitteilungen an den Rat beinhalten. Berücksichtigt werden hingegen Reden der Berichterstatterinnen und Berichterstatter aus den parlamentarischen Kommissionen. Die Untersuchung stützt sich auf den Datensatz von Zumbach (2019), der alle Wortmeldungen im Parlament beinhaltet (vgl. Box 1, S. 19, und Box 3, S. 37). Der Beobachtungszeitraum der Untersuchung beginnt mit der 45. Legislaturperiode (Wintersession 1995) und dauert bis zur Sommersession 2018. Die 50. Legislaturperiode ist somit nicht vollständig in die Auswertungen eingeflossen (in Tabellen und Abbildungen mit * bezeichnet). Entsprechend ist die Zahl der Wortmeldungen für die letzte Legislaturperiode nicht direkt mit den vollständig erfassten Zeitabschnitten davor vergleichbar. Über den gesamten, knapp 23 Jahre dauernden Untersuchungszeitraum fliessen 95 712 Wortmeldungen aus dem Nationalrat und 46 715 aus dem Ständerat in die Analyse ein. Die Verteilung der untersuchten Voten pro Rat und Legislaturperiode ist in Tabelle 1 dargestellt. Die Gesamtauswertungen zeigen zwei Auffälligkeiten: Erstens haben sich die «schwierigen» Jahre zwischen 2003 und 2011, in denen das schweizerische Konkordanzsystem mit Blick auf die Zusammensetzung des Bundesrats auf die Probe und teilweise auch ganz infrage gestellt wurde, in beiden Kammern positiv auf die Zahl der Wortmeldungen...


Marc Bühlmann (*1971), Prof. Dr., lehrt an der Universität Bern. Seit 2011 ist er Direktor von Année Politique Suisse am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.
Anja Heidelberger (*1986), Dr., ist Co-Direktorin, Projektleiterin und Redaktorin bei Année Politique Suisse.
Hans-Peter Schaub (*1981), Dr., ist Projektleiter von Swissvotes und arbeitet bei den Parlamentsdiensten des Zürcher Kantonsrats.


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