E-Book, Deutsch, Band 133, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
Staffel: Meister der Sonne 3 von 10
E-Book, Deutsch, Band 133, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
ISBN: 978-3-8453-4833-9
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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1. 1864, nahe Redwood, Mississippi Billy Ray Dawson Anfänglich sahen etwaige Beobachter vermutlich nicht viel mehr als eine braune Staubwolke, die allmählich von Osten heranquoll. Der unentwegte Wind zerrte an ihr und wehte dichte, nach oben ausfasernde Schleier zur Seite. Die Windstöße entblößten dunklere Punkte im Innern der Wolke. Reiter erwuchsen aus dem Staub der Savanne, als wären sie ausgetrocknete Ausgeburten des vibrierenden Bodens selbst – rötlich braune Gestalten, die Kleider und Gesichter sowie das Fell ihrer Pferde dick bedeckt mit jener fein geriebenen Mischung aus hart gebackenem Schlamm und freigewaschenem Lehm, die das Ufer des großen Stroms säumte. Zehn Reiter bildeten einen ungeordneten Haufen. Ein Elfter ritt vorweg. Er hielt sich auffallend aufrecht, saß stramm wie ein Offizier im Sattel. Als er die ersten Dächer aus der Steppe vor sich auftauchen sah, zügelte er sein Pferd. Gebieterisch hob er die Hand. Der Trupp stoppte unverzüglich. Die Reiter zogen sich eine Pferdelänge hinter ihm auseinander zu einer Reihe. Wie antretende Kavalleristen, nur dass keiner eine Uniform trug. »Ist es das, Billy?«, fragte einer, der kaum achtzehn Jahre alt sein konnte. Er spuckte aus und lenkte sein Pferd neben das des Anführers. »Zweifelst du etwa daran?« Billy Ray Dawson warf ihm einen strengen Blick zu. »Oder zweifelst du gar an mir, Cobe? Natürlich ist das Redwood.« Cobe richtete sich in den Steigbügeln auf, um überhaupt etwas zu erkennen. Er war schmaler und kleiner als der acht Jahre ältere Dawson. Er hatte Nagezähne wie ein Eichhörnchen und ein ebenso nervöses Gehabe. Mit dem Colt indes war er flink, manchmal zu flink. Das hatte ihn erst mit der Südstaatenarmee, dann mit dem Gesetz jenseits der Front in Konflikt gebracht und am Ende in Dawsons Bande gespült. Die meisten der elf Reiter waren so blutjung wie Cobe, zwei sogar erst vierzehn. Nur der entflohene Schwarze Jacob war wie Dawson über zwanzig. Nach seiner Flucht hatte er sich ein paar Monate mit den berüchtigten Flusspiraten des Mississippi eingelassen, ehe er sich vor einem Jahr Dawson angeschlossen hatte. »Ist ja kaum was zu sehen von dem Kaff.« Cobe spuckte abermals aus und tastete nach einem neuen Pfriem Kautabak. Seine Zähne waren gelber als eine Zitrone. »Nur ein paar Dächer, mein ich. Könnte alles Mögliche sein, oder?« Dawson überging den Einwand. Er zeigte von Süden nach Norden. »Ganz links, das ist der Armeeposten. Den umreiten wir von Norden her. Das große Gebäude dahinter, der Steinklotz, ist die Bank. Gibt nur eine Straße. Ein paar Geschäfte. Ganz rechts, das windschiefe Bretterding, ist die Kirche.« »Heilige Mutter Gottes«, murmelte Jacob. Der entflohene Sklave war keineswegs fromm, er hatte nur ungeheuren Respekt vor Predigern und Totengräbern. Gut für uns und gut für ihn, dass die Soldaten Blau tragen, dachte Dawson. »Gibt's einen Sheriff?«, wollte Cobe wissen. Dawson nickte. Sein Hut, in dessen Krempe ein v-förmiger Zacken fehlte, verlor einen Schwaden lehmbraunen Staub. »Als ich vor drei Wochen da war, gab's noch einen. Ex-Soldat, lahmt auf einem Bein. Und ist uralt, bestimmt schon vierzig.« Cobe feixte. Er nestelte an seinem Revolver. »Einundvierzig wird er wohl nicht mehr, nehm ich mal an.« Dawsons Hand fuhr ihm in den Arm. »Der Mann ist nicht unser Ziel, du Hitzkopf!«, schnauzte er ihn an. »Wir haben es auf die Soldkasse abgesehen. Als andere ist nebensächlich, verstanden?« Cobe bejahte stumm. Dann sagte er einlenkend: »Schon gut, Lieutenant, hab's begriffen.« »Gut.« Dawson, der vor seiner Desertion Leutnant der Konföderiertenarmee gewesen war, zog die Hand zurück. Sein grauer, inzwischen dreckspeckiger Hut war das letzte Überbleibsel seiner einstigen Uniform. Doch sein Offiziersgehabe hatte er beibehalten – die anderen stellten seine Autorität nicht infrage. »Wann kommt der Tross durch, Billy?«, wollte Harry Winterkorn wissen, der jüngste der Bande. »Gegen Mittag«, antwortete Dawson. »Vielleicht etwas später, aber nicht viel.« Der deutschstämmige Waisenjunge war klüger als alle anderen in der Bande, von Dawson einmal abgesehen. Er konnte als Einziger neben dem Anführer sogar lesen und schreiben. Wäre er nicht so jung gewesen, hätte Dawson ihn längst zu seinem zweiten Mann gemacht. So aber hielt Cobe diesen Platz inne – vermutlich aber nicht mehr allzu lange. Entweder brachte ihn sein Übereifer an der Waffe zu Fall oder Harry würde ihm binnen weniger Jahre den Rang ablaufen. Sofern, dachte Dawson, es einer von uns tatsächlich über die nächsten Jahre schafft. Sicher war das nicht. Sobald der Krieg vorbei war, würde man die Bande nachdrücklicher jagen als bisher, da gab sich Dawson keinen Illusionen hin. Er hatte von der Pinkerton-Agentur gehört. Das waren Leute, die niemand Geringeren als Präsident Abraham Lincoln vor drei Jahren vor einem Mordanschlag bewahrt hatten. Gerüchteweise bereiteten die Detektive Strafzüge gegen das Bandenunwesen im Westen vor. Dawson hatte nicht vor, auf deren Eintreffen zu warten. Bis dahin wollte er sich längst zur Ruhe gesetzt haben. Irgendwo im Norden. Vom Süden hatte er die Nase voll. Umso wichtiger war das Gelingen des vor ihnen liegenden Coups. Die prall gefüllte Soldkasse der Unionsarmee, unterwegs nach Vicksburg zu General Osterhaus, würde in Kürze Redwood passieren. Das wusste Dawson aus verlässlicher Quelle. Er beschattete seine Augen und blickte zur Sonne hinauf. Kurz vor Mittag. Es wurde Zeit zum Weiterreiten. Die Jungs mussten sich ausruhen, die Pferde zu Atem kommen und getränkt werden, um Kraft zu sammeln für die Flucht. Sie waren seit dem Morgengrauen geritten. Und er musste jedem seine Position und seine jeweilige Aufgabe erklären. Es gab mehr als genug zu tun, bevor der Soldatentross eintraf. »In Zweierreihe – marsch!«, befahl er. Die vorherige Unordnung war schlagartig vergessen. Diszipliniert sammelte sich die Bande hinter Dawson und ritt einen nördlichen Bogen um die Siedlung herum, bis die Männer die Straße erreichten, einen ausgefahrenen Karrenweg. Es war genau Mittag, als sie in Redwood einritten. Sie schwärmten aus, kaum dass sie die Kirche passiert hatten. Harry blieb mit einem der Jüngeren zurück. Sie sollten vom Holzturm der kleinen Kirche herab Ausschau halten. Dawson ritt voran, scheinbar in Gedanken und als achte er nicht auf die anderen. Nachdem er vor einer Tränke anhielt, sammelten sich die anderen nach und nach ebenfalls dort und banden ihre Pferde an, strebten aber sofort wieder auseinander. Bedächtig bezogen sie ihre Posten, nahmen Deckung entlang der Straße. Nur Armand, der Franzose, den alle Army nannten, und der baumlange Lester blieben bei den Pferden. Sie hatten die freundlichsten Gesichter von allen und führten eine Scharade auf – sie taten so, als bewunderten sie gegenseitig ihre neuen Gewehre. Harmlose Jugendliche, die einander zu übertrumpfen versuchten. Alle in der Bande waren gut bis sehr gut bewaffnet – bei den vorangegangenen Überfällen hatte Dawson darauf geachtet, nicht nur Gelder und Schmuck, sondern auch gute Schusswaffen zu erbeuten. So war Dawson an seinen neuartigen Smith & Wesson Kipprevolver gekommen. Seinen früheren, fast zwei Kilogramm schweren Armeecolt hatte er daraufhin Cobe vermacht. Zudem hatte Dawson jeden seiner Männer mit Spencergewehren ausgestattet, die aus einem halb verbrannten Armeedepot stammten. Die schweren Kaliber würden mit ihren 52er-Patronen alles zur Seite fegen, was sich ihnen in den Weg zu stellen wagte. Am wichtigsten war Dawson die einheitliche Munition gewesen. So konnte jeder seinen Kameraden aushelfen, wenn deren Kugelvorrat zur Neige ging. Dawson stellte fest, dass mittlerweile jeder auf seinem Posten war. Zur Straße hin abgeschirmt, mit gutem Schussfeld aus dieser Deckung heraus. Der Ort ringsum wirkte wie ausgestorben, doch selbstverständlich war er es nicht. Mütter hatten die wenigen Kinder hereingeholt. Verhaltene Bewegungen hinter den Fenstern verrieten, wohin sich die Bewohner begeben hatten. Der Sheriff ließ sich nicht blicken. Vorhänge wurden zugezogen. Dawson begab sich zu den beiden feixenden Jungs bei den Pferden. »Schafft unsere Tiere von der Straße«, sagte er im Vorbeigehen. »Brecht den Mietstall auf, wenn nötig.« Army und Lester salutierten so lässig, dass es jedem echten Soldaten eine Schande gewesen wäre. Dawson grinste, dann winkte er Cobe und Jacob, ihm auf der anderen Straßenseite zu folgen. Er selbst schlenderte allein in Richtung Bank, aber sie war nicht sein Ziel. Er wusste, in diesen Tagen war dort nichts zu holen. Als er das große Gebäude erreichte, verschmolz er mit dem Schatten des Mauerwerks. Jenseits davon verließ er Redwood und näherte sich dem hundert Schritt außerhalb gelegenen, winzigen Armeeposten. Die Stellung war nicht mehr als ein Kontrollpunkt, ein quaderförmiges Lehmgebäude mit flachem Dach. Hierher wurden Nachrichten gesandt und per Schnellreiter weiterexpediert. Ein Korral hinter dem Haus enthielt drei ausgeruht aussehende Pferde. Auf dem Dach stand ein erst halb erbauter, hölzerner Signalmast. Anstelle der ausklappbaren Holzarme wehte die zerfranste Unionsflagge daran. Es ging blitzschnell. Und nahezu lautlos. Die drei Soldaten saßen drinnen beim Mittagstisch und starrten verständnislos in die Läufe der Revolver, die sich ihnen entgegenstreckten. Wenig später lagen sie gefesselt und lediglich mit ihrer Unterwäsche bekleidet auf dem Dielenboden. Die drei Outlaws aber...