E-Book, Deutsch, Band 121, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
Staffel: Arkons Ende 1 von 10
E-Book, Deutsch, Band 121, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
ISBN: 978-3-8453-4821-6
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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2. CREST, 3. Juli 2049 Endstation Übergangslos erschien ein Kommunikationsholo über seiner Konsole. Gleichzeitig begann es, enervierend zu summen. Der Mann mit der blauen Baseballkappe knurrte etwas Unwirsches in seinen Dreitagebart. Er warf einen mürrischen Blick auf das Chronometer über der Tür und korrigierte sich im Stillen: Viertagebart. Der 3. Juli 2049 war schon seit Stunden angebrochen. Er hatte es nicht mitbekommen. Pete Roofpitter, Militärpolizeileutnant und Chef der Bordpolizei der CREST, überlegte, ob er eingenickt war. Auszuschließen war das nicht. Nicht während der Nachtschicht, und schon gar nicht bei der antihektischen Betriebsamkeit, die in seiner Dienststelle herrschte. Den letzten Besucher hatte Roofpitter vor ereignislosen drei Tagen gesehen – einen dieser verrückten Wissenschaftler. Er hatte nach seiner Katze gesucht. Seitdem hatten nur Servoroboter den Staub gesaugt. Das Summen des eingehenden Kom-Anrufs ignorierte Roofpitter beharrlich. Er liebte die Nachtschichten. Da konnte er seinen Gedanken nachhängen und ging zugleich lästigen Gesprächen mit seinen Kollegen aus dem Weg gehen. Sie hatten einander ohnehin längst alles Erwähnenswerte gesagt – die fünf Polizisten unter seinem Kommando langweilten sich vermutlich ebenso wie er. Sie teilten sich die drei Schichten in Zweierteams, wobei Roofpitter oft von seiner Kommandogewalt Gebrauch machte und seine Schichtkollegin, Ella Paradise, zurück in ihre Kabine zum Schönheitsschlaf schickte. Wie auch in dieser Nacht. So war er allein und konnte ungestört mit seinem Schicksal hadern. Oder lesen, wenn ihn die Langeweile überkam. Schlachtanalysen hauptsächlich: Alexander, Hannibal, Gaius Julius Caesar, aber auch Nelson, Grant, Lee, Custer. Am ergiebigsten empfand er den Zweiten Weltkrieg: Hier waren nahezu alle Schlachten gut dokumentiert. Das so gewonnene Wissen bildete die Basis für sein absurdes Hobby – er entwickelte in seiner Freizeit alternative Vorgehensweisen, modifizierte die Schlachtpläne, suchte und fand Auswege aus verfahrenen Situationen, ersann abweichende Strategien und übertrug sie in positronische Simulationen. Eine Beschäftigung, der er sich seit Wochen ausgiebig hingab. Genau genommen, seit er an Bord gekommen war. Von der Stelle auf der CREST hatte er sich weit mehr erhofft. Inzwischen machte er sich keine Illusionen mehr: Mit seinen sechsundfünfzig Jahren hatte er das Ende seiner Laufbahn bald erreicht, es würde keine weitere Herausforderung und keinen höheren Dienstgrad mehr für ihn geben. Vielleicht durfte er noch Strafzettel ausstellen in einem dieser aus dem Wüstenboden schießenden Vororte von Terrania, mehr war für ihn vermutlich nicht mehr drin – dumm gelaufen. Sinnierend betrachtete er das geleerte Glas in seiner Hand. Es hatte diesen neuen synthetischen Nichtalkohol enthalten. Das Zeug sah aus wie Whisky, roch wie Whisky, schmeckte auch entfernt so, aber es hatte die berauschende Wirkung von Apfelsaft, dem man untersagt hatte, zu gären. Roofpitter verzog angewidert das Gesicht. Sein Spiegelbild in der halbtransparenten Trennwand tat es ihm nach. Angeblich wies er mit seiner Körpergröße von einem Meter neunzig und seinem dichten Schnauzbart eine gewisse Ähnlichkeit mit einem längst verstorbenen amerikanischen Schauspieler auf; sinnigerweise jemand, der zeitlebens fast ausschließlich Detektive und Polizisten gemimt hatte, irgendwo auf Tahiti oder so. Dabei hatte Roofpitter sein Aussehen vielmehr von einem seiner Vorfahren geerbt, und der war tatsächlich Polizist gewesen, sogar ein ziemlich hohes Tier im LAPD. Für Roofpitter aber war hier Schluss. Endstation CREST. Genau so musste man das realistischerweise sehen. Die rund 1500 Personen, die gegenwärtig die Besatzung des Protektorenschiffs bildeten, stellten von der Kopfzahl her nicht mehr dar als eine dieser verschlafenen Kleinstädte irgendwo in den Rocky Mountains. Zu wenig, als dass sie in irgendeiner Form hätten kriminalstatistisch auffällig werden können. Der Dienstbetrieb auf diesem größten Raumschiff der Terranischen Flotte war zudem bestens organisiert und entsprach damit keineswegs dem normalen Leben in einer typischen Kleinstadt mit deren Sorgen und Nöten – und kriminellen Problemlösungen. »Seien wir ehrlich«, brummte Roofpitter bitter. »Niemand braucht uns hier.« Aus polizeilicher Sicht geschah in der CREST einfach nichts. Gemeldete Diebstähle stellten sich in aller Regel als bloße Schusseligkeit der angeblich Bestohlenen heraus. Vermisste Personen – oder Katzen, du liebe Güte! – kamen hin und wieder zwar vor, aber die Hauptpositronik fand sie mit ihren diversen Sicherheitsnetzen und Überwachungsmöglichkeiten längst bevor eine diesbezügliche Meldung bei Roofpitter und seinen Leuten auch nur eintraf. Blieben die Streitereien innerhalb der Mannschaft, die in den vergangenen Wochen fraglos zugenommen hatten. Aber es hatte nie Ausschreitungen gegeben, nie hatte die Notwendigkeit bestanden, in eine solche Auseinandersetzung schlichtend einzuschreiten. Sicher, das mächtigste Schiff der Menschheit raste seit seiner Taufe nahezu ununterbrochen nur von einem Krisenherd zum nächsten, und die Probleme der Schiffsführung waren gewiss nicht unerheblich. Die Zeit in der Gewalt der P'Kong war eine bodenlose Schweinerei gewesen. Dort, im Gefangenenlager, hatte Roofpitter mit seinen Leuten für Ordnung sorgen müssen. Um Schlimmeres zu verhüten und wenigstens etwas den Druck von der Mannschaft zu nehmen. Aber danach? Wieder saure Essigzeit mit Gurke. Das ganze politische Brimborium, dessentwegen die CREST ruhelos von einem Sonnensystem zum nächsten eilte, interessierte Roofpitter, wenn er ehrlich war, nur am Rande. Sein Job bestand darin, allen Ungereimtheiten innerhalb des Schiffs nachzugehen. Was außerhalb geschah, lag zugleich außerhalb seiner Zuständigkeit. Nur gab es kaum einen Vorfall, der die Bezeichnung Ungereimtheit tatsächlich verdiente. Okay, Ausnahmen bestätigten die Regel. Diesen Agaior Thoton, den hätte Roofpitter tatsächlich gern dingfest gemacht. Was für ein Arschloch! Kinder entführen, um damit die Eltern zu erpressen! Die Hälfte der Besatzung der LEPARD einfach abzuschießen! Der gehörte schleunigst hinter Schloss und Riegel, und das für Jahrhunderte. Aber dazu würde Roofpitter wohl kaum jemals die Gelegenheit erhalten. »Geht es Ihnen nicht gut, Leutnant Roofpitter?«, fragte die künstliche weibliche Stimme der Positronik. »Sie werden seit zwei Minuten kontinuierlich gerufen.« »Was?« Erst nun drang ihm das Summen des Bordkoms wieder ins Bewusstsein. Er fuhr sich mit der Hand über die schmirgelnden Wangen, schüttelte verärgert den Kopf und meldete sich. Wenn das wieder eine entlaufene Katze ist, beschaffe ich mir echten Whisky!, schwor er sich. Eine kreidebleiche, blassblonde Frau mit langen, glatten Haaren starrte ihn aus dem Holokubus an. »Sie sollten sich das besser ansehen, Chief!«, sprudelte sie statt einer Begrüßung hervor. »Ist das so? Wovon reden Sie, Miss ...« Roofpitter kniff die Augen zusammen und las die Datenzeile unter ihrem 3-D-Abbild mit, »... Miss ... Verlaufen? Echt, ist das Ihr Name?« »Verleuwen«, stellte sie richtig. »Anneke ter Verleuwen, Senior Operator Special Devices.« »Abteilung Exo-IT«, las Roofpitter weiter ab. »Deck 38?« »Ja. Bitte beeilen Sie sich.« »Es geht also mal wieder um Leben und Tod, ja?« Er fragte es mit aller Ironie, die ihm zu Gebote stand. »Nein, Chief«, antwortete die Blondine mit zitternder Oberlippe. »Es geht nur um Tod. Mein Chef, Doktor Larry Cheng, liegt hier in seinem eigenen Blut.« »Soll das ein schlechter Witz sein, Miss ter Verleuwen? Veralbern kann ich mich allein, dazu brauche ich keine Arkonidin.« »Arkonidin?« Sie klang verwirrt. Beinahe fahrig. Der Schock vermutlich. Musste ziemlich realistisch wirken, das Ganze. »Ihr Adelstitel«, erklärte er. »Ist ja fast schon wie eine Visitenkarte, Miss ter Verleuwen. Dazu Ihre Haarfarbe und die Frisur. Sind Sie Kolonialarkonidin?« »Was? Nein. Ich bin gebürtige Holländerin. In meiner Kultur gibt's auch ein ›ter‹. Aber das ist jetzt nebensächlich. Als Polizist sollte Sie ein Toter weit mehr interessieren, Chief. Der arme Doktor Cheng ist so tot, wie man als Toter nur sein kann.« Die meint das wirklich ernst, dachte Roofpitter resigniert. Ob ihr wohl jemand einen Streich spielt? Sicher ist das Blut am Ende Ketchup oder Himbeersaft. Er wuchtete sich aus dem Sitz. »Also schön. Ich bin unterwegs. Fassen Sie nichts an! Verlassen Sie den Raum, wo der – ähm – Leichnam liegt. Reden Sie mit niemandem, bis ich da bin. Verstanden?« »Sollte ich nicht die Schiffsfüh...?« »Das mache ich«, unterbrach er sie. »Sobald ich mich überzeugt habe, dass Sie mir keinen Bären aufbinden wollen.« Er schaltete ab, rückte seine Baseballkappe zurecht und verließ sein Büro. »Wo?«, fragte Roofpitter, mehr knurrend als artikulierend, kaum dass er aus dem Lift getreten war. Anneke ter Verleuwen, die im Gang gewartet hatte, zeigte auf die Labortür. »Soll ich mit reinkommen?« »Nein. Sie haben schon einmal den Tatort kontaminiert – falls es einer ist. Bleiben Sie, wo Sie sind. Wo im Labor liegt er?« »Im hinteren Bereich, bei den PACK-Batterien.« Roofpitter schob den Schirm seiner Kappe tiefer in die Stirn. »Und Sie meinen sicherlich, ich wüsste, was das ist?« »Die Reihenverbundrechner. Parallel arbeitende...