Brausewetter | Tore öffnen sich | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 315 Seiten

Brausewetter Tore öffnen sich


1. Auflage 2016
ISBN: 978-87-11-48780-8
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 315 Seiten

ISBN: 978-87-11-48780-8
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die junge Inge Ravenhorst wird an einem diesigen Februarmorgen von einem Unbekannten mit vorgehaltener Pistole gezwungen, ihm bei seiner Flucht vor der Polizei behilflich zu sein. Wie sich herausstellt, sind viele Schicksale mit dem geheimnisvollen Fremden verknüpft. Das der jungen Lore Meerwald, die folgenreiche Verletzungen von einem Hundebiss davonträgt, das des Wunderheilers Manfred Kosack mit legendärem Ruf, das des Gutsbesitzers von der Marwitz, dessen Tochter Gina sich nur aus Gründen der 'Zuchtwahl' verloben will, und auch das Leben Karl Bernhardis, des Rechtsassessors ohne Anstellung. Kosacks Sanatorium 'Fichtenhöhe' wird zum Zufluchtsort zahlreicher Kranker. Wird es weiterbestehen und wird Lore dort geheilt werden? Und wird Inge Ravenhorst das Trauma jenes Februarmorgens überwinden?-

Artur Brausewetter (vollständiger Name Arthur Friedrich Leon Brausewetter; 1864-1946; Pseudonyme: Arthur Sewett, Friedrich Leoni) war ein deutscher evangelischer Pfarrer und Schriftsteller. Artur Brausewetter studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Theologie an der Universität Berlin und der Universität Bonn. Später wurde er Pfarrer. Seit 1908 war er Archidiakon an der Oberpfarrkirche St. Marien in Danzig, wo er bis zur Vertreibung infolge des Zweiten Weltkriegs lebte. In den Jahren 1933 und 1934 wurde er von den Deutschen Christen im Danziger Landessynodalverband aus dem Amt gedrängt. Brausewetter war Mitarbeiter der Zeitungen 'Der Tag' und 'Tägliche Rundschau' und schrieb zahlreiche Romane, die hohe Auflagen erzielten und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Sein Schauspiel 'Ich bin Doktor Eckart' wurde 1944 in Weimar uraufgeführt. 1946 vollendete er seinen letzten Roman 'Die höheren Mächte', der das Schicksal der Bewohner Ostdeutschlands von 1933 bis 1945 behandelt.

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Aber jetzt nach Hause gehen? Das kindlich schwarmselige Geschwätz des Vaters hören? Von dem Fortschritt seiner neuesten Erfindung sich berichten lassen? Mit so viel Liebe und Geduld er dem Alten sonst auch den Gefallen tat — heute war es ihm unmöglich. Zurück wollte er in den Wald, eintauchen in seine abenddunkelnden Tiefen, seine würzigen Düfte atmen! Und wenn die Nacht käme, dann würden der Mond und die Sterne ihm leuchten. Mit schnellen Schritten ging er vorwärts ... weiter ... immer weiter. Kein Pfad ... kein Steg mehr. Kaum durchdringliches Dickicht nur, durch das er mit Mühe die Bahn sich brach. Und mit ihm ging die Erinnerung an das seltsame Gespräch dieses Nachmittags und an einen Menschen, der herbe war und bestimmt und zugeschlossen wie er selber. Nur, dass alles beherrschter war, nicht so dumpf gärend und vulkanisch geladen wie bei ihm. „Züchtung und Erziehung durch Generationen hindurch!“ Zwei Dinge, die ihm jetzt in einem neuen Licht erschienen. Wer hatte ihn erzogen? Wer sich um ihn gekümmert, als er ein aufwachsender Jüngling war mit manchen guten und vielen schlechten Eigenschaften, mit hart verbissenem Willen und einem ins Unermessliche strebenden Freiheitsdrang, der Gebote und Hemmnisse nicht kannte? Die Mutter starb, als er ein Junge von acht Jahren war, und der Vater war zeitlebens ein Kind gewesen und würde es bleiben bis in den Tod. Wie ein Füllen in der Koppel war er grossgeworden. Aber ein Zügel war ihm nicht angelegt, und die Schenkel und die führende Hand eines Reiters hatte er nie gekannt. Bei ihr aber war alles ebenmässig und ausgeglichen, alles Selbstzucht und Kultur. Vielleicht hatte ihn gerade das gereizt und aufsässig gemacht. Diese stillgeklärte Überlegenheit, die sie ihm in jedem Wort, jedem Blick zeigte. Nein, zu ihr gehörte er nicht. Zu Lore gehörte er. Die war gedemütigt und geprügelt wie er. Und murrte nicht und lehnte sich nicht auf wie er, sondern trug ihr Schicksal mit weiblicher Standhaftigkeit und wurde nicht müde zu hoffen. Tiefer drang er ins Waldesdickicht. Wundervolle, unbeschreibliche Einsamkeit umgab ihn. Steil und stark wuchsen die schwarzen Fichtenstämme aus ihr empor. Wann mochte hierhin wohl eines Menschen Fuss sich verirren? Es war der endlose, an Russland erinnernde ostpreussische Wald ohne Anfang und Aufhören. Die Sonne war zur Ruhe gegangen. Auch in ihm sehnte sich alles der Ruhe entgegen. Was ihn so lange gedrückt und gequält, das ganze marternde Heer bleicher Gedanken und Sorgen wich von ihm, verlor und vergrub sich in die geheimnisdunklen Gründe. Endlich einmal ein freier Ausblick. Ein starker Baumstumpf, so einladend zum Sitzen, als wäre er zum Ruhesessel künstlich gehauen, ein zweiter in geringer Entfernung von ihm ... eine Oase in der Wildnis der Bäume und des Dickichts, die etwas Wohnliches hatte. Ein Eichhörnchen machte seine possierlichen, aber bereits etwas müden Sprünge von Baum zu Baum, bis es die rechte Schlafstätte gefunden zu haben schien. Nun war es auch für ihn Zeit, zu rasten. Er setzte sich auf einen der beiden Baumstümpfe. Aber die Flinte legte er nicht ab. Denn lange war seines Bleibens hier nicht. Er hatte noch einen weiten Rückweg, und der Vater würde auf ihn warten. Ein kühler Wind wehte durch die Wipfel. Die Schatten zogen von dannen, nahmen die Umrisse mit sich fort. Es gab nicht mehr Helle und Dunkel, es war alles eine einzige, blassblaue Dämmerung. Aber finster wurde es nicht. Als hätte eine lichtgeborene Maiennacht wie diese mit der Finsternis nichts zu schaffen. Sein Kopf wurde ihm schwer. Er liess ihn auf die Brust sinken. Nirgends auf der Welt konnte man so schön träumen wie hier in dieser feiernden Abendeinsamkeit. Und er hatte lange nicht geträumt, sondern immer nur gedacht ... gegrübelt ... gehasst. Aber in diesem friedumsponnenen Waldeiland hatte das Grübeln keine Stelle. Und der Hass erst recht nicht. Ja ... war er denn wider seinen Willen eingeschlafen? Hatte er in Wirklichkeit geträumt? Ein Brechen und Krachen wie von dürrem Holz, ein schattengleiches, vorsichtig tastendes Dahingleiten hinter dem Dickicht — ein Wild, wie er es auf der ganzen Wanderung kaum gesehen? Er griff nach seiner Flinte. Aber nein, das war kein Wild ... das war ein Mensch! Unerhört! Unglaublich! Ein Mensch in dieser Wildnis, dieser stummstarren Waldestiefe! Wo kam er her? Was wollte er? Ein Holzsammler? Ein Wilddieb? Höchst unwahrscheinlich! Immerhin ... „Holla ... stehenbleiben! Auf der Stelle!“ Ein heiteres Lachen. „Nicht so stürmisch, junger Mann! Schliesslich bin ich doch wohl hier zu Hause.“ Narrt man ihn? Was will der wunderliche Mann? Gar nicht alt erscheint er, wenn auch der Gang ein wenig gebückt und der Bart, wie Kurt jetzt erkennt, als er langsam näherkommt, lange nicht geschoren ist. „Der erste Gast seit einem Jahr! Willkommen in meinem Garten!“ Eine Stimme, der man anhört, dass sie lange nicht gesprochen hat, ruft es ihm entgegen, eine erdschmutzige Hand streckt sich aus — dann lässt sich die seltsame Erscheinung auf dem gegenüberliegenden Baumstumpf nieder. Sie ist sehnig und hager, mit einem weiten leichten Wollmantel bekleidet, der den ganzen Körper deckt. Die Füsse stecken in Sandalen. „Wie konnte es denn geschehen, dass Sie sich hierher in meinen Garten verirrten, den, solange ich hier hause, ausser einem Förster oder vorüberschleichenden Wilddieb noch nie eines Menschen Fuss betreten hat?“ „Lassen Sie mich lieber fragen“, gibt Kurt abweisend zurück, „was Sie hier in dieser Einsamkeit treiben? Und mit welchem Recht Sie hier hausen?“ „Mit dem Rechte der Vögel, der Rehe und des Eichkätzchens da oben, dessen possierliche Sprünge Sie vorhin so andächtig beobachteten. Es ist ein guter Bekannter von mir. Wir unterhielten uns eben sehr eifrig, als Ihr Dazwischentreten uns störte. Mit dem Rechte der Sterne und des Mondes, der sein Licht bald anstecken wird, meinen Garten für den festlichen Besuch zu erleuchten. Oder bedarf es noch einer anderen Beglaubigung? Sind Sie ein vom Walde eingesetzter Sicherheitsbeamter, der auf einem Streifzug begriffen ist, den Rehen, Hasen und Einsiedlern auf die Finger zu sehen? Wünschen Sie meinen Pass oder meinen Aufenthaltsberechtigungsschein? Oder wollen Sie mich zur nächsten Waldwache führen?“ Mit wie schlagfertigem Humor der wunderliche Kauz, der sich jetzt vollständig freigesprochen hatte, seine etwas juristisch eingestellte Frage abfertigte! „Und doch wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erzählen wollten —“ „Wer ich bin und wie ich hierhergekommen? So ganz leicht wird mir das nun allerdings nicht sein.“ „Sie nannten sich vorhin einen Einsiedler —“ „So recht stimmt dies Wort wohl nicht. Denn ich lebe hier in grosser Gesellschaft, in der besten, die es in dieser zerzausten Zeit geben kann ... der Tiere, der Bäume und Kräuter und Pilze. Deshalb will ich mich einen Waldsiedler heissen. Aber wir reden und schwätzen allerlei. Und Sie werden nach der langen Wanderung Hunger haben.“ Und als Kurt erwiderte, dass er gleich wieder aufbrechen müsse, weil sein Vater ihn zu Hause erwarten würde: „Wo Sie auch wohnen mögen, nach Hause können Sie nicht mehr. Der Mond ist im Abnehmen. Er geht erst spät auf und leuchtet wenig. Auch wenn Ihnen die Richtung bekannt ist, Weg und Steg gibt es nicht, und durch das Dickicht können Sie sich in der Nacht nicht schlagen. Nein, Sie sind mein Gast. Ich habe zwar kein Fremdenzimmer, aber ein gutes Lager werde ich Ihnen bereiten.“ Er erhob sich von seinem Baumstumpf und ging voran. Wenige Schritte nur, vorbei an einem geflochtenen Tragkorb, der hinter dem Gebüsch versteckt war. Jetzt beugte er sich zur Erde, hob eine von einer dicken Moosschicht bedeckte Falltür auf. „Wenn es Ihnen gefällig ist! Bis zu einer Treppenbeleuchtung habe ich es noch nicht gebracht. Ich werde Ihnen die Hand reichen.“ Sie kletterten ein paar in die Erde gehauene, von Brettern belegte Stufen hinab, tasteten sich einen feuchten Gang hindurch, standen vor einer rohgezimmerten Eichentür, die sich auf einen Druck öffnete, und befanden sich in undurchdringlicher Finsternis. Aber nicht lange. Dann züngelte eine gelbliche Flamme auf, und Kurt sah einen von dem blasshellen Licht einer Petroleumlampe ältesten Modells matterleuchteten Raum mit niedriger Balkendecke, in dem alles von beschränktester Einfachheit und doch wohlig und behaglich war; eine mit Decken belegte Bank, einen Tisch davor, ein mit Büchern gefüllter rohgezimmerter Schrank und zwei Stühle. Ein stark verschossener Vorhang verdeckte einen kleinen Nebenraum mit einem breiten einladenden Lager und primitiver Koch- und Wascheinrichtung. „Das ist ja ein regelrechter Unterstand wie im Felde.“ „Ist es auch. Hat man doch wenigstens etwas Gutes im Kriege gelernt.“ Aus einem Verschlag, der in dem winzigen Raum auch noch seinen Platz gefunden, holte er allerlei Essbares herbei: eine Art von Schiffszwieback, die hart, aber schmackhaft war, grobgemahlenes Landbrot, hartgesottene Eier und einen grossen, stark geräucherten, aber saftigen Schinken. Dann bereitete er nebenan den Tee, den er in einer Riesentasse aus der Urväterzeit vor seinen Gast auf den Tisch stellte. Der hatte einige Gewissensbedenken, seinen gütigen Wirt der gewiss hier mit unsäglicher Mühe aufgespeicherten Vorräte zu berauben, liess es sich dann aber schmecken. Nach getaner Mahlzeit nahm er aus der reichgefüllten Tasche eine Zigarre, bot dem anderen auch an, steckte sie in...



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