Brausewetter | Die Halbseele | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 211 Seiten

Brausewetter Die Halbseele


1. Auflage 2016
ISBN: 978-87-11-48772-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 211 Seiten

ISBN: 978-87-11-48772-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Walter Merten, einziger Sohn des Landpastors, entscheidet sich gegen die Theologie und für die Medizin. Er wird Assistenzarzt im Städtischen Krankenhaus in Bernburg und gerät dort in eine persönliche Fehde zwischen seinem Vorgesetzten, Professor Westphal, einem Arzt von Weltruf, und dem Sanitätsrat Glasgow. Merten spürt schon bald, dass er sich vor Westphal besser in Acht nehmen sollte. Unerbittlich und rücksichtslos setzt dieser seinen Willen auch gegen jede medizinische Vernunft durch. Als er einen Patienten operiert, obwohl er selbst eine Handverletzung hat, stirbt dieser an einer Infektion. Merten hadert mit seiner Profession: Soll er sich gegen Westphal stellen? Wie bei allen großen Herausforderungen in seinem Leben spürt er seinen fehlenden Glauben als klaffendes Loch in sich ...-

Artur Brausewetter (vollständiger Name Arthur Friedrich Leon Brausewetter; 1864-1946; Pseudonyme: Arthur Sewett, Friedrich Leoni) war ein deutscher evangelischer Pfarrer und Schriftsteller. Artur Brausewetter studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Theologie an der Universität Berlin und der Universität Bonn. Später wurde er Pfarrer. Seit 1908 war er Archidiakon an der Oberpfarrkirche St. Marien in Danzig, wo er bis zur Vertreibung infolge des Zweiten Weltkriegs lebte. In den Jahren 1933 und 1934 wurde er von den Deutschen Christen im Danziger Landessynodalverband aus dem Amt gedrängt. Brausewetter war Mitarbeiter der Zeitungen 'Der Tag' und 'Tägliche Rundschau' und schrieb zahlreiche Romane, die hohe Auflagen erzielten und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Sein Schauspiel 'Ich bin Doktor Eckart' wurde 1944 in Weimar uraufgeführt. 1946 vollendete er seinen letzten Roman 'Die höheren Mächte', der das Schicksal der Bewohner Ostdeutschlands von 1933 bis 1945 behandelt.

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Reisetagebuch des Doktor Walter Merten.
Konstanz, den 2. Juni. Ich bin auf schnellem Wege hierher gelangt. Grosse Städte meide ich im Sommer. Nur mit München ist es etwas anderes. Da komme ich nie heraus, ob es Sommer oder Winter ist. Auch jetzt, so mitgenommen von den Erregungen der letzten Tage ich mich noch fühlte, sowie mein Fuss diese unvergleichliche Stadt betrat, wehte mich der Hauch der Erfrischung an. Mir ist, als spürte ich hier Bergluft, selbst auf den belebten Strassen. Und dann diese einzigartige Vereinigung einer gross gewordenen Kunst mit bayerischer Behaglichkeit! Dieses Mal tat ich mir Gewalt an und blieb nur einen Tag in München. Ich musste vorwärts. Meine Gesundheit ist jetzt die Hauptsache. So fuhr ich vorgestern über den Bodensee, der mir der liebste aller schweizer Seen ist, und kam nach Konstanz. Warum ich gerade Konstanz wählte? Ein Freund von mir, der beste wohl, doch ich will lieber sagen, der einzige, ist hier der leitende Arzt einer bekannten Nervenheilanstalt. Da er nicht nur ein trefflicher Mensch ist, sondern auch zu den wenigen meiner Kollegen gehört, denen ich rückhaltlos vertraue, so habe ich mich wohl oder übel entschlossen, mich für die sechs Wochen meines Urlaubs in seine Heilanstalt zu vergraben. Sie scheint gut eingerichtet, hat einen prachtvollen Garten, der bis unmittelbar an den Bodensee reicht, und der behandelnde Arzt ist mein Freund. Das sind nicht zu unterschätzende Vorteile. Den 3. Juni. Aus der Nervenheilanstalt wird nichts! Kollege Kanzow machte ein ganz verdutztes Gesicht, als er mich heute plötzlich unter seinen Patienten im Wartezimmer traf, denn ich hatte mich nicht angemeldet. Ich merkte ihm sofort an, dass er sich Mühe gab, seine Verwunderung über meine blasse Gesichtsfarbe und mein wohl verändertes Wesen zu verbergen. „Blühend siehst du nicht aus!“ Weiter sagte er nichts und schritt sofort zur Untersuchung. „Unsere Anstalt ist nichts für dich,“ meinte er entschieden, „so gern ich dich auch hier hätte. Aber du bedarfst gesunder, froher Menschen, damit du selbst gesund wirst und wieder lachen kannst wie früher. Gott sei Dank! Ausser einer freilich nicht unbedenklichen Gemütsdepression und einer leichten Neurasthenie fehlt dir nichts. Und das zu heilen ist nur die schöne Natur imstande und die frische Luft, ohne Bäder und geregelte Kur.“ Nun musste ich ihm von mir und meiner Arbeit erzählen, und auch die Widerwärtigkeiten, die ich am Krankenhaus durchgemacht, mussten aufgewühlt werden. Ein Wunder erschienen ihm nach alledem meine angegriffenen Nerven nicht. Im Gegenteil, er fand, dass ich noch glimpflich fortgekommen wäre. Wie gut es solch ein Mensch wie Kanzow doch hat! Er hatte mich zum Mittagessen in seine in der Anstalt gelegene Häuslichkeit eingeladen, und ich lernte seine junge Frau kennen. Während wir auf dem grossen Balkon unter grünschimmernden Lindenbäumen speisten, berieten wir, was ich jetzt weiter beginnen sollte. Da es für das Gebirge noch etwas früh ist und die trefflichen Menschen hier einen wohltätigen Einfluss auf meine Gemütsstimmung üben, so entschloss ich mich, vorläufig in der nächsten Umgebung am Bodensee zu bleiben. Den 4. Juni. Was ich suchte, habe ich gefunden! Es ist ein Gasthof, verbunden mit Garten, und steht malerisch und einladend auf der Höhe zwischen See und Wald. „Waldhaus zum Jakob“ las ich über seinem Eingang, und unter den Sprüchen, mit denen seine Aussenwand geziert war, fiel mir einer sofort ins Auge: „Bist du des Wegs und Kampfes müde, Komm, Wanderer, hier winkt dir Friede.“ Es war ein recht mässiger Vers. Aber ich war des Weges und des Kampfes müde, und was suchte ich so sehnsüchtig als den Frieden? Ich trat in den Garten; er war fast menschenleer. Nur an einem Platze war ein einsamer Gast zu sehen, der eine Flasche Wein trank. Ich ass ein einfaches, aber vorzügliches Abendbrot. Eine halbe Stunde danach hatte ich mir in dem noch spärlich besetzten Hause ein Zimmer mit einem kleinen Balkon auf den Bodensee ausgesucht und mich für vorläufig zehn Tage hier in Pflege gegeben. Den 5. Juni. So ruhig und fest wie diese Nacht habe ich lange nicht mehr geschlafen. Schon gegen fünf Uhr kleidete ich mich an und ging hinunter. Ausser dem Hausknecht, der mich wie ein Gespenst anstarrt, ist niemand im „Jakob“ auf; an Frühstück ist kein Gedanke ... ich wandere in den Wald. In den Wald, der nie so unergründlich und voller Wunder ist wie in der Frühe. Die Natur liegt noch in ihrem ersten Werden. Der junge Sommer geht auf leisen Füssen über die Erde; zwischen den Bäumen, im sammetgrünen Moose fühlt man seine keusche Frische. Ich empfinde es aufs neue, dass für ein verzagtes Gemüt nirgends eine solche Heilkraft wohnt wie im Walde. Eine Stunde lang wandle ich umher. Auf dem noch hellgrünen Laub der Heidelbeeren liegt der Tau. Die Wipfel rauschen, und die Vögel singen; hier und da der Weckruf eines Kuckucks, das träumerische Hämmern des Spechtes, der Lockton der Amsel. Ich will eben meinen Morgenspaziergang beenden und auf dem kürzesten Saumpfade zum Frühstück in den Jakob gehen, da schimmert durch die dunklen Fichtenstämme ein weisses Kleid. Ich sehe eine biegsame Mädchengestalt, die blaue Glockenblumen pflückt und sie in einen Strauss von zarten Gräsern und duftenden, bunten Blüten bindet. Als sie mich bemerkt, wendet sie sich rasch um... nur für eine Sekunde ... Aber der liebliche Kopf mit den dunklen Haaren, der stille Ernst auf dem schmalen Antlitz und vor allem die grossen, schwarzen Augen mit eigentümlich fragendem Gesichtsausdruck ... sie sind mir den ganzen Tag über unvergesslich geblieben. Nichts konnte in diese feiernde Morgenstimmung des Waldes harmonischer hineinklingen als diese Mädchengestalt. Den 7. Juni. Wir sind an der Tafel nur fünf Personen; ausser mir noch zwei junge Ehepaare. Natürlich komme ich mir da etwas verwaist vor. Doch ich bleibe gern für mich allein. Ich habe soviel mit mir selber zu tun, dass ich für andere keine Zeit übrig habe. Auch die natürliche Liebenswürdigkeit meiner Nachbarin zur Rechten bringt mich aus meiner Zurückhaltung nicht heraus. Dabei kann ich nicht sagen, dass sie mir missfällt. Eine grosse, etwas hagere Blondine, das Gesicht nicht hässlich, auf den fast zu regelmässigen Zügen eine duldende Ergebenheit. Sie scheint zu den seltenen Frauen zu gehören, die sich nach kurzem Widerstande ein für allemal unterworfen haben. Ihr Gatte hat ein gut Teil Herrennatur an sich. Man sieht ihm den Sports- und Weidmann auf den ersten Blick an. Wenn er spricht, und das geschieht nur selten, unterhält er sich über Jagd oder Sport. Seine Frau hat er immer im Auge; er scheint auch an ihr eine stete Dressur zu üben. Meist ist der Ausdruck seines Gesichts streng. Er kann aber auch liebevoll sein, von einer gewissen erhabenen Zärtlichkeit. Was würde Tony Glasgow zu dieser Ehe sagen? Die beiden anderen gefallen mir besser. Sie eine Schwäbin, heiter, derb und ungezwungen, wie es die Schwäbinnen sind. Er, von Geburt Norddeutscher, hat sich den Schwaben merkbar angepasst, denn er lebt schon zwölf Jahre unter ihnen, wie er mir gleich am ersten Tage erzählte. Sie ist hübsch und zierlich trotz ihrer nicht abzuleugnenden Körperfülle, er hässlich mit einer krausen Stirn und jenem eigenen verschwommenen Gesichtsausdruck, wie er Menschen zu eigen ist, die geistige Arbeit zu verrichten haben und dabei starke Wein- oder Biertrinker sind. Nur eine habe ich seit jenem Morgen nicht wiedergesehen; auch an die Tafel ist sie nicht gekommen. Und doch weiss ich, dass sie im „Jakob“ wohnt: die zierliche, duftige Erscheinung aus dem Walde. Den 10. Juni. Wieder sind drei Tage vergangen ... ich habe sie immer noch nicht gesehen. Zwischen mir und meinen Ehepaaren ist die unvermeidliche Vorstellung erfolgt. Das hagere ist ein Herr Kähler nebst Frau Gemahlin aus Krefeld. Der strenge, muskulöse Herr liegt der zarten Beschäftigung eines Seidenfabrikanten ob ... so nebenbei, denn in der Hauptsache ist er Jäger und Reiter. Seine Seidenspinnerei liefert ihm die Mittel dazu. Das lustige, behagliche ist ein Herr Lettinger mit Frau. Er ist der Direktor einer Bierbrauerei in Stuttgart, die seinem Schwiegervater gehört. Sie heisst mit ihrem Kosenamen „das Quästele“, von frühester Jugend an, wie er mit einem verliebten Blick mich aufklärte, weil sie als Kind ständig mit den Quasten an dem Überdache ihres Kinderwagens spielte. Die hübsche Frau lachte verschämt bei dieser Erläuterung, die ihr Gatte mit grosser Gewichtigkeit gab, und sagte einige abwehrende Worte. Aber er schloss ihr den Mund mit einem herzhaften Kusse, über den Herr Kähler abfällig und ironisch lächelte. O du schöne, selige Kinderzeit der jungen, glücklichen Ehe! Den 11. Juni. Heute fasste ich mir ein Herz und brachte beim Essen das Gespräch auf die kleine Waldfee. Und nicht ohne Erfolg. Herr Lettinger war genau unterrichtet. Er weiss alles, was im „Jakob“ vorgeht. Sie ist ein Fräulein Rutenberg, dreiundzwanzig Jahre alt, eine Norddeutsche und Landesgenossin von mir, denn ihr Vater ist Grossgrundbesitzer in unserer Provinz. Ihre Mutter ist seit Jahr und Tag an einem schweren Leiden erkrankt, hat sich vergeblich von Bad zu Bad geschleppt und weilt seit sechs Wochen in jener Heilanstalt, in der mein Freund Kanzow erster Assistent ist. Aber auch dort hat ihr die Kur nicht geholfen. Sie ist nach wie vor an ihren Fahrstuhl gebannt. Ihre Tochter hat bis jetzt in der Anstalt mit ihr gewohnt. Bei der aufopfernden Pflege ist sie selbst elend...



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