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E-Book, Deutsch, 282 Seiten

Braun Tod einer Schulrätin

E-Book, Deutsch, 282 Seiten

ISBN: 978-3-7534-5243-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die dienstliche Beurteilung, die der Mittelschullehrer Staab von der Schulrätin Merz erhält, fällt vernichtend aus. Deprimiert macht er sich auf den Heimweg. Zufällig fährt die Schulrätin vor ihm auf der Landstraße und biegt zu seiner Überraschung auf eine Seitenstraße ab, die zu einem abgelegenen Weiler führt. Neugierig geworden folgt Staab ihr und entdeckt wenige Minuten später ihre Leiche auf einem Wanderparkplatz. Der Fall lässt Staab keine Ruhe und er beginnt, das ausdrückliche Verbot der Polizei missachtend, mit seiner Kollegin Eva nach dem Mörder zu suchen. Bald finden sie heraus, dass die Schulrätin ein Doppelleben führte und sich in dem einsamen Dorf mit einem Liebhaber traf. Da sich die Schulrätin im Kollegium von Staabs Schule viele Feinde gemacht hat, verfestigt sich Staabs Verdacht, dass der Mörder unter seinen Kolleginnen und Kollegen zu suchen ist. Im Laufe seiner Recherchen erkennt Staab, dass der Mörder ihn zu verfolgen beginnt. Ein Zweikampf mit dem Unbekannten entbrennt.

Der Autor wurde in Aschaffenburg geboren, ging dort zur Schule, studierte in Würzburg Geographie, später Lehramt für Hauptschulen. Heute lebt er in Bamberg, ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und arbeitet als Lehrer in Unterfranken. Schriftstellerisch tätig ist er seit 1988. In Kleinverlagen sind vier Bücher (drei Romane, eine Erzählung) erschienen.
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1
»Lässt du es schneien?«, sagte Staab in das geschminkte Gesicht der Schulrätin Merz hinein, in die empörten, aufgerissenen und von einem grünlichen Lidschatten umflorten Augen. Haben diese Augen jemals liebend oder begehrend geblickt, überlegte er kurz. Angeblich war sie verheiratet, hatte sogar Kinder, vielleicht mittels Jungfernzeugung ins Leben gebracht. Überraschenderweise trug sie ein ‘duftiges’ Sommerkleid, das allerdings um ihr knochiges Gestell flatterte wie ein Rupfen an einer Teppichstange. Sie machte es jedem leicht, sie zu hassen. »Ein Zitat, übrigens aus der Bibel«, meinte Staab noch. Gerade hatte sie seine Deutschstunde genüsslich, wie ihm schien, zerpflückt, vor allem seine Lehrersprache und noch mehr die Vertiefung, mit der er den Sinn des Gedichtes Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, das er mit den Schülern gelesen hatte, herausarbeiten wollte. »Das ist ja nun…«, sie rang nach Worten, »…völlig daneben. Bleiben Sie doch lehrplankonform. Vermitteln sie Kompetenzen«, sie zog die Augenbrauen hoch. »Um die Schüler fit für das digitale Zeitalter zu machen, müssen wir ihnen Kompetenzen vermitteln.« Sie wiederholte das Wort und während sie jede Silbe betonte, Kom-pe-ten-zen, tippte sie mit ihrem knochigen Zeigefinger auf die Tischplatte. »Aber…«, wollte er einwenden, doch sie wischte sein ‘aber’ mit einer herrischen Geste hinweg. »Kompetenzen, kein ‘aber’«, sie grinste. Offenbar war sie der Meinung, einen guten Scherz gelandet zu haben. Sie blätterte in seinen Unterlagen. »Mit der Hand geschrieben«, murmelte sie kopfschüttelnd. Trotzig dachte er sein ‘aber’ weiter, denn die meisten Schüler hatten den grundgütigen Herrn Ribbeck verstanden, seinen unvermittelten Ruf, der ein Kind so beglückend traf: ‘Lütt Dern, kumm man röwer, ich hebb ‘ne Birn‘. Das war Menschlichkeit, keine abstrakte, im Wesenlosen geisternde, sondern eine, die, wenn auch nur für Augenblicke, eine echte Freude bereitete. Sogar der dicke Jens hatte es verstanden, hatte, ebenfalls nur für einige Momente, gelächelt, hinten in der letzten Bank, überbequem hingefläzt, aber er hatte gelächelt und das Gedicht gleich noch einmal gelesen, obwohl er sich eigentlich schon mit den Arbeitsaufträgen eins bis drei hätte auseinandersetzen sollen. »Jens hat es jedenfalls kapiert«, unterbrach Staab den Vortrag der Schulrätin, die ihn verständnislos und verärgert anstarrte, nahm sie sich doch gerade seine Schülerbeobachtungen sowie seine Sequenzplanung vor. »Oberflächlich hingehudelt«, und damit lag sie nicht einmal so verkehrt. »Sehr unzulänglich«, sagte sie. »Eigentlich alles. Wir sehen uns nächste Woche im Schulamt, dann legen Sie mir ihre Unterlagen vollständig vor, und zwar ausgedruckt und nicht mit der Hand hingeschmiert.« Sie erhob sich, ragte vor ihm wie ein Trockengestell auf, an dem einer ein Kleid aufgehängt hatte, verdunkelte das einzige Fenster in dem Besprechungszimmer, ragte, schwieg, sah sekundenlang auf ihn herab, der sich unwillkürlich duckte. »Was wir brauchen, sind top Leute, Profis«, sagte sie – ‘und keine Versager wie dich‘, ergänzte er den Satz so, wie sie ihn sicherlich gemeint hatte – und wandte sich zur Tür. Staab blieb noch ein paar Minuten sitzen, starrte auf die leere, spiegelnde Tischfläche, dann auf das weiße, gleißende Rechteck des Fensters. In seinen Ohren hallten noch die Worte der Schulrätin nach, die seine eigenen Gedanken erdrückten, nicht zuließen. Schließlich erhob er sich, schlurfte zur Tür und auf den Gang hinaus, wurde von einer Schar lärmender Zweitklässler überholt und sperrte, vom Getobe genervt, das Lehrerzimmer auf, wankte zu seinem Platz, wo seine Tasse mit dem kalt gewordenen Kaffee stand, registrierte, dass irgendwo an dem langen Tisch noch jemand saß, und versank in dumpfes Brüten. Gab es Alternativen? Ein Café eröffnen? Journalismus? Ranger in einem Nationalpark? Alles Wunschträume, Illusionen, unmöglich zu verwirklichen oder den Hungertod nach sich ziehend. Er trank von dem kalten Kaffee, auf dem Blättchen aus Milchhaut schwammen. »Genau so«, sagte er laut, denn irgendwo saß ja jemand, »Genau so, wie der Kaffee schmeckt, fühle ich mich.« »Nicht nur du«, Evas grämliche Stimme erhob sich wie eine zerschlissene Krähe von einem Abfallhaufen. »Scheiße«, meinte er noch. »Schulrätin?«, fragte sie. Er nickte. Sie schob den Heftstapel, den sie gerade korrigierte, von sich, ihr Gesicht wurde rot, dann weiß. Sie blickten beide hinaus auf den nebligen Parkplatz, wo abfahrbereite Autos standen. Der Tank von Staabs altem Peugeot war halb voll, er käme mindestens bis München, ohne anzuhalten. Eva hatte wohl ähnliche Gedanken. »In Avignon findet gerade ein Open-Air-Konzert statt, habe ich in der Zeitung gelesen«, meinte sie. Avignon. Er stand auf, machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Statt Orangen oder Zitronen in Avignon blühten ihm noch drei Stunden Unterricht in schwierigen Klassen, Mathe, Sozialkunde, Religion – er, Religion! Auf dem Gang wurde es unruhig, manche Lehrer ließen ihre Schüler bereits in die Pause, bevor der Gong ertönte, was den Rektor täglich zur Weißglut brachte, ohne dass es ihm je gelungen wäre, diesen Missstand abzustellen. Staab war unkonzentriert, hatte zu viel oder zu wenig Kaffee in den großen Filter gelöffelt, Plörre oder Teer für die Kollegen, beides sorgte für schlechte Laune, und er war schuld. Eva trat neben ihn, gemeinsam sahen sie zu, wie ein dünner, heißer Wasserstrahl zischend in das Kaffeepulver rann. Es beruhigte, stellte er fest und atmete das sich verbreitende Kaffeearoma ein. »Sie macht jeden fertig«, sagte Eva, und Staab glaubte aus ihrer Stimme etwas wie Mitgefühl für ihn herauszuhören. »Jeden«, wiederholte sie. Ja, sie unternahm tatsächlich den Versuch, ihn aufzumuntern. Er roch ihr etwas zu aufdringliches Deodorant, das den Kaffeeduft verdrängte. Konnte er sie sich vorstellen, wenn er die Augen schloss? Eva, Ende dreißig, nicht verheiratet, täglich ihre demenzkranke Mutter im Heim besuchend, sportliches Auto, gelegentlich Raucherin, weiße Fäden im schwarzen Haar, fast immer in Zerwürfnis mit ihrer Umwelt. Mehr wusste er nicht von ihr, höchstens noch, dass ihr Dalmatiner vor kurzem eingeschläfert werden musste. Eckert platzte herein, aufgedreht, hochrotes Gesicht, knallte die Büchertasche auf einen freien Stuhl, schimpfte los, wie er es immer tat, hatte es in seiner Klasse, in allen Klassen, nur mit Kretins zu tun, mit Vollidioten, manchmal waren es auch Ignoranten oder ‘Gschwartl’ – er stammte aus Mittelfranken. »Der Kaffee braucht noch ein paar Minuten«, unterbrach ihn Staab, denn er konnte Eckerts Gebrüll nicht ertragen, an diesem Tag noch weniger als sonst. Eckert setzte sich, stellte beleidigt, weil es noch keinen Kaffee gab, seine leere Tasse vor sich auf den Tisch und starrte ins Leere. Ging, gang, gong, jetzt begann die Pause offiziell. Das Schulgebäude füllte sich mit Geschrei und Gejohle. Nach und nach trafen die Lehrer ein, manche mitgenommen, andere gut gelaunt und augenblicklich entwickelte sich im Lehrerzimmer dieses eigenartig gehetzte, durch verschiedene Stimmungslagen genährte, zusammengestückte, bunt schillernde, hin- und herschwappende Kollegengespräch, Fußballexpertisen, Witzchen, Beschwerden über Schüler, Dossiers über den eigenen Gesundheitszustand, die Zumutungen des Schulamts. Staab saß schweigend auf seinem Stuhl. Wenn er hinüber zu Eva sah, trafen sich für Momente ihre Blicke; sie redete ebenfalls mit niemandem. In der nächsten Stunde musste Staab Mathe unterrichten, Zinsrechnen. Wie waren doch gleich die Formeln? Sein Gehirn war benebelt wie draußen der Parkplatz. Inzwischen war der Kaffee durchgelaufen, vor der Maschine bildete sich eine Schlange, die Situation für Belz, den Possenreißer, der den vor ihm stehenden Kollegen Meier schubste, damit er gegen die junge, attraktive Lehramtsanwärterin Jeske stieß. »Schneidig, schneidig, dieser Meier«, dröhnte Belz. Irgendwann, dachte Staab, sage ich ihm, dass er ein Arschloch ist, vielleicht noch heute nach dem Unterricht. Meier und Jeske lächelten hilflos. »Wie viele Stunden hast du noch?«, fragte er Eva über den Tisch hinweg. »Drei«, antwortete sie tonlos. Ging, gang, gong, so schnell ging die Pause zu Ende. Manche Kollegen sprangen auf, andere blieben sitzen, als hätten sie das Signal nicht gehört. Staab nahm seine Tasche, verließ das Lehrerzimmer und traf auf dem Gang auf zwei freundliche Jungs aus seiner Klasse, die auf ihn gewartet hatten, und, während sie nun vor ihm zum Klassenzimmer gingen, von ihren neu gekauften Computerspielen...


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