E-Book, Deutsch, 116 Seiten
ISBN: 978-3-7534-8387-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Joachim Braun, geboren 1951 in Stuttgart. Beruf Arzt. Lebt in Bremen und Berlin. Interessen: Medizin, Geschichte, Deutsche Literatur, Eisenbahn. Seit 1992 zahlreiche Veröffentlichungen zur Eisenbahn- und Kulturgeschichte.
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3.1. Landeshut Im Übergabebahnhof Landeshut zwischen Staatsbahn und Ziedertalbahn hatte die Letztere keine eigene Dienststelle. Die erforderlichen Tätigkeiten wie Zugmeldungen, Fahrkartenverkauf, Güterannahme und -versand, Betätigung der Staatsbahnschranke und Unterhaltung der Doppelkreuzungsweiche im Übergabegleis übernahm die Staatsbahn gegen eine Entschädigung durch die Ziedertalbahn, während diese die Rangierarbeiten in ihrem Bereich selber durchführte. Neben einem Stumpfgleis, welches in der Nähe des Empfangsgebäudes endete, besaß die Ziedertalbahn in Landeshut allerdings eine Gleisharfe mit sechs Gleisen, welche dem Aufstellen der Güterwagen dienten. An der Ausfahrt zum Ziedertal gab es einen Kohlenschuppen und einen Wasserkran. 1901 wurden die Gleisanlagen erweitert, da die „Landeshuter Mühlenwerke R. Fischer“ am Bahnhof einen Güterschuppen errichteten, der von der Ziedertalbahn bedient wurde. Untermieter im Schuppen war die Spedition Bartz & Co. Über den Wagenumschlag beider Unternehmen gibt eine Aufstellung vom 14. Februar 1906 Auskunft. Danach be- und entluden die Mühlenwerke zwischen 1903 und 1905 jährlich im Durchschnitt 931 Waggons, die Spedition Bartz 144 Waggons.22 Anfang der 1920 er Jahre gerieten die Mühlenwerke in Schwierigkeiten und der Güterschuppen wurde aufgegeben. Der mit der Eröffnung der Ziedertalbahn vereinbarte Vertrag mit der Staatsbahn gab in den folgenden Jahren immer wieder Anlaß für Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung. Abb. 11: Unmaßstäbliche Skizze Kleinbahnhof Landeshut In einem Schreiben der Centralverwaltung an die Königliche Eisenbahn-Direktion Breslau, welches den handschriftlichen Vermerk „Reinkonzept“ aufweist und das Datum des 29. Septembers 1904 trägt, heißt es unter Bezugnahme auf §9 des erwähnten Vertrages von 1899: Wir haben daher die Bestimmung […] welche lautet: Die Zustellung und Abholung der beladenen und leeren Wagen erfolgt durch die Maschinen der Staatsbahn bezw. Kleinbahn nach und von den hierzu bestimmten Gleisen und in den vereinbarten Zeiten unentgeltlich. nur dahin auffassen können, dass die Übergabegleise die von uns angelegten Gleise 3 und 4 sind und sich das Übergabegeschäft auf diesen abwickeln wird. Tatsächlich findet die Übergabe aber nicht auf diesen Gleisen , sondern auf den Gleisen No. 3 und 4 am östlichen Ende des Staatsbahnhofes statt, während unsere Übergabegleise ganz und gar unbenutzt und zwecklos daliegen. Für die Kleinbahnmaschine erwächst nun die Aufgabe, nicht nur die von der Kleinbahn auf die Staatsbahn übergehenden Wagen auf dem östlichen Ende des Staatsbahnhofes zu übergeben, sondern auch umgekehrt die von der Staatsbahn auf die Kleinbahn übergehenden Wagen von dort abzuholen. Das bedeutet eine jedesmalige Fahrt zwischen den Zugpausen von 2x800=1600 m. Den Staatsbahnmaschinen erwächst aus dem Übergabegeschäft dagegen gar keine nennenswerte Arbeit. Ausserdem wird die Kleinbahnmaschine aber häufig noch nebenher zu verschiedenen, lediglich im Interesse der Staatsbahn liegenden Rangierbewegungen auf dem Bahnhof Landeshut verwandt. [Unterstreichungen im Original].23 Die weitere langjährige Entwicklung dieser Kontroverse wird hier nicht wiedergegeben. Letztlich ging es um die Höhe des Betrages, den die Ziedertalbahn zu zahlen hatte. Ein Nachtrag zu dem genannten Vertrag ist vom 14. 1. 1921. Anlaß war die „Elektrisierung“ des Bahnhofs Landeshut. Die Einrichtung eines elektrischen Zugbetriebes in Schlesien war ein bedeutender Schritt zur Entwicklung der Eisenbahntechnik, welcher leider schon wieder 1945 mit der Demontage der Fahrleitungen durch die Siegermacht rückgängig gemacht wurde. Bis dahin reisten die Schlesier in elektrischen Zügen oder sogar modernen Triebwagen zwischen Breslau Freiburger Bahnhof, Hirschberg, Görlitz und den Bahnhöfen des schlesischen Berglandes. Als Vertragspartner war an die Stelle der Königlich Preußischen Staatsbahn die Deutsche Reichsbahn getreten. Die Elektrisierung erforderte die Beseitigung der Freileitungen der Ziedertalbahn im Bahnhofsbereich und ihren Ersatz durch Erdkabel. Hierzu wurde vereinbart: Von der Bezahlung einer Gebühr für die Mitbenutzung des Kabels wird abgesehen, weil bei den gemeinschaftlichen Fernschreib- bzw. Fernsprechverbindungen die Unterhaltung des Morseapparates, des Fernsprechers usw. kleinbahnseitig erfolgt.24 Am 17. August 1921 wurde der elektrische Betrieb zwischen Ruhbank und dem Grenzbahnhof Liebau über Landeshut eröffnet. Im Jahr 1945 erhielten die Stadt und der Bahnhof den polnischen Namen Kamienna Góra Abb. 12: Zug der Ziedertalbahn in Landeshut um 1930. Am Schornstein verläuft die Leine der Seilzugbremse. Lokführer, Heizer und Zugführer haben sich vor der Lok 1 aufgestellt. Die Staatsbahn ist durch den Aufsichtsbeamten vertreten. 3.2. Die Haltestelle Klein-Zieder und die großen Zahlen
Als die Ziedertalbahn 1899 den Betrieb aufnahm, gab es die Haltestelle Klein-Zieder noch nicht. Die Stadtmitte von Landeshut und der Ortsteil Klein-Zieder waren vom Bahnhof durch den Fluß Bober getrennt. Alsbald traten zahlreiche Interessenten mit der Forderung nach Errichtung einer Haltestelle an der Kreuzung der Bahn mit der Landeshut-Liebauer Chaussee heran. Im März 1901 genehmigte der Regierungspräsident die Anlage einer Haltestelle und so hielten die Züge fortan in Klein-Zieder, allerdings in für den Bahnbetrieb ungünstigem Terrain. Ein Haltestellengebäude wurde nicht errichtet, da die Züge unmittelbar vor dem Gasthaus standen. Zum 1. Oktober 1923 ordnete die Centralverwaltung den Wegfall des Haltes in Klein-Zieder für die Züge 7 und 8 an sowie die Beendigung des Fahrkartenverkaufes in der Bahnhofswirtschaft. Zu den Protesten gegen diese Einschränkungen, unter anderem durch den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, nahm die Centralverwaltung Stellung. In einem Schreiben vom 23. Oktober 1923, welches einen bezeichnenden Blick auf die Zeitumstände erlaubt, heißt es: […] Die ersten 5 Betriebsmonate des laufenden Rechnungsjahres schliessen hiernach mit einer Unterbilanz in Höhe von 4000 Milliarden Papiermark ab. Das ist an sich vollauf erklärlich, wenn man sich vorstellt, dass wir seit einer Reihe von Monaten unsere wichtigsten Betriebsmaterialien und Stoffe, wie Kohle, Öl, Eisen und Holz in Goldmark bezahlen müssen, während unsere Betriebseinnahmen auf Tarifen fussen, die bisher um tausende von Prozenten hinter der laufenden Geldentwertung zurückgeblieben sind. […].25 An anderer Stelle heißt es zur Haltestelle Klein-Zieder: Es ist daher für die Beurteilung unserer Massnahmen wegen Einschränkung des Anhaltens der Züge auf Kl. Zieder von wesentlicher Bedeutung, dass wir auf Erfordern nachzuweisen vermögen, dass schon allein der Kohlenverbrauch bei einem 1-maligen Anhalten und Abfahren 1 Zuges in Klein-Zieder heute mit einem völlig unproduktiven Aufwand von 370 Millionen Mk. verknüpft ist. Es erwachsen uns daher schon allein durch das im jetzigen Fahrplan vorgesehene Anhalten der 3 Züge 1, 5 und 6 täglich [Unterstreichung im Original] allein für Kohlen rund 1. 110.000.000 Mk. Kosten, die blanke Verluste für uns darstellen.26 Abb. 13: Haltestelle Klein-Zieder. Erkennbar ist die Neigung, in welcher der Zug steht. Wartesaal u. Fahrkartenausgabe im Gasthaus. In der zweiten Jahreshälfte 1924 war die Inflation abgeklungen. Der Bahnhofswirt von Klein-Zieder Friedrich Huhn wandte sich also an die Bahn mit der Bitte, die alten Verhältnisse wiederherzustellen. Im Schreiben vom 3. November 1924 antwortete ihm die Centralverwaltung: Auf Ihr Gesuch vom 15. 10. 24 erwidern wir Ihnen, dass wir uns angesichts der wieder eingetretenen stabilen Verhältnisse bereit erklären, Ihnen vom 1. Dezember 1924 ab den Fahrkartenverkauf auf der Haltestelle Klein-Zieder wieder zu übertragen. Für diese Tätigkeit erhalten Sie monatlich 3 Mark durch die Bahnverwaltung Schömberg ausgezahlt. Für Beleuchtung des Bahnsteigs erhalten Sie wie bisher 2,50 Mark monatlich während der Monate, an denen tatsächlich eine Beleuchtung erforderlich ist. […].27 Wie handschriftliche Fußglossen zeigen, stieg die Vergütung für den Fahrkartenverkauf zum 1. 1. 1926 auf 5 Mark und am 1. Oktober 1940 auf 10 RM. Außerdem erhielt der Bahnhofswirt vom 1. Oktober an 1 t Kohlen als Heizkostenzuschuss zur Beheizung des Gastraumes, der als Wartesaal diente. Im Jahr 1945 erhielt die Station den polnischen Namen Czadrówek Abb. 14: Haltestelle Klein-Zieder. Zustand im Oktober 2016 3.3. Die Haltestelle Ober-Zieder
Haltestelle Oberzieder. Dieselbe befindet sich etwa 230 m von der Landstraße entfernt, von woher sie ihren Zugang erhält. An Gleisen ist für diese Haltestelle ein vollständiges Ausweichgleis im Abstand von 4,50 m zum Hauptgleis vorgesehen. Die...