Brandstetter | Lebensreise | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Brandstetter Lebensreise


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7017-4647-7
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-7017-4647-7
Verlag: Residenz
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In seiner "Lebensreise" erzählt Alois Brandstetter von seinem Werdegang als 7. Kind eines Müllers und Bauern, das seinen Weg in Wissenschaft und Literatur fand. Doch tritt er diese "Wallfahrt" in die Vergangenheit mit einem Augenzwinkern an: Szenen und Bilder aus seiner Kindheit und Jugend in der oberösterreichischen Provinz wechseln mit humoristischen Betrachtungen des modernen Lebens und Eindrücken oder Begegnungen des begeisterten Lesers Alois Brandstetter. Eine Reise auf den Spuren seines Namenspatrons, des Heiligen Aloysius, gibt den Rahmen für diese sehr persönlichen, lebendig erzählten Erinnerungen.

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Wallfahrt,
oder Werdegang und Lebenslauf Als ich im Jahr 1974 von Saarbrücken nach Klagenfurt kam, einem Ruf auf den Lehrstuhl »Deutsche Philologie unter besonderer Berücksichtigung der Didaktik« an die junge Hochschule für Bildungswissenschaften folgend, suchte ich alsbald den Kontakt mit dem damaligen Hochschulseelsorger oder »Studentenpfarrer«, dem Theologen Karl Matthäus Woschitz, der später Ordinarius in Graz wurde und als hochgelehrter Mann mit bedeutenden Publikationen wie dem Buch »Elpis« (Hoffnung) heute großes Ansehen genießt. Der polyglotte, aus St. Margareten im Rosental gebürtige Kärntner Slowene wunderte sich ein wenig über den neuzugezogenen Germanisten und sagte lachend zu mir, ich würde als Neuling in Kärnten bald erfahren, daß in diesem Land ein starker Antiklerikalismus herrsche. Es gelte: »Religio pudendum est!«, Religion sei hier öffentlich »verpönt«. Der 2011 verstorbene slowenische Dichter und Philosophielehrer am Slowenischen Gymnasium in Klagenfurt/Celovec Janko Messner wunderte sich übrigens, daß ein Schriftsteller wie ich nach Kärnten (und Österreich) übersiedelt und sich hier niederläßt, wo doch bekanntlich Autoren von Rang eher von hier wegstreben, nach Graz, Wien oder gleich ins Ausland, nach Deutschland wie Elfriede Jelinek, Italien wie Ingeborg Bachmann oder nach Frankreich wie der nunmehrige Nobelpreisträger Peter Handke. Messner nannte die entsprechenden bekannten Namen … Auf Gert Jonke, Josef Winkler und Egyd Gstättner, die hiergeblieben sind, hat er vergessen … Für Religiosität müsse man sich also schämen? »Verschämtes« Christentum? Ratlose Religiöse? Religiosität gilt im Sinne Sigmund Freuds und der Psychoanalyse als »Wahn«, dem Marxismus-Leninismus war Religion bekanntlich »Opium des Volks« … Beim Wiener Philosophen Friedrich Kainz habe ich in Vorlesungen gehört, daß die unsterbliche Seele eine »katathyme Konzeption« sei, also eine unhaltbare Annahme, ein Wunsch vielleicht. In den Fremdwörterbüchern wird katathym mit »affekt-, vorstellungs- und wunschbedingt« erklärt. Bertolt Brecht schließlich ist sich sicher: »Ihr werdet sterben wie die Tiere, und es kommt nichts nachher.« Den Verhaltensforscher Konrad Lorenz habe ich im Saarländischen Rundfunk in einem Interview sagen gehört, die Vorstellung eines »persönlichen Gottes« halte er für einen »Frevel«! Frevel bedeutet »schweres Vergehen gegen ein ehernes Gesetz«, in der Sprachgeschichte konnotierte das Wort als Adjektiv aber einst durchaus auch positiv, als »kühn, mutig«. Ein Frevler ist ein schneidiger Draufgänger … Dem Verhaltensforscher wird das an sich veraltete Wort wohl auch aus der Forstwirtschaft geläufig gewesen sein, die von Wald-, Wild- oder Jagdfrevel spricht … Konrad Lorenz war als Professor in Königsberg auch ein später Kollege des Immanuel Kant und wird wohl mit dem Aufklärer, dem Verfasser von »Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft«, weitgehend übereingestimmt haben. Und über die Metaphysiker dachte Kant, sie seien Denker, die Ochsen melken und ein Sieb darunter halten! Aude sapere! Hab Mut zum Denken und begnüge dich mit dem, was man wissen kann: Bleibt letztlich wirklich nur der Ausweg, den die (irrtümlich) Quintus Septimus Florens Tertullian zugeschriebene Phrase »Credo quia absurdum est« nahelegt? Und: »Contra spem sperare«, »Gegen alle Hoffnung hoffen«? Soll man sich nach der Lektüre der reichen, umfangreichen, religions- und kirchenkritischen Literatur von Immanuel Kant über Baruch de Spinoza und seinen »Tractatus theologico-politicus« bis hin zu Ernst Topitsch, der mit seiner Weltanschauungsanalyse und Ideologiekritik, dem Buch »Vom Ursprung und Ende der Metaphysik«, großes Aufsehen und Widerspruch erregte, »einschüchtern« lassen? Vor allem mein Freund Fridolin Wiplinger, Topitschs Kollege – und Konkurrent – am Philosophischen Institut der Universität Wien, Bewunderer von Martin Heidegger und von dessen Existenzialphilosophie, hat sich auf einer »Wallfahrt«, die wir gemeinsam mit dem Hochschulseelsorger Karl Strobl im Opel der Hochschulgemeinde unternommen haben und von der noch die Rede sein soll, in langen Monologen heftig gegen Topitschs Thesen ausgesprochen und Luft gemacht. Die Zeiten seien wohl so oder so vorbei, als man die Philosophie für eine »ancilla theologiae«, eine Magd der Theologie, gehalten hat. Diese Zumutung beantwortet der Philosoph mit »Non serviam«. Doch man muß deshalb nicht gleich an Luzifer und den Höllensturz denken! Ich bin Ernst Topitsch einmal frühmorgens auf dem Weg zu meinem Rigorosum bei Erich Heintel begegnet, ohne gleich zu wissen, mit welcher Koryphäe ich es bei diesem immer ein wenig grinsenden, verschmitzten Mann mit rosigem, rundem Gesicht und sorgfältig gescheiteltem, spärlichem Haar zu tun hatte, der stets in altmodischer Kleidung und mit schwarzen Ärmelschonern auftrat. Ich hielt ihn für einen Pedell oder allenfalls einen Bibliothekar oder Beamten … Und natürlich wußte ich nicht, daß mein »Gesprächspartner« – es ging nur um Organisatorisches und Raumfragen für mein bevorstehendes Rigorosum – der Mann war, der als Assistent von Alois Dempf Ingeborg Bachmann ihr (erstes) Dissertationsthema vorgeschlagen und die Arbeit betreut hat: »Der Heilige bei Conrad Ferdinand Meyer, Friedrich Nietzsche und Jacob Burkhardt«. Daß sich Bachmann als ersten »Doktorvater« für Alois Dempf, den als katholisch-liberal geltenden Philosophen entschieden hat, hat neben theoretischen Gründen – der Sympathie für seine Philosophie in der Tradition des »logischen Empirismus« – aber auch mit der aufrechten, eben nicht »rechten« oder konservativen politischen Gesinnung Dempfs zu tun, der in der Zeit des Nationalsozialismus in der inneren Emigration lebte und Verbindung zur Widerstandsgruppe der »Weißen Rose«, vor allem zum 1943 hingerichteten Willi Graf hatte. Ernst Topitsch sah sich selbst durchaus auch in der Nachfolge des auf Ernst Mach zurückgehenden »Wiener Kreises«, auch Moritz Schlicks, der in der Universität von einem seiner Dissertanten wegen seiner antimetaphysischen Philosophie, die diesem Studenten sein geistiges Weltanschauungsfundament zerstört habe, erschossen wurde. Oft bin ich während meiner Wiener Studienzeit (1957–1962) auf der »Philosophenstiege« des Hauptgebäudes der Wiener Universität über jene Stelle hinweggeschritten, wo sich heute die Gedenktafel befindet, die an das unerhörte Ereignis des 22. Juni 1936 erinnert … Bei allem Abscheu für die fanatische Untat des Mörders Hans Nelböck aus Lichtenegg bei Wels in Oberösterreich hatte ich doch auch ein gewisses Verständnis für die weltanschaulichen Nöte eines jungen Menschen vom Land, dem an der Universität durch kalten Rationalismus und Positivismus sozusagen sein naiver Kinderglaube ausgetrieben wurde … Alois Dempf hatte hochbegabte Studentinnen und Studenten – wie zum Beispiel Ingeborg Bachmann. Einer seiner geistesverwandten Studenten war Hermann Krings, Vertreter der sogenannten Transzendentalphilosophie, dessen Schüler und Assistent wiederum Hans Michael Baumgartner war. Hermann Krings war zu meiner Saarbrücker Zeit Rektor der Universität des Saarlandes. Einer seiner aus München mitgekommenen Studenten war Christoph Wild, später langjähriger Geschäftsführer des Kösel-Verlags, erfolgreicher Geschäftsmann mit christlich-sozialer Gesinnung. Ein begnadeter Rhetor, der etwa bei den Verleihungen des Geschwister-Scholl-Preises aufsehenerregende Reden gehalten hat. Unter den bekannten Namensträgern des Taufnamens Alois ist nach Alois Alzheimer und anderen natürlich auch Alois Dempf angeführt. Nun weiß ich nicht, lieber Prinz Aloysius, ob Dempf mit seinem Vornamen zufrieden war oder ein Problem damit hatte. Man kann aus dieser Namenswahl auf ein christliches oder christkatholisches Elternhaus schließen. Denn der Name Alois ist gewissermaßen auch ein Programm und ein Bekenntnis. Er wurde nur im katholischen Süden nach deiner Heiligsprechung im Jahr 1726 oft als Taufname verwendet. Und er war in der Gegenreformation fast ein Kampfname gegen den Protestantismus. Man kann freilich aus Namen nicht immer linear auf die Weltanschauung oder Gesinnung des Namensträgers oder der Namensgeber schließen. Herbert Eisenreich erwähnt in einer Erzählung über den Spanischen Bürgerkrieg einen besonders brutalen Kombattanten und Kommandanten, der mit Vornamen Jesus heißt. Die Spanier und mit ihnen die spanischsprechenden katholischen Länder Südamerikas kennen oder kannten ja keine Scheu vor diesem »Namen, der über allen Namen« ist. Ich habe einmal geschrieben, daß ich mit deinem, meinem Namen, lieber Namenspatron, schon deswegen zufrieden bin, weil im Dezember 1938 viele Adolfs und Hermanns getauft oder diese Namen von...


geboren 1938 in Pichl (Oberösterreich), lehrte als Professor für Deutsche Philologie an der Universität Klagenfurt. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Kulturpreis des Landes Oberösterreich 1980, Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig 1984, Kulturpreis des Landes Kärnten 1991, Adalbert-Stifter-Preis und Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich (2005). Zuletzt erschienen: "Zur Entlastung der Briefträger" (2011), "Kummer ade!" (2013), "Aluigis Abbild" (2015), zum 80. Geburtstag "Lebenszeichen" (2018), Lebensreise (2020).



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