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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Brandstetter Aluigis Abbild

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-7017-4509-8
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit Sprachwitz und unerschöpflicher Neugierde macht sich der Autor Alois B. auf die Suche nach seinem Namenspatron Aloysius. Fündig wird er im italienischen Mantua an der Wende vom 16. zum 17. Jh. Der äußerst keusche und jung verstorbene Aluigi ist soeben seliggesprochen worden und seine Mutter bemüht sich um ein Porträt für den neuen, ihm gewidmeten Kirchenbau. Ausgerechnet der sinnenfrohe Rubens auf dem Höhepunkt seines Ruhms soll es malen, doch dieser lehnt ab und schlägt ein Wunderkind vor: den 19-jährigen, hochbegabten Van Dyck. Briefe gehen hin und her zwischen Mantua und Amsterdam - wird „Aluigis Abbild" zustande kommen? Vielleicht nicht als Porträt, jedoch gewiss als bezaubernde historische Fantasie aus Brandstetters Feder…
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1.
DONNA MARTA TANA DI SANTENA SCHREIBT
EINEN BRIEF AN DEN MALER PETER PAUL RUBENS
UND BITTET UM EIN BILDNIS IHRES VERSTORBENEN,
SELIGGESPROCHENEN SOHNES ALOYSIUS GONZAGA
FÜR DAS NEUE HEILIGTUM IN CASTIGLIONE Donna Marta Tana di Santena war die Witwe nach dem Markgrafen Don Ferrante Gonzaga in Castiglione delle Stiviere und Mutter von sieben Kindern, Mutter des bis 1616 regierenden Markgrafen Francesco Gonzaga und seines Vorgängers, des ermordeten Ridolfo Gonzaga, und seines am 21. Juni 1591 in Rom verstorbenen Bruders Aloysius. Sie schrieb 14 Jahre nach der Seligsprechung ihres Erstgeborenen und Lieblingssohnes Aloysius, den sie liebevoll Aluigi nannte, im Jahre 1619 durch Papst Paul V. einen Brief an den hochberühmten Maler und Diplomaten, Messer Peter Paul Rubens, um ein ritratto, um ein Bildnis also ihres Sohnes Aloysius von seiner »begnadeten Hand« ersuchend. Sie wandte sich also an den ehemaligen Hofmaler, pittore di corte, beim Vetter ihres verstorbenen Gatten, dem Herzog Don Vincenzo Gonzaga in Mantua, und erwähnte auch, wie sie in jener Zeit wiederholt Gelegenheit gehabt hatte, mit Seiner Excellenz Messer Rubens zu sprechen, ihrem Gedächtnis nach auch einmal über ihren heimgegangenen frommen Sohn Aloysius, dessen Ruhm nach seinem frühen Tode im Collegio der Gesellschaft Jesu in Rom durch viele Gebetserhörungen und unerhörte Wunder innerhalb eines Jahrzehnts ins Unermeßliche gewachsen sei. Rubens habe wohl selbst in seiner Mantovaner Zeit oft von Aloysius sprechen gehört und auch später in seiner flandrischen Heimat, wenn auch aus der Ferne, manches über ihn, sein heroisches Leben und seinen frühen Tod erfahren? Ein solches ritratto, ein Gemälde des jungen, seliggesprochenen Aloysius von des reifen Meisters Hand sollte über einem Seiten-, später vielleicht – nach der sicherlich in naher Zukunft erfolgenden Heiligsprechung – über dem Hauptaltare eines Aloysio-Santuario in Castiglione delle Stiviere seinen gebührenden Platz finden und die gläubigen Verehrer in ihrer Andacht seelisch erbauen und zu ihm aufblicken lassen. Ein solches Bildnis, das die seelenvollen Gesichtszüge ihres Sohnes Aloysius wiedergebe, wäre ihrem Verständnisse nach in seiner geistlichen Bedeutung durchaus der Kostbarkeit und dem Werte der Reliquien ihres Sohnes, um die sich so viele Kirchen im Abendlande neuerdings bemühen, an die Seite zu stellen, gleichzusetzen, wenn nicht sogar höher zu achten. Über dem Altare, in dessen Schrein das der Kirche seines Heimatortes Castiglione vom Jesuitenorden in Aussicht gestellte und versprochene Haupt des Aloysius ruhen werde, abzüglich der unteren Kinnlade, welche nach Neapel gehen solle, möge schließlich sein Bildnis, gemalt von der begnadeten Hand des Meisters Peter Paul Rubens, prangen! Donna Marta Tana schrieb, sie werde zu ihrer Bitte an den verehrten Meister dadurch incorraggiato, »ermutigt«, daß sie wisse, daß Messer Rubens gerade dem Orden der Compagnia di Gesù, der »Gesellschaft Jesu«, dem auch ihr geliebter Sohn als Novize angehört habe, durch unvergleichliche Werke in der Mantovaner Jesuitenkirche und in den beiden Antwerpener Kirchen der Gesellschaft Jesu, und vor allem aber in Rom, in der Hauptkirche der Jesuiten El Gesù selbst, so überzeugend gedient habe und immer noch diene. Neben dem spanischen Ordensgründer Ignatius von Loyola und dem mit gutem Rechte als »Völkerapostel« bezeichneten Indienmissionar Franciscus Xaverius, Societatis Jesu, den beiden überragenden Gründer- und Apostelgestalten, denen Rubens Altarblätter von in jeder Hinsicht unvergleichbarer Qualität gewidmet und geweiht habe, sei es sicher nicht vermessen, ihrem heiligmäßigen, seligen Sohne in Anerkennung seines heroischen christkatholischen Lebens eine ähnliche Huldigung durch Messer Rubens zu wünschen. Zwar sei ihr Sohn, verglichen mit dem Gründer des Ordens der Gesellschaft Jesu Ignatius von Loyola und dem Missionar Franciscus Xaverius, mit seinen nur 23 Lebensjahren, die er auf Erden bis zu seinem seligen Ende gelebt habe, ein Jüngling gewesen und geblieben, der sein Noviziat als Scholastiker in Rom nicht mit der Krönung durch die Priesterweihe abschließen habe können, aber sein kurzes Leben sei gleichwohl randvoll und erfüllt von religiösen Ruhmestaten der Askese und der Nächstenliebe gewesen, die einer Darstellung durch Europas bedeutendsten lebenden Kunstmaler wohl würdig seien. Schließlich habe sich Aloysius im Dienste an den Pestkranken bruciato, wie sie sich in ihrer Piemonteser Muttersprache ausdrückte, also »verzehrt« und sei in jungen Jahren ebenfalls an der schrecklichen Seuche verstorben. Donna Marta Tana schrieb, sie nehme an und sei sicher, daß Messer Rubens auch durch seine Mantovaner Freunde, mit denen er sich auf einem sogenannten »Freundschaftsbilde« dargestellt habe, über den Lebensweg ihres geliebten Sohnes unterrichtet und in Kenntnis gesetzt sei, sie sei selbst aber jeder Zeit bereit und willens, zusätzlich genaueren Bescheid über die näheren Umstände seines Lebens und seines Todes zu geben und, wenn dies nötig sei, eine freilich beschwerliche Reise nach den Niederen Landen anzutreten. Sie sei indessen nur eine schwache Frau, von der wohl niemand einen Parforceritt von Castiglione nach Gent oder Antwerpen erwarten dürfe, ähnlich jenem, den Meister Rubens, zum Staunen ganz Europas, neulich in politischer Mission in 17 Tagen von Brüssel nach Madrid zurückgelegt habe, wie sie mit Bewunderung erfahren habe … Vielleicht sei es dann, wenn der Meister der Bitte nachkommen und ans Werk schreiten wolle, möglich, Papiere, Dokumente und Unterlagen, auch Bücher und Lebensbeschreibungen ihres geliebten Aluigi, sofern sie in Antwerpen oder Leuwen nicht schon vorhanden seien, per Extrapost dorthin expedieren zu lassen. Das gelte auch für Bilder und Stiche nach bereits von anderen Malern angefertigten Ölgemälden. Donna Marta Tana wörtlich: »Als Ihr, Messer Rubens – der um acht Jahre Jüngere im Vergleiche mit meinem Erstgeborenen –, Hofmaler in Mantova wart, war er bereits verstorben. Doch haben Excellenz Rubens sicher im Castello di Mantova Spuren meines Sohnes, der dortselbst wie auch im toscanischen Florenz bei den Medicis, wie auch vor allem in Madrid bei König Philipp Page gewesen war, entdecken können?« Es gebe ein Bild ihres Aloysius von seinem, Rubens’, Landsmann, Kollegen und Vorgänger im Amte des Mantovaner Hofmalers, dem Flamen Jan Pourbus, und es gebe natürlich das mit Recht sehr gerühmte Bildnis des auch von ihm, Rubens, so verehrten Paolo Cagliari aus dem benachbarten Verona, den sie darum gern »Veronese« nennen, dessentwegen wie auch Tizians wegen er, Rubens, wie man höre, ja seinerzeit nach Italien gereist und gezogen sei, um von den Werken jener Zelebritäten zu lernen. Von Veronese stamme das früheste Bild ihres Sohnes, das jener 1528 in Verona geborene und 1588 in Venedig verstorbene Meister im Jahre 1585 gemalt habe, als ihr Sohn 17 Jahre alt gewesen sei. Dieses ritratto sei natürlich besonders wertvoll, weil es nach der Natur aus intimer Personenkenntnis gemalt sei, weil Veronese, dem Hause Gonzaga in Mantua tief verbunden, mit dem Pagen Aloysius im Castello Frederico Gonzagas bekannt, ja trotz des Altersunterschiedes befreundet gewesen war. Das Bild zeuge auch von einer großen Empathie und Wertschätzung des alten Malers für den jungen Prinzen. Veroneses Bildnis sei aber nur ein kleines ovales medaillonartiges Brustbild und würde sich, auch wenn es zu erwerben wäre, nicht als Hochaltarbild für das Sanctuarium eignen. Es ist nach England gelangt und ist dort bei London in der Königlichen Sammlung in Windsor Castle ein viel bewunderter, unveräußerlicher Schatz. Es gebe aber von diesem Gemälde Kopien im Kupferdruckverfahren, von denen eine vielleicht auch Rubens bei seiner Arbeit, wenn er sich ihrer annehmen wollte, als Vorlage behilflich sein könnte? Nun habe Rubens aber alle seine Vorbilder überlebt und weit überflügelt. Die alten Meister seien alle in die Ewigkeit hinübergegangen, Tiziano Vecellio übrigens im Jahre des Herrn 1576, gerade ein Jahr vor Meister Rubens’ Geburt, Aloysius sei damals gerade acht Jahre alt gewesen. Sie wolle sich niemals zur Kunstrichterin und Beurteilerin von Kunstwerken aufwerfen, es sei aber doch jedermann und auch Laien evidente, »einsichtig«, daß die großen Meister Italiens, Buonarotti, Santi, Paolo Cagliari, genannt »Veronese«, Jacopo Robusti, den sie »Tintoretto« nennen, Tiziano Vecellio und wie sie alle geheißen, keine gleichbedeutenden Nachfolger in der Toscana, in der Emilia Romagna, in Umbrien, in der Lombardia, in Ligurien oder in Venezien gefunden hätten. Diese müsse man...


Alois Brandstetter, geboren 1938 in Pichl (Oberösterreich), lehrte als Professor für Deutsche Philologie an der Universität Klagenfurt. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Kulturpreis des Landes Oberösterreich 1980, Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig 1984, Kulturpreis des Landes Kärnten 1991, Adalbert-Stifter-Preis und Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich (2005). Zuletzt erschienen: "Zur Entlastung der Briefträger" (2011), "Kummer ade!" (2013).


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