E-Book, Deutsch, Band 20, 120 Seiten
Reihe: Proxima
Boom Sternkreuzer Proxima - Im Zeitsturm
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7394-2
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Folge 20
E-Book, Deutsch, Band 20, 120 Seiten
Reihe: Proxima
ISBN: 978-3-7517-7394-2
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dirk van den Boom (geboren 1966) hat bereits über 100 Romane im Bereich der Science-Fiction und Fantasy veröffentlicht. 2017 erhielt er den Deutschen Science Fiction Preis für seinen Roman "Prinzipat". Zu seinen wichtigen Werken gehören der "Kaiserkrieger-Zyklus" (Alternative History) und die Reihe "Tentakelkrieg" (Military SF). Dirk van den Boom ist darüber hinaus Berater für Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik und Sozialpolitik sowie Professor für Politikwissenschaft. Er lebt mit seiner Familie in Saarbrücken.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1
»Das ist eine schlimme Gegend«, sagte Vince und wiederholte damit den Satz, den Ark gerade geäußert hatte. Sie schüttelte innerlich den Kopf. Vara hatte sie gewarnt. Der Mann war ein disziplinierter Soldat und hatte Fachkompetenz, aber seit er die Position des Ersten Offiziers vertreten hatte, bestand seine Arbeit vornehmlich darin, Ark in den Hintern zu kriechen. Als Vara wieder als Stellvertreter Arks fungierte, war Vince etwas in den Hintergrund getreten, hatte die erhoffte Dienststellung des Zweiten Offiziers nicht einnehmen dürfen – Alban Simeon zu ersetzen, kam Ark niemals in den Sinn –, sondern war auf seine Fachqualifikation als Navigationsoffizier zurückgeworfen worden. Er war gut, in dem was er tat, aber dermaßen von heiligem Ehrgeiz besessen, dass es mitunter richtig unangenehm wurde. Arks Sätze wie ein Papagei nachzuplappern gehörte zu diesen unangenehmen Angewohnheiten. Sie würde ein ernstes Wort mit ihm reden müssen. Oder auch nicht. Der Blick, den Pilotin Espinoza Vince zuwarf, war ebenfalls von heiligen Emotionen erfüllt, es waren jedoch keine positiven. Es war gut möglich, dass die Frau ein Gespräch mit ihm führte, ohne jede Angst vor Degradierungen – ihre Akte bestand ja nur daraus – oder anderen Bestrafungen. Jedem war bekannt, dass Ark große Stücke auf Espinoza hielt und ihr vieles durchgehen ließ, weil sie die Proxima bei ihr in sicheren Händen wusste. Die Pilotin nutzte das nie aus. Aber sie würde mit Vince reden, und das würde ihm keine Freude bereiten. Ark beschloss also, erst mal abzuwarten. Manchmal war es das Beste, der Natur einfach ihren Lauf zu lassen. Es war immer noch schwierig genug, mit ihrem neuen Ruhm zurechtzukommen. Die Medien waren in einer Zeit des Umbruchs weiterhin auf der Suche nach Lichtgestalten. Und da Ark alle Anfragen nach Interviews und Stellungnahmen kategorisch ablehnte, benutzte man auf den diversen Kanälen all die Aufnahmen, die sie nicht hatte verweigern können. Sie wurde medial recycelt, und was dabei herauskam, war nicht immer genießbar. Kürzlich hatte man Schulkameraden von ihr aufgesucht, an die sie sich kaum erinnern konnte, die aber die Gelegenheit genutzt hatten, relativ absurde Kindheitserinnerungen zum Besten zu geben, deren Wahrheitsgehalt nicht allzu belastbar war. Ark dementierte nichts. Sie hatte anfangs den Drang dazu verspürt, aber man hatte ihr aus berufenem Munde davon abgeraten. Dementis führten zum Gegenteil des beabsichtigten Effekts, außer es handelte sich um wirklich wichtige Dinge und Autoritäten stellten sich hinter einen – und selbst dann konnte es leicht nach hinten losgehen. Schweigen war Gold. Und daher kommentierte sie auch an Bord ihres Schiffes nur noch, was sich nicht von selbst regelte. Sie schaute Espinoza an. Hier würde es sich von selbst regeln, da war sie zuversichtlich. »Das ist der Weg. Wir können fast direkt hinspringen, da bin ich mir sicher«, sagte Espinoza. »Es ist das Outback. Wir müssen nirgends anhalten und uns umschauen. Da ist nichts von Bedeutung.« »Ein wenig umschauen müssen wir uns schon«, bremste Ark ihren Enthusiasmus. Alle drei standen sie über den elektronischen Kartentank der Proxima gebeugt. Der Kurs war eingezeichnet, alle kartografischen Daten, die bekannt waren, ebenso. Das Problem war: Der angebliche Herkunftsort allen Übels befand sich wirklich weit draußen. Wenn etwas schiefging, war Hilfe weit entfernt. Natürlich konnte Ark ein ganzes Geschwader anfordern, doch Admiral Hansen hatte ihr davon eher abgeraten. Die Flotte war im Umbruch, und keiner wusste, wie viele Offiziere noch – wissentlich oder unwissentlich – für den mysteriösen Gegner arbeiteten. Tempora tenebris. Dunkle Zeiten. Das war wirklich so. Die ganze Struktur der Republik war erschüttert, und sie musste sich erst wieder neu finden. Die Flotte bildete da keine Ausnahme. Also kein Geschwader. Aber auch kein überstürztes Hineinstürmen. »Wir werden außerhalb des Systems rausgehen und erst mal alles scannen«, sagte sie. »Ich werde nicht einfach da reinfliegen. Wir haben es mit Leuten zu tun, die über Jahrzehnte beträchtliche Ressourcen aufgebracht haben. Ich gehe davon aus, dass ihre Basis gut geschützt ist, möglicherweise besser, als es uns lieb sein kann. Vielleicht muss ich um Hilfe rufen. Dann wäre es aber gut, wenn ich das auch könnte und nicht bereits inmitten von Trümmern durchs All schwebe.« Sie zeigte auf einen Punkt, rund eine Astronomische Einheit außerhalb der Bahn des äußersten der fünf Planeten ihres Zielsystems. »Da ungefähr würde ich gerne ankommen.« »Ich kann den Kurs anpassen, aber wenn wir einen so langen Sprung machen, sind Ungenauigkeiten vorprogrammiert. Wenn wir einen Zwischenstopp …«, sagte Vince. »Das verstehe ich gut, aber Sie sagten es ja selbst: Das ist eine schlimme Gegend. Systeme auf dem Weg dorthin sind Piratennester und Stationen wie Pendulum, nur kleiner, noch mehr heruntergekommen und oft sehr verzweifelt. Wir wollen jetzt direkt nah an das Ziel herankommen. Es ist wichtig, dass wir nicht aufgehalten werden. Wenn uns die Ereignisse auf Halterman III eines gelehrt haben, dann, dass es überall brennt, selbst dort, wo man es eigentlich nicht erwartet.« Sie sah Espinoza an, die nur genickt hatte. »Ein langer Sprung. Ich möchte, dass Sie beide sich über die Kursparameter einig sind. Striktes Vier-Augen-Prinzip. Sie legen mir die endgültigen Koordinaten vor. Aber wir bleiben am Rand des Systems.« Es wurde recht zackig salutiert aufseiten von Vince, während Espinoza nur lässig die Hand hob. Beide wandten sich ab. Sie würden ihre Arbeit tun und ansonsten … nun, wie gesagt, die Natur würde ihren Lauf nehmen. Ark setzte sich auf ihren Sessel. Die Zentrale der Proxima hatte sich mit den letzten Umbauten verändert, und Ark hatte noch nicht das gleiche Gefühl der Vertrautheit entwickelt wie beim vorherigen Design. Sie sah auf, als Simeon eintrat, und runzelte die Stirn. »Sie sind früh dran. Ihre Schicht beginnt erst in einer Stunde«, begrüßte sie ihn lächelnd. Simeon erwiderte das Lächeln nicht. Er wirkte angespannt. »Ich wollte Sie kurz sprechen, Captain. Vielleicht privat?« Ark war etwas verwundert, sah aber absolut keinen Grund, dem jungen Mann die Bitte abzuschlagen. Bevor der Kreuzer beschleunigte, war für sie ohnehin nichts mehr auf der Brücke zu tun. Sie zeigte auf den Eingang ihres kleinen Dienstraums und erhob sich. »Nach Ihnen! Dort können wir in Ruhe reden.« Simeon folgte ihr, und Ark deutete nun auf die Sitzgelegenheiten. Sie nahmen Platz. Auf ihrem Schreibtisch lag ein Stapel Dokumente, eine altmodische Sache im digitalen Zeitalter. Der spezielle Drucker in ihrer Kabine produzierte nur dann Papier, wenn es sich um hochoffizielle Unterlagen handelte: Beförderungen, Belobigungen, ehrenvolle Entlassungen und Todesurkunden. In dem kleinen Stapel fanden sich Beispiele der ersten drei Kategorien, keine der letzten. Das Plastikpapier hielt ewig, es widerstand Witterung und Vakuum. Ihre eigene Ernennungsurkunde von der Akademie, ihr Offizierspatent, hing altmodisch eingerahmt an der Wand. Es war nicht mal ein bisschen angegilbt, obgleich es schon einige Jahre dort platziert war. Ark sah Simeon erwartungsvoll an. Sie hielt große Stücke auf ihn, hatte ihn wachsen sehen, dabei beobachtet, wie er schwierige Situationen gemeistert hatte. Eines Tages würde er die Proxima verlassen müssen, um seine Karriere fortzusetzen, und wenn er dereinst ein eigenes Schiff kommandierte, würde er dafür durchs Feuer gegangen sein, möglicherweise noch mehr als sie selbst zu ihrer Zeit. Wenn er etwas auf dem Herzen hatte, nahm sie es besonders ernst. Simeon räusperte sich. Er schien ein wenig nach Worten zu suchen, denn er stockte, bis er endlich loslegte. »Captain, ich glaube, wir begehen einen großen Fehler.« Ark nickte. »Das wäre nicht das erste Mal. Aber was genau meinen Sie?« »Diese Mission.« Simeon beugte sich nach vorne. Er machte jetzt einen konzentrierten und bedachten Eindruck, wählte seine Worte offenbar genau aus. »Captain, wir wissen zu wenig über das, was uns dort erwartet. Wir sind nicht gut genug auf Eventualitäten vorbereitet. Wir müssen erst weitere Daten sammeln und Erkundigungen einziehen. Der Geheimdienst sollte mit ins Boot genommen werden – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie haben mir von Ihren Gesprächen mit dem Agenten Cort berichtet. Er sollte nicht nur bei uns sein, er sollte auch alles offenlegen, was seine Agenten herausgefunden haben.« Ark lehnte sich zurück. »Sie glauben, er verheimlicht uns etwas?« »Würde Sie das denn überraschen?« »Nein, ehrlich gesagt gar nicht. Aber nur auf der Basis einer Vermutung zu handeln, kann sehr riskant sein. Erinnern Sie sich an das, was auf Halterman III passiert ist. Das hätte auch böse ausgehen können, wenn sich unsere Schlussfolgerungen aus den spärlichen Hinweisen als irrig erwiesen hätten. Ich werde keinen Streit mit dem Geheimdienst vom Zaun brechen.« Simeon hob abwehrend die Hände. »Wer redet von Streit? Einladen, mitnehmen und bearbeiten. Jemand wie Cort wird doch irgendwann was Unbedachtes sagen, uns aus einer Laune heraus einen Hinweis geben in einem Moment der Unachtsamkeit. Mir missfällt die Idee ja auch, den eigenen Leuten nicht richtig zu vertrauen, aber wir haben doch gerade mit diesen Leuten unsere Erfahrungen gemacht.« Er betonte »diese Leute« so, dass Ark sich beinahe genötigt fühlte, ihn...