E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten
Reihe: Skogland
Jugendroman ab 12 Jahren über Intrigen, Macht und persönliche Kämpfe in einem sich wandelnden Reich
E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten
Reihe: Skogland
ISBN: 978-3-86274-047-5
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eigentlich ist alles perfekt: Das Königreich Skogland hat eine demokratische Regierung und Prinzessin Jarven besucht ein nobles Internat. Doch offenbar beobachtet eine Gruppe die Veränderungen mit Argwohn. Bald gibt es wieder Anschläge im Land. Es kommt zu Versorgungsengpässen und die Bevölkerung wird immer unzufriedener. Jarven, die mit den Erwartungen an sie als Prinzessin überfordert ist, wird zur Zielscheibe des öffentlichen Spotts. Als sie vermutet, dass ihre heimliche Liebe Joas mit ihrer größten Widersacherin Ylva anbandelt, läuft sie weg. Ihr plötzliches Verschwinden kommt den Putschisten gerade recht: Sie entführen Jarven, die schon bald in Lebensgefahr schwebt ...
Verrat in Skogland: Jarven in den Händen der Putschisten
- Spannung bis zur letzten Seite: Band 2 der fesselnden Jugendbuch-Reihe von Kirsten Boie für Kinder ab 12 Jahren.
- Brandaktuell: Der packende Fantasy-Thriller greift brisante Themen wie Krieg, Flucht und den Kampf um die Demokratie meisterhaft auf.
- Starke Hauptfigur: Prinzessin Jarven ist eine vielschichtige Heldin wider Willen, deren persönlicher Kampf und Mut inspirieren.
- Überarbeitete Neuausgabe: Band 2 der erfolgreichen Jugendbuch-Reihe "Skogland" von Bestseller-Autorin Kirsten Boie ist jetzt als hochwertige Klappenbroschur-Ausgabe erhältlich.
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1.
Sobald der Wecker auf seinem Handy brummte, war Joas wach, übergangslos, ohne Grauzone zwischen Schlaf und Tag, ohne Erinnerung an einen Traum. Fast lautlos schwang er seine Beine aus dem Bett und streifte sich die Sporthose über. Auf Zehenspitzen, die Laufschuhe in der Hand, schlich er zur Fenstertür, die auf die gewendelte Feuerleiter hinausführte. Einer seiner Zimmerkameraden drehte sich mit einem leisen Seufzer auf die andere Seite und Joas erstarrte in der Bewegung. Sie hatten noch genau fünfundvierzig Minuten bis zum Wecken, die anderen würden ihn erschlagen, wenn er ihnen diesen letzten Schlaf stahl. Die Metallstufen unter seinen bloßen Sohlen vertrieben auch den letzten Rest von Morgenmüdigkeit. Es fällt mir von Tag zu Tag leichter, dachte Joas und schnürte sich auf der untersten Stufe die Schuhe zu. Fast würde mir schon etwas fehlen, wenn ich vor der Schule nicht laufen würde. So früh am Morgen gehörte die Welt ihm. Die Luft war klar mit Resten von Morgennebel kniehoch über dem weiten Rasen, dahinter der Wald; die ersten Schleierwolken schienen schon regungslos am Himmel zu stehen, aber Joas wusste, dass sie, sähe er in wenigen Minuten wieder zu ihnen auf, Form und Ort verändert haben würden. Noch sandte die Sonne ein gläsernes Licht aus, kühl fast, aber dahinter ahnte Joas schon die kommende Hitze. Die ersten hundert Meter ging er mit großen Schritten und ließ die Arme in weiten Schwüngen kreisen, um seinem ganzen Körper mitzuteilen, wie ernst er es meinte damit, dass die Ruhe jetzt vorbei war. Sein Blick schweifte über den weiten, hügeligen Rasen, auf dessen millimeterkurzen Halmen Tautropfen in der Morgensonne glitzerten. Schon wenn er zurückkam, um vor dem Frühstück noch unter die Dusche zu springen, würde das Gras in der ersten Wärme getrocknet sein, das Glitzern verschwunden. Joas fiel in einen leichten Trab. Hinter dem Jungenflügel sank der Rasen über mehrere Hundert Meter sanft ab ins Tal, wo er schließlich von dichtem Wald begrenzt wurde; vom höchsten Punkt des Hügels genoss Joas jeden Morgen für wenige Sekunden den Blick über die Ebene unter ihm: tiefdunkel und endlos die Wälder, hier und da unterbrochen von frühsommergrünen Feldern, zwischen denen die roten Dächer der Höfe im Morgenlicht leuchteten wie zum Beweis, dass dies alles trotz der Einsamkeit der Wälder Menschenland war, bewohnt und vertraut; Seen, große und kleine, deren Oberfläche in der Sonne glänzte. Und am Horizont der Dunst, gelbgrau, der sich kaum jemals auflöste und hinter dem Joas die Hauptstadt wusste und dahinter das Meer. Skogland ist schön, dachte er und zog das Tempo ein wenig an. Nie ist Skogland so schön wie am frühen Morgen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht romantisch werde, mit Romantik hat das alles hier nun wirklich am allerwenigsten zu tun. Seine federnden Schritte machten kleine saugende Geräusche auf dem feuchten Gras und ließen dunklere Spuren zurück. Er spürte, dass er schneller war als am Tag zuvor, er fühlte sich so frisch, als wäre er gerade erst losgelaufen. Ich werde besser, dachte Joas. Von Tag zu Tag. Wenn ich ihn das nächste Mal spreche, muss ich Liron davon erzählen. Es war ihm damals so wichtig, dass ich immer vorbereitet bin, und wie kann ich mich wohl anders vorbereiten, als indem ich trainiere. Er hatte den Waldrand erreicht und schlug den schmalen Pfad ein, der zwischen den Bäumen rings um das Schulgelände führte. Der Sicherheitszaun war hinter dem dichten Laub verborgen, auch die Posten, die nach der Ankunft der Prinzessin vor fast einem Jahr verdoppelt worden waren; hätte er nicht von ihnen gewusst, er hätte glauben können, hier wäre er meilenweit ganz allein. Unter seinen Füßen spürte Joas den Kies, der nach dem Regen am Vortag noch Wasser hielt, schwere schwarze Erde, in deren Senken und Mulden Pfützen standen; Inseln aus Gras, ab und zu ein größerer Stein, der durch die Sohlen drückte. Auf der Fahrt zur Schule hatte Liron im letzten Sommer mit ihm darüber gesprochen, Joas erinnerte sich in präzisen, klaren Bildern; vielleicht, weil er so überrascht gewesen war, als sein Vater auf der Hälfte der Strecke den Wagen plötzlich scharf nach rechts gezogen und auf dem sandigen Randstreifen zum Stehen gebracht hatte. »Glaub nicht, dass es jetzt vorbei ist, Joas«, hatte Liron gesagt und den Zündschlüssel gedreht, sodass der Motor erstarb und außer seiner Stimme nichts mehr zu hören war als das Geräusch der Autos, die auf der Straße an ihnen vorbeizogen. »Glaub nicht, es ist vorbei, nur weil der König zurück ist. Der gute König!«, und er hatte ein kleines bisschen gelacht. »Dies ist kein Märchen, Joas.« Joas hatte gewartet, jetzt begriff er auch, warum Liron ihn selbst ins Internat hatte fahren wollen, ohne Chauffeur, auch ohne Bodyguards. Auf dem Asphalt waren Lastwagen an ihnen vorübergezogen, auch gepflegte Mittelklassewagen mit Familien auf dem Wochenendausflug: Skogland war ein reiches Land, den Skogen ging es gut. Ab und zu hatte auf der Rückbank eines der Wagen ein Kind mit der flachen Hand gegen die Scheibe geklopft, hatte gewinkt. Joas hatte zurückgewinkt, ohne es zu merken. »Du musst immer vorbereitet sein, Joas«, hatte Liron gesagt. »Jederzeit. Nur weil du jetzt zurückkannst auf dein Internat, weil es aussieht, als wäre unsere Welt wieder heil oder als könnte sie es doch endlich werden, dürfen wir nicht aufhören, wachsam zu sein!« Dann endlich hatte er Joas erklärt, was er ihm schon vor Wochen hätte sagen sollen. »Aber wie?«, hatte Joas gefragt. »Und wer?« »Wenn wir das wüssten, ginge es mir sehr viel besser«, hatte Liron geantwortet und den Motor wieder angelassen, um sich einzufädeln in den laufenden Verkehr. »Ich versuche es herauszufinden. Es gibt Anhaltspunkte, aber es gibt zu wenige. Darum sage ich dir jetzt nur: Du musst vorbereitet sein. Alles kann passieren in der nächsten Zeit, und du als mein Sohn …« »Und Jarven«, hatte Joas gesagt und gespürt, wie die Röte seinen Hals hinaufwanderte. Neben ihnen auf der Straße hatte der Auspuff eines Lastwagens graue Wolken ausgestoßen und Liron hatte die Scheiben hochgekurbelt. »Und Jarven«, hatte er gesagt. »Das ist der einzige Grund, warum ich froh bin, dass sie auch auf dein Internat kommt. Hab ein Auge auf sie, Joas.« Joas hatte genickt. Vor ihnen stieg die Straße an, hinter der nächsten Biegung würden sie schon die Schule sehen. »Und warum sagst du mir das alles jetzt erst?«, hatte Joas gefragt. »Warum hast du nicht schon längst mit mir darüber geredet, warum hast du mich in dem Glauben gelassen, nach der Befreiung des Königs vor acht Wochen wäre jetzt alles wieder in Ordnung in unserem Land?« Liron hatte in einen niedrigeren Gang geschaltet; an dieser Stelle wurde die Steigung steiler. »Was glaubst du wohl, warum ich mir für diese Fahrt den Wagen der Köchin ausgeliehen habe?«, hatte er gefragt. »Sie war übrigens sehr überrascht und fürchterlich stolz. Ich habe ihr gesagt, in genau dieses Modell hätte ich mich vor Jahren einmal verguckt, als ich es in einem Film gesehen hätte. Der Wagen der Köchin wird bestimmt nicht abgehört, Joas, hier sind wir sicher. Aber wo sonst? Wo sonst können wir sicher sein, dass nicht jedes unserer Worte an einen Ort gelangt, von dem wir es am wenigsten wünschen?« Joas hatte genickt. Liron hatte den Blick nicht von der Straße gelassen. »Darum merk dir auch gut, was ich dir jetzt sage, Joas, ich werde es später nicht noch einmal wiederholen. Du darfst es niemandem erzählen, vielleicht ist es leichtfertig, was ich jetzt tue.« Er schwieg einen Augenblick. »Aber für den Fall, dass mir etwas passiert …« Sie hatten die Hügelkuppe erreicht; weit und spätsommergrün lag vor ihnen das Land, schon war das Tor mit der Fahne von Mörgaard zu sehen. »Aber merk es dir gut! Und erzähle niemandem davon!« »Aber warum …?«, hatte Joas gefragt. »Denk darüber nach, wenn mir etwas passiert«, hatte Liron gesagt. »Was war, drei Jahre nachdem das Königreich Skogland die Nordinsel erobert hat?« »Wieso denn, was soll das?«, hatte Joas gefragt. »Soll das hier jetzt eine Geschichtsstunde sein, oder was?« »Nur wenn mir etwas passiert«, hatte Liron gesagt und seine Frage unbeantwortet gelassen. »Dann denk darüber nach. Als Zweites: Was war lange Zeit das höchste Gebäude Skoglands und warum?« »Also doch Geschichtsunterricht!«, sagte Joas. »Liron! Da könntest du mir doch gleich …« Liron schaltete noch einen Gang herunter. »Dann überrasche ich dich jetzt«, sagte er. »Was haben Zwerge und Geißlein gemeinsam?« Vor ihnen tauchte, umgeben von Bäumen und Sträuchern, deren Farben schon den kommenden Herbst ahnen ließen, das Schulgelände auf. »Zwerge und Geißlein?«, sagte Joas. »Das meinst du nicht ernst! Dass beides Märchen sind, oder was?« Liron hatte gelächelt, dann waren sie um die letzte Kurve gefahren, und Joas hatte begriffen, dass er mehr von ihm nicht erfahren würde. »Vergiss die Fragen nicht!«, hatte Liron gesagt. Dann hatte das Schultor vor ihnen gelegen und Joas hatte nicht mehr geantwortet. Nach der Befreiungsaktion in Sarby hatte er wirklich geglaubt, jetzt wäre alles vorbei, überstanden, für immer. Wie naiv er gewesen war. Oder auch nicht, dachte Joas, während er mit gleichmäßigem Tempo durch den morgendlichen Wald lief. Das ist jetzt doch immerhin mehr als ein halbes Jahr her, und was ist passiert seit dem Gespräch? Allmählich glaube ich, dass Liron Gespenster sieht. Und außerdem hat er mir natürlich auch mit keinem Wort gesagt, wie ich mich vorbereiten soll und worauf, nur, dass ich diese verrückten Fragen nicht...