Boeck / Lammel | Jüdische kulturelle und religiöse Einflüsse auf die Stadt Rostock und ihre Universität | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 92 Seiten

Boeck / Lammel Jüdische kulturelle und religiöse Einflüsse auf die Stadt Rostock und ihre Universität


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7431-8604-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 92 Seiten

ISBN: 978-3-7431-8604-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Texte wurden auf einer Veranstaltung vorgestellt, die dem Andenken an die Opfer der Novemberprogrome des Jahres 1938 gewidmet war. Im Zentrum stand der Wunsch der Erinnerung an jüdische kulturelle und religiöse Spuren in Stadt und Universität. Der Band enthält den Text von Michael Busch über das seinerzeit höchst fortschrittliche jüdische Emanzipationsedikt von 1813 für Mecklenburg und stellt die Frage nach der Rolle des Rostocker Orientalisten Oluf Gerhard Tychsen (1734-1815) bei seiner Vorbereitung. Steffi Katschke diskutiert die Frage von jüdischen Studenten an der Universität Rostock im 18. Jahrhundert. Melanie Lange stellt ein wertvolles Buch aus den Beständen der Universitätsbibliothek vor, die Hebräisch-Grammatik von Elia Levita (1469-1549) und dessen Übersetzung durch den christlichen Kosmographen und Hebraisten Sebastian Münter (1488-1552). Malgorzata Anna Maksymiak unterzieht die Sammlung von jiddischen und hebräischen Privatbriefen des schon erwähnten Gelehrten Tychsen einer kritischen Prüfung und entwickelt die Frage nach der Herkunft von Tychsens Interessen und kommunikativen Verflechtungen, die sie in einem Zusammenhang von Kolonisierung und Kulturkontakt diskutiert.

Dr. rer. nat Gisela Boeck geb. Engel. Chemiestudium in Rostock 1973-1977, Aspirantur an den Universitäten Rostock und Leipzig 1977-1980, 1981 Prom. Dr. rer. nat. mit der Arbeit "Quantenchemische Berechnungen zur Thermodynamik chemischer Gleichgewichte", seit 1981 wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. geschäftsführende Assistentin am Institut für Chemie, Lehrbeauftragte für die Grundlagen der Chemie für Studierende der Humanmedizin, der Zahnheilkunde, der Medizinischen Biotechnologie, der Biomedizintechnik und des Maschinenbaus, Lehrbeauftragte für Geschichte der Chemie, Arbeiten zur Geschichte der Chemieunterrichts, zur Popularisierung der Chemie im 19. Jahr-hundert, zur Rezeption des Periodensystems in Deutschland, zu Deutsch-Russischen Wissenschaftsbeziehungen, zu Chemikerinnen sowie zur Universitätsgeschichte, seit 2003 Sprecherin des Arbeitskreises "Rostocker Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte" (gemeinsam mit Prof. Dr. H.-U. Lammel), seit 2011 Sprecherin der Arbeitsgruppe "Geschichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät", Mitglied der Fachgruppe "Geschichte der Chemie" und der Arbeitsgruppe "Chemie für Mediziner" der GDCh, Vertreterin der GDCh bei der Working Party on the History of Chemistry der European Association for Chemistry and Molecular Science und Mitglied der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte

Boeck / Lammel Jüdische kulturelle und religiöse Einflüsse auf die Stadt Rostock und ihre Universität jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Steffi Katschke
Jüdische Studenten an der Universität Rostock im 18. Jahrhundert
Ein Beitrag zur jüdischen Bildungs- und Sozialgeschichte
Im Verlauf der Rostocker Geschichte existierten seit der Bestätigung des Stadtrechts 1218 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zwei jüdische Gemeinden. Von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts lebten nur wenige Juden in der Stadt. Mit dem Ausbruch der Pest wurden sie, als Brunnenvergifter beschuldigt, aus Rostock und anderen mecklenburgischen Städten vertrieben.75 Erst 1868/69 siedelten sich wieder jüdische Familien aufgrund des „Gesetzes über die Freizügigkeit“ des Norddeutschen Bundes in der Hansestadt an.76 In Dokumenten des Stadtarchivs finden sich jedoch immer wieder vor 1868 Ausnahmen, die den Aufenthalt von Juden in Rostock betreffen. Sie hielten sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in der Hansestadt auf. Einen besonderen Anlass bot der Rostocker Pfingstmarkt.77 Die Universität war ein weiterer Anziehungspunkt. Die Kenntnis von jüdischen Studenten ist nicht neu: „Wenngleich bislang nicht zu klären war, ab wann ihnen die Alma Mater Rostockiensis ‚offiziell’ ihre Pforten öffnete, deuten einzelne Belege darauf hin, dass in den […] aufgeklärt-liberalen Jahren des ausgehenden 18. und frühen 19. Säkulums zumindest Ausnahmeregelungen möglich waren“, erkennt Wilhelm Kreutz.78 Die wichtigste Ausnahme war der Sitz der Universität. Mit der Neugründung der „Fridericiana“ 1760 in Bützow konnten sich auch Juden immatrikulieren. Die Besonderheit eines Niederlassungsverbotes, das das Vorrecht der Hansestädte Rostock und Wismar war79, traf auf Bützow nicht zu.80 Zum Aufenthalt von Juden in Rostock in Dokumenten des 18. Jahrhunderts Die vier zusammenhängenden Schriftstücke, die sich in den Akten zum „Aufenthalt von Juden zum Pfingstmarkt und außerhalb der Pfingstmarktzeit“81 im Rostocker Stadtarchiv befinden, dienen als Ausgangspunkt für die Aufgabenstellung. Eine Verbindung zu jüdischen Studenten an der Universität besteht nur indirekt. Anfang Mai des Jahres 1790 berichtet der Akzis-Rat Johann Danckwarth aus Rostock von einer Jüdin, die sich gerüchteweise mit einem „sogenannten Schächter“ verheiraten und sich „wohnbar niederlassen“ will.82 Die Hauptsorge Danckwarths besteht darin, dass der herzoglichen Akzise Einnahmen entgehen. So könnten andere Juden ihrem Beispiel folgen und sich „in allerhand der Accise nachtheiligen Verkehr einlaßen“. Er führt aus: „S[o] z[um] B[eispiel] könnten die zum Einkauf kommenden Juden heimlich allerley Sachen und pretiosa, wenn hier einige ihrer Leute wohnten, bey diesen ablegen, und so heimlich verkaufen laßen, ohne daß herzogliche Accise etwas daran merckte, und ohne daß sie hierfür einige Erlegnis bezahlten.“ Dankwarth zieht die Convention von 1748 heran, in der es heißt, dass Waren der Juden konfisziert werden sollen, wenn sie diese außerhalb der Pfingstmarktzeit in der Stadt verkauften. Ihnen ist es mit Genehmigung des worthabenden Bürgermeisters in dieser Zeit - außerhalb des Jahrmarktes - nur erlaubt, Waren zu kaufen. Das lässt den Rückschluss zu, dass sich Juden durchaus außerhalb des etwa zwei Wochen dauernden Pfingstmarktes, entgegen einer grundlegenden Verordnung von 1682,83 in Rostock aufhielten. Es gibt Belege aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die diese Aussage stützen. Zum Beispiel sind 1757 die beiden Hofjuden Michel Ruben Hinrichsen und Nathan Aaron aus Schwerin die ersten, die eine Erlaubnis zum Aufenthalt beantragen und erhalten sie mit der Einschränkung, nur Waren zu kaufen.84 Ihr besonderer Status als wohlhabende Hoffaktoren mit großer Nähe zum Landesherrn könnte die Ausnahme möglich gemacht haben. Die Aufenthaltsgenehmigungen können auch anders beschränkt gewesen sein: Die beiden Brüder Lehmann, die optische Gläser und Instrumente verkaufen, bitten 1787 darum, sich nicht nur tagsüber, sondern auch nachts in der Stadt aufhalten zu dürfen.85 Ab den 1790er Jahren häufen sich die Anträge: Entweder wollen sich Juden in der Stadt vollständig niederlassen86, für Christen als Schnapsbrenner tätig sein87 oder Baumaterial kaufen88. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, ob es ihnen erlaubt wurde. Der Akzis-Rat Danckwarth will die herzogliche Renterei informieren und die Stadtoberen zur Räson bringen. Er schreibt: „So glaube ich doch, daß [es] nicht erlaubt seyn mögte, ohne Vorwissen der herzoglichen Accise, Juden sich hier aufzuhalten, oder gar zu wohnen Freiheit zu geben.“ Auf diese Anzeige folgt wenige Tage vor Pfingsten im Auftrag des Rostocker Rats ein Protokoll der Befragung der Jüdin - sie wird als Witwe des Schutzjuden Samuel Michel aus Stavenhagen bezeichnet.89 Die Witwe macht Angaben zu ihren Verhältnissen: Zum Alter, wie lange ihr Mann bereits tot ist, Wohnort, Höhe des Schutzgeldes. Ihrer Arbeit geht sie einen Großteil des Jahres in Rostock nach: Sie ernährt „sich durch Ausmachung der Flecken aus den Kleidern, und Kittung von Porcelain und irdenem Zeuge.“ Meist bleibt sie noch einige Monate nach dem Pfingstmarkt in Rostock. In diesem Jahr war sie ausnahmsweise bereits vor Ostern in der Stadt, zwischen Ostern und Pfingsten verreist und derzeit seit wenigen Tagen wieder anwesend. Der Anlass hierfür waren die Professoren Jakob Friedrich Rönnberg (1738–1809) und August Gottlob Weber (1762–1807)90. Die beiden hätten ihr den „Auftrag gegeben, daß sie die hier erwartete Studierende jüdischer Nation, vorbeständig speisen möchte.“ Die Witwe Michel meldete sich nicht jedes Mal beim worthabenden Bürgermeister, um sich gegen Gebühr eine Konzession ausstellen zu lassen. Mit dieser hätte sie sich auf der herzoglichen Steuer-Stube melden müssen, um ebenfalls eine Gebühr zu entrichten. Sie argumentiert damit, dass die jüdischen Frauen sich nie zum Pfingstmarkt anmelden, sie es also auch nicht für notwendig erachtete, sich außerhalb dieser Zeit offiziell zu melden. In der Befragung wird die von Dankwarth unterstellte Absicht, dass die Witwe einen Schächter heiraten und sich in Rostock niederlassen will, nicht angesprochen. Erst im Schreiben des Rats Anfang Juni an die herzogliche Kanzlei wird dieser Punkt wieder thematisiert.91 Es heißt dort: „[…] daß die Anzeige des Herrn Accis-Rath überall in facto unrichtig sey. Denn so wissen wir von keiner Jüdin, die sich hieselbst wohnhaft niedergelassen, noch weniger aber ist so wenig einen Juden als eine Jüdin von uns dazu eine Concession ertheilet worden.“ Das einzige, was sich die Witwe hat zuschulden kommen lassen, wäre, dass sie sich bei ihrer Ankunft in der Stadt nicht offiziell angemeldet hätte. Sie wäre in dem Glauben gewesen, dies sei unnötig, da sie keinen Handel treibe. Das Schreiben endet mit der positiven Aussage: „Es ist ihr der hierin begangene Verstoß ernstlich verziehen worden.“ Im letzten Dokument,92 nur wenige Tage nach der Antwort des Rates an die herzogliche Kanzlei, bittet die Witwe Michel jedoch den Rostocker Rat, sie nicht aus der Stadt zu weisen. Was diesem Schreiben vorausging ist nicht ersichtlich. Sie rechtfertigt sich: „Mithin thue ich den hiesigen Bürgern auf keine Art und Weise in ihrem Erwerb Abbruch.“ Sie schreibt weiter: „Schon verschiedene Jahre ist es mir erlaubt worden hier nach dem Markte und einen Theil des Sommers über zu verweilen und das Wenige, was ich hier kümmerlich verdienet, habe ich auch wiederum verzehret.“ Sie stützt damit nochmals die Aussage, dass Juden mit offizieller Erlaubnis der Stadtoberen häufig in Rostock lebten, wenn auch nicht niedergelassen waren. Denn das hätte für die Glaubensausübung nötige Gegebenheiten, wie Friedhof, Betraum und Schächter, erfordert. Ihre Aufenthalte auf Dauer müssen ermöglicht worden sein mit Besuchen der umliegenden Städte Schwaan, Ribnitz oder Tessin, um so am religiösen Leben der dortigen Gemeinden teilnehmen zu können. Die Witwe Michel führt weiterhin die beiden Professoren Weber und Rönnberg an, die ihr eine Konzession versprochen hätten, da „hier auch Juden Kinder studiren könnten, [und] daß ich selbige speisen sollte.“ Ihr wurde zwar nahegelegt, einen Schächter zu heiraten, der sich dann in Schwaan niederlassen sollte. Aber diesen Vorschlag hätte sie weit von sich gewiesen: „Und sollte auch in der Folge der Fall eintreten daß hier Juden Kinder studiren wollten, so kann ich auch selbige ohne zu heirathen in meine Kost nehmen, indem es mir gewiß nicht entstehen wird vom durchlauchtigsten Herzog die Post frei zu erhalten und ich mir sodann geschächtetes Fleisch von Suan bringen lassen kann.“ Sie nimmt an, dass ihr die Transportkosten erlassen werden und geht davon aus, dass die gesamte Unternehmung mit landesherrlichem Wohlwollen betrachtet wird, wenn nicht sogar seine praktische Unterstützung findet. Seit 1785 war der Landesherr Herzog Friedrich Franz I. (1756–1837), der 1813 seine liberale Einstellung gegenüber den Juden seines Landes im Emanzipationsedikt93 beweisen sollte. Als letzten Grund, warum sie die Stadt nicht verlassen könne, führt die Witwe an, dass sie auf ihre Kunden warten müsse, die die...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.