Wie Paare Depressionen gemeinsam bewältigen können
E-Book, Deutsch, 216 Seiten
ISBN: 978-3-456-76212-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zielgruppe
Betroffene und deren Partner_in, Psycholog_innen, Psychiater_innen, Psychotherapeut_innen, Beratungsstellen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
Weitere Infos & Material
|15|1 Was ist eine Depression?
Das Wort Depression wird im Alltagssprachgebrauch relativ rasch und oft sorglos verwendet. Wenn etwas nicht optimal läuft, man sich bedrückt oder verstimmt fühlt, verwendet man oft Sätze wie „Ich bin deprimiert“ oder „Das macht mich depressiv“. Mit solchen Äußerungen ist jedoch nicht ein depressives klinisches Störungsbild gemeint. Vielmehr handelt es sich um Aussagen, die umschreiben sollen, dass man sich nicht gut fühlt, enttäuscht ist, einen etwas bedrückt, belastet oder frustriert. Zunächst wollen wir Depression als psychische Störung von anderen Begriffen abgrenzen, wie Traurigkeit, Deprimiertheit oder Depressivität. Traurigkeit als normaler Gefühlszustand
Traurigkeit meint ein im Alltag häufig auftretendes negatives Gefühl, wenn etwas schiefgelaufen ist, man etwas verloren hat, was einem wertvoll war, oder etwas nicht erreicht hat, was man erreichen wollte, wenn etwas nicht so läuft, wie man es gerne hätte. Traurigkeit ist eine stärkere Emotion als Enttäuschung, hängt mit dieser jedoch zusammen. Man ist enttäuscht oder traurig, wenn man vergessen, nicht zu einem Anlass eingeladen oder ungerechterweise kritisiert wird. Traurigkeit ist eine natürliche Emotion und zählt zu den Basisemotionen wie Angst, Ärger oder Freude. Die Worte Traurigkeit, Verstimmung oder Deprimiertheit werden häufig synonym verwendet und meinen jeweils, dass man sich niedergeschlagen fühlt. Traurigkeit stellt sich als Gefühl nach Misserfolgen, Enttäuschungen, Verlusten oder aber manchmal völlig grundlos ein. Sie kann auch eine |16|Folge von körperlichem Unwohlsein sein, z.?B. wenn man schlecht geschlafen hat, sich körperlich angeschlagen fühlt oder krankheitsbedingt Aktivitäten nicht nachgehen kann, die man gerne ausführen möchte. Während Angst auf etwas Zukünftiges, zu Erwartendes gerichtet ist (und mit der Einschätzung einer Situation als Bedrohung einhergeht), bezieht sich Traurigkeit auf etwas, das bereits eingetreten ist und worunter man leidet. Sie ist eine normale menschliche Reaktion auf einen Verlust von etwas, was einem wichtig ist, und wird in der Regel von den Betroffenen mehr oder weniger erfolgreich verarbeitet. Traurigkeit ist zeitlich begrenzt. Die normale Traurigkeit im Alltag unterscheidet sich von einer Depression als psychischer Störung durch folgende Merkmale: Intensität und Dauer (d.?h. geringere Intensität der Gefühle und zeitlich begrenzte Dauer von meist einigen Stunden) Art und Anzahl der Symptome (deutlich weniger Symptome als bei einer Depression und meist nicht gravierende, z.?B. keine Suizidalität) Grad der erfahrenen Beeinträchtigung (keine oder schwache bis mittlere Beeinträchtigungen, die zudem rasch vorübergehen) K. und S. sind seit 15 Jahren ein Paar. Sie haben viel miteinander erlebt und durchgemacht. Sie hatten beide einen Fachhochschulabschluss erlangt, obschon S. bereits mit 22 Jahren Mutter wurde und beide Studium, Arbeit und Elternschaft kombinieren mussten. In derselben Zeit verlor K. seine Mutter nach längerem Kampf gegen den Krebs, und sie hatten finanziell harte Zeiten. Nach der Geburt des dritten Kindes verlor K. seinen Job aufgrund einer Fusion seiner Firma mit der Konkurrenz. Die Lage schien aussichtslos. K. fühlte sich häufig niedergeschlagen und empfand die Situation als überfordernd. Oft saß er am Abend einfach nur vor dem Fernsehen und hatte keine Energie, etwas anzupacken. Für S. war dies besonders schlimm, da sie selbst ebenfalls am Ende ihrer Kräfte war und sich mehr Unterstützung von ihrem Partner gewünscht hätte. Sie sprach ihn an, schilderte ihm ihre Überlastung und dass sie auf seine Hilfe angewiesen sei. Auch wenn die Arbeitslosigkeit beide belaste und der finanzielle Druck steige, sei das kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Im Gegenteil sei jetzt mehr denn je enger Zusammenhalt gefragt und Zuversicht, dass sie es gemeinsam schaffen würden. |17|Beide rauften sich zusammen, machten das Beste aus der Situation. K. hatte schließlich Glück und fand wenige Monate später eine neue Anstellung. Depressivität als Persönlichkeitsmerkmal
Depressivität beschreibt ein mehr oder weniger stabiles Persönlichkeitsmerkmal, welches im Sinne einer erhöhten Veranlagung für die Entwicklung einer Depression gesehen wird, jedoch nicht das klinische Zustandsbild einer Depression meint. Jemand, der erhöhte Werte in Bezug auf das Persönlichkeitsmerkmal Depressivität hat, weist ein erhöhtes Risiko auf, in Situationen, welche leicht Depressionen auslösen können (z.?B. Verlusterfahrungen, Erfahrungen von Misserfolg, gravierende kritische Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, schwere oder chronische Krankheiten, Behinderungen), eine klinische Depression zu entwickeln. Umgangssprachlich wird häufig Melancholie mit diesem Persönlichkeitsmerkmal gleichgesetzt. Unter einem Melancholiker/einer Melancholikerin versteht man einen eher zu Trübsal neigenden, scheuen, schwermütigen Menschen, der häufig mit Rückzugsverhalten, Traurigkeit, Pessimismus und Verstimmungen reagiert. Vor über 100 Jahren wurde der Begriff auch in Klassifikationssystemen im Sinne von Depression verwendet; im Volksmund hat sich bis heute der Begriff des Melancholikers gehalten, der auf die Persönlichkeitstypologie des griechischen Arztes Hippokrates zurückgeht. Folgende Merkmale kennzeichnen eine depressive Persönlichkeit: häufig und bereits bei geringen Anlässen klagend nachdenklich und grüblerisch selbstkritisch und die Schuld bei sich suchend pessimistisch und misstrauisch in Bezug auf Glück und Erfolg sensibel und feinstofflich tief empfindend bereits aufgrund geringfügiger Ereignisse leidend.4 |18|M. ist eine stille, introvertierte Person, die sich gerne zurückhält, beobachtet und aus der Ferne Anteil nimmt. Unverkennbar ist sie sensibel und mitfühlend, doch drängt sie sich nicht vor und bleibt gerne diskret im Hintergrund. Sie hat einen gewissen melancholischen Zug, lacht selten und wirkt häufig etwas bedrückt oder besorgt. Ihre Äußerungen und Handlungen haben häufig einen zurückhaltenden, zögerlichen und pessimistischen Ton. Bei eigenen Fehlern kritisiert sie sich schnell selbst und ist unnachgiebig mit sich und in Bezug auf Ansprüche an sich. Sie zweifelt häufig an sich und macht abwertende Äußerungen gegenüber sich selbst. Sie wirkt in ihrem Verhalten unsicher und vermeidend. Ihre Partnerin L. nervt dies immer wieder, und obgleich sie ihr zu verdeutlichen sucht, dass alles halb so schlimm sei und man das Glas auch als halb voll statt halb leer sehen könne, haben diese Argumente kaum Einfluss auf das Erleben von M. L. hat sich damit abgefunden, dass M. eine „Schwerenöterin“ ist. Depression mit psychischer Äußerung
Depression meint – in Abgrenzung zu Traurigkeit, deprimierter Verstimmung oder Depressivität – ein klinisches Störungsbild, ein sogenanntes Syndrom mit damit assoziierten Symptomen. Während man früher von einer Krankheit gesprochen hatte, setzte sich zusehends der ...