Wenn Eigentum verpflichtet
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-451-82338-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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"Familienunternehmen verkörpern den Kern verantwortungsvollen Wirtschaftens: die Bereitschaft zur Haftung mit eigenem Vermögen, langfristige und maßvolle Entscheidungen sowie die Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern und der Gemeinschaft. Ich bin froh, dass die Autoren diesen vielfältigen Wert unternehmerischer Verantwortung herausgearbeitet haben." (Dr. Carsten Linnemann, MdB, Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, MIT)
"Die großen ökologischen und sozialen Herausforderungen, vor denen unsere globale Gesellschaft steht, lassen sich ohne verantwortungsvolles Unternehmertum nicht bewältigen. ›Generation Verantwortung‹ dokumentiert in beeindruckender Weise, wie Familienunternehmen ihren Beitrag im Spannungsfeld von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit dazu leisten wollen." (Prof. Dr. Barbara Weißenberger, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
"›Generation Verantwortung‹ bietet einen einzigartigen Einblick in das Denken und die Werte der jungen Generation der Familienunternehmer/innen. Spannend, informativ und staunenswert!" (Dr. Wolfgang Gründinger, Digitalvordenker und Zukunftslobbyist)
Autoren/Hrsg.
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Dr. Christian Bochmann, LL.M. (Cambridge), Jahrgang 1982, studierte Rechtswissenschaft an der Bucerius Law School in Hamburg, der Columbia University in New York City sowie der University of Cambridge. Als Rechtsanwalt in Hamburg, geschäftsführender Direktor des Zentrums Familienunternehmen der Bucerius Law School, Lehrbeauftragter an der Juristenfakultät der Universität Leipzig sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Peter Kölln GmbH & Co. KGaA in Elmshorn verbindet er seinen anwaltlichen Beratungsschwerpunkt bei Familienunternehmen mit Aktivitäten in Forschung und Lehre. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und referiert regelmäßig zu rechtlichen Fragen rund um Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Verantwortung und Recht
Symbiose statt Substitution
Von Christian Bochmann
Der Duden definiert Verantwortung als die mit einer bestimmten Stellung verbundene Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht. Verantwortung zu tragen, heißt folglich, Antworten zu geben. In Familienunternehmen bedeutet Verantwortung die individuell empfundene Verpflichtung, Kunden und Lieferanten, Mitarbeitern, der Gesellschaft, der Region, der Umwelt und natürlich der Familie permanent Antworten zu geben und für deren Konsequenzen einzustehen. Die nachfolgenden Beiträge dieses Bandes veranschaulichen dies in eindrucksvoller und vielfältiger Weise. Auch Recht begründet Verpflichtungen. Es ist nichts anderes als formalisierte Verantwortung, die im Interesse der Allgemeinheit jeden gleichmäßig trifft und notfalls mithilfe staatlicher Gewalt durchsetzbar ist. Verantwortung und Recht sind damit auf ihre jeweils eigene Art Verhaltenswegweiser – was die Frage ihres Verhältnisses zueinander aufwirft. Welche Funktion kommt Verantwortung und Recht in Familienunternehmen zu? Wo und wie ergänzen sie sich? Wo stehen sie einander im Weg? Kann Verantwortung durch Recht gestärkt oder gar ersetzt werden? Verantwortung über das Recht hinaus Als Erstes dürfte vielen Verantwortung über das Recht hinaus als prägendes Merkmal von Familienunternehmen in den Sinn kommen. Familienunternehmen setzen Regulierung und Bürokratie die ordnende Kraft wertegeleiteter unternehmerischer Verantwortung entgegen. Sie verkörpern das Ideal des ehrbaren Kaufmanns und gehen damit zum Wohle ihres Umfelds anerkanntermaßen vielfach über gesetzliche Standards weit hinaus. Quell des für Familienunternehmen typischen Verantwortungsbewusstseins sind die aus familiärer Verbundenheit fließenden Werte wie Vertrauen, Zusammenhalt, Tradition und generationenübergreifendes Denken. Neben die nicht selten von Kindesbeinen an geweckte Leidenschaft für das Geschäft treten Ehrfurcht vor dem Lebenswerk früherer Generationen und die daraus folgende intrinsische Motivation, das Geschaffene zum Wohle künftiger Generationen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Hinzu kommt die enge Verknüpfung von Wohl und Wehe des Unternehmens und der Familie. Das hat eine starke ökonomische Komponente, da nicht selten Arbeitseinkommen, Ausschüttungen sowie der Wert der Unternehmensbeteiligung und gewährter Darlehen mit dem unternehmerischen Gelingen stehen und fallen. Die Verquickung der Schicksale von Inhaberfamilie und Unternehmen geht aber weit darüber hinaus, was häufig schon durch Namensidentität von Unternehmen und Familie augenfällig wird. Jede bedeutsame unternehmerische Entscheidung hat einen persönlich-familiären Einschlag. Anders als in der Start-up-Kultur wird das Scheitern des Ganzen nicht von vornherein als Chance eines neuen Versuchs einkalkuliert, sondern es dreht sich alles um die Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit des Geschäfts. Auch folgen einschneidende Maßnahmen nicht lediglich operativem und finanziellem Kalkül. Eine Standortverlagerung beispielsweise wird regelmäßig schon mit Rücksicht auf die zu erwartende Reaktion der Nachbarn, Gemeindemitglieder, Vereinsfreunde etc. in der Heimatregion unvorstellbar sein. Dieses in der Unternehmerfamilie wurzelnde Verantwortungsbewusstsein überträgt sich aufgrund der engen Verbindung zum Unternehmen auf ebendieses. Es entfacht auf Unternehmensebene Leidenschaft und sachorientierte Entscheidungsfreude, fördert langfristiges Denken und schärft das Bewusstsein für Werte und Ziele jenseits der monetären Ergebnismaximierung. Das gilt unabhängig davon, welche konkrete Rolle die Inhaberfamilie im Unternehmen einnimmt. Im Falle der Identität von Inhabern und Geschäftsführern ist die Verbindung zwischen der Verantwortungsgemeinschaft der Familie und dem Ort, an dem konkrete unternehmerische Entscheidungen zu treffen sind, zwar am augenfälligsten. Aber auch dann, wenn die Inhaberfamilie ihre Rolle gegenüber dem Familienunternehmen in Kontrollgremien wie Bei- oder Aufsichtsräten ausübt oder sich gar ausschließlich auf die Gesellschafterrolle zurückzieht und sowohl das Management wie dessen Aufsicht in die Hände familienfremder Dritter legt, muss dies keinesfalls eine Schwächung der Verbindung von Familie und Unternehmen bedeuten. Gerade bei sehr groß gewordenen und komplexen Familienunternehmen wird die strategische Ebene sogar der geeignetste Resonanzboden für die Verantwortung der Familie im Unternehmen sein. Verantwortung bedeutet bei all dem stets – und jeder der nachfolgenden Beiträge dieses Bandes ist Beleg hierfür –, als Individuum aus innerer Überzeugung für das Gelingen und die Zukunft des Familienunternehmens einzustehen. Nicht aus Rücksichtslosigkeit oder Ignoranz wird das Recht dabei mitunter als lästiger Störfaktor empfunden, sondern aufgrund seiner Formalität, derer es dort, wo Verantwortung tatsächlich gelebt wird, mitunter gar nicht bedürfte, um bestimmte gesetzlich intendierte Ziele zu erreichen. Dokumentationspflichten zum Arbeitsschutz etwa stiften dort wenig zusätzlichen Nutzen, wo das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohnehin oberste Priorität genießt. Verantwortung aus Recht Das führt zu den Überschneidungen und Wechselwirkungen zwischen Verantwortung und Recht. Die plakativste besteht darin, dass Familienunternehmen erhebliche Verantwortung aus Recht tragen, da sie stetig zunehmenden regulatorischen und bürokratischen Anforderungen ausgesetzt sind, etwa beim Datenschutz oder im Steuer- und Abgabenrecht. Das Verantwortungsbewusstsein von Familienunternehmen zeigt sich in diesem Zusammenhang in ihrer besonderen Rechtstreue. Damit soll freilich nicht behauptet werden, Familienunternehmen verstießen per se nicht gegen das Gesetz. Große und spektakuläre Wirtschaftsskandale betreffen allerdings so gut wie nie Familienunternehmen, sondern werden regelmäßig mit börsennotierten Publikumsgesellschaften in Verbindung gebracht. Dieser Diskrepanz wiederum trägt das Recht durchaus Rechnung. Denn bei börsennotierten Aktiengesellschaften mit ihrer ausgeprägten Trennung zwischen anonymen Anlegern und tendenziell kurzfristig orientiertem, da auf die eigene Amtszeit fokussiertem Management hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass es strengerer regulatorischer Rahmenbedingungen bedarf, um verantwortliches Unternehmertum zu gewährleisten. Detaillierte Vorgaben zur Führung und Kontrolle von Familienunternehmen nach Vorbild der speziellen Regularien für börsennotierte Publikumsgesellschaften wären jedoch bereits im Ansatz verfehlt. Denn Inhaberschaft und Verantwortung für das unternehmerische Gelingen fallen bei ihnen nicht systematisch auseinander, sondern sind besonders eng miteinander verwoben. Im Umkehrschluss zu börsennotierten Publikumsgesellschaften stellt sich daher vielmehr die Frage, ob das in den Strukturen von Familienunternehmen angelegte besondere Verantwortungsbewusstsein nicht durch regulatorische oder bürokratische Erleichterungen honoriert werden müsste. Hiergegen wird häufig eingewandt, dass es bereits an einer rechtssicheren Definition des Begriffs »Familienunternehmen« fehlt, an die irgendwie geartete Sonderregeln anknüpfen könnten. Das ist nicht von der Hand zu weisen, umschreibt das Problem aber nur unzureichend. Denn an einer Definition allein kann es in Anbetracht all dessen, was der Gesetzgeber sonst in Gesetze zu fassen vermag, kaum scheitern. Es mangelt nicht in erster Linie an einer Definition. Es fehlt vielmehr an einer hinreichend klaren, verlässlichen und vor allem allgemeingültigen Beschreibung der Besonderheiten von Familienunternehmen, die tauglicher Anknüpfungspunkt für spezifische Regeln sein könnte, die gerade und nur für Familienunternehmen gelten sollen. Derartige Sonderregeln existieren daher gegenwärtig so gut wie nicht. Selbst die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen sind bei Lichte besehen nicht auf Familienunternehmen begrenzt, sondern haben bei diesen lediglich ihren Hauptanwendungsbereich, da Unternehmensbeteiligungen schlichtweg viel häufiger im Familienkreis verschenkt und vererbt werden als außerhalb. Verantwortung für das Recht Ungeachtet der Tatsache, dass es noch nicht gelungen ist, die ordnende Funktion familiärer Verbundenheit für unternehmerische Verantwortung in einer Weise auf einen Begriff zu bringen, dass sie besondere Vorschriften gerade für Familienunternehmen rechtfertigt, setzen diese und die von ihnen getragenen Verbände doch starke Akzente in der Gesetzgebung. Familienunternehmen übernehmen damit Verantwortung für das Recht und machen sich für eine Gesetzgebung stark, die berechtigte...