E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten
Reihe: Sepp Flattacher
Bleyer Wenn der Platzhirsch röhrt
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96041-244-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten
Reihe: Sepp Flattacher
ISBN: 978-3-96041-244-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Schwarzhumorig, skurril und mit viel authentischem Lokalkolorit.
Neben Aufsichtsjäger Sepp Flattacher will ein großkopferter Wiener einziehen. Um diese Katastrophe zu verhindern, verbrüdert sich das Mölltaler Urgestein sogar mit seinem verhassten "zuagrasten" Nachbarn Heinrich Belten. Gemeinsam
blasen die beiden ehemaligen Streithähne zum Abwehrkampf. Doch was als a Hetz und a Gaudi beginnt, wird schnell tödlicher Ernst – denn das organisierte Verbrechen fällt ein ins Mölltal ...
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1
»Belten! Schau, dass zwegnkommst, du terischer Depp, du!« Sepp Flattacher hielt den Daumen auf den Klingelknopf gepresst, über dem ein gestochen scharfer Schriftzug den Namen des Hausbesitzers verkündete: »Heinrich BELTEN«. Wozu der Nachname in Großbuchstaben gedruckt war, blieb Sepp ein Rätsel. Mit der zur Faust geballten anderen Hand hämmerte er gegen die Haustür. Es war ihm ernst. Wenn der Piefke nicht bald die Tür öffnete, konnte er was erleben! Ungeduldig drückte er sein Gesicht gegen das gelbe Butzenglas. Wenn der Glaseinsatz der massiven Holztür etwas größer wäre, käme er glatt in Versuchung … Da! War da nicht eine Bewegung? »Mach endlich die Tür auf! Hörst mich?« »Flattacher? Bist du das?« Sepp rollte mit den Augen. »Nein, der Krampus mit dem Nikolo wird’s sein!« Sein Nachbar ließ sich ewig Zeit, den Schlüssel im Schloss umzudrehen und die Tür zu öffnen. Belten war nie ein schöner Anblick. Aber unrasiert und unfrisiert in einem gestreiften Pyjama, dessen grelle Farben einem die Netzhaut verglühten, war er eine Zumutung. Belten gähnte ausgiebig und kam viel zu spät auf die Idee, sich die Hand vor den Mund zu halten. Immerhin wusste Sepp jetzt, dass er zumindest das Gebiss nicht auf dem Nachtkästchen vergessen hatte. »Du kannst den Finger jetzt von der Klingel nehmen!« Sepp blinzelte. Dann zog er seine Hand zurück. »Weißt du, wie zeitig am Morgen es ist? Dein doofes Gebimmel hat mich aus dem Bett geworfen!« So ein Morgenmuffel! Sepp warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. »Was regst dich auf! Ich bin schon seit zwei Stunden munter.« »Hast die senile Bettflucht, was?« Eine passende Antwort brannte Sepp auf der Zunge, aber dann erinnerte er sich daran, warum er hier war. Mit Belten herumzustreiten stand heute ausnahmsweise nicht auf seiner Agenda. Nein, er war auf Kooperation angewiesen. Immerhin hatten sie ein Problem, das sie nur gemeinsam lösen konnten. »Ich muss mit dir reden.« »Und das kann nicht warten bis zu einer vernünftigen Tageszeit?« Belten kratzte sich das stoppelige Kinn. »Nein, es ist wichtig!« Als ob er sonst hier wäre! Freiwillig setzte Sepp doch keinen Schritt auf Beltens Grundstück. Ausgenommen blieben vereinzelte nächtliche Einsätze mit Hammer oder Säge, von denen der Nachbar nie etwas mitbekam – bis es zu spät war und er lauthals über massakrierte Sträucher klagte. »Es geht um deinen Schwiegersohn.« »Um wen?« »Nowak!« »Häh?« »Das kannst dir nicht gefallen lassen, Belten, hörst? Du musst –« »Wovon redest du?« »Ja, Kruzitürken! Wer von uns beiden ist jetzt senil? Du hast mir doch erzählt, dass der Nowak dich ins Altersheim abschieben will, damit er mit Carola und seinen Fråzn hier einziehen kann.« Belten lehnte sich gegen den Türrahmen und schaute blöd aus der Wäsch. Also, noch dümmer als sonst, falls das überhaupt möglich war. So etwas Begriffsstutziges gibt’s doch gar nicht! Es war doch erst ein paar Tage her, seit Belten weinend durch seinen Garten geschlichen war und gejammert hatte, dass ihn der gemeine Schwiegersohn in eine Seniorenresidenz nach Villach verbannen wollte. Sogar den bunten Hochglanzprospekt hatte er Sepp in die Hand gedrückt. Und jetzt wusste er nichts mehr davon? Ach herrje! Sepp runzelte die Stirn. War Belten vielleicht dement geworden? War das der Grund, warum seine Familie ihn in ein Heim stecken wollte? »Anton Nowak, dein Schwiegersohn?« Sepp sprach jedes Wort langsam und betont aus. »Er ist mit deiner Tochter verheiratet, sie heißt Car–« »Mensch, ich bin doch nicht blöd! Ich weiß, wie meine Tochter heißt! Aber was geht dich meine Familie an?« Sehr viel, wenn Sepp daran dachte, dass die Wiener Bagage das ganze Jahr über hier wohnen könnte. Beltens Tochter Carola war noch am ehesten auszuhalten, auch wenn sich ihre Stimme schrill überschlug, wenn sie ihre Kinderschar rief. Aber Anton Nowak war ein fleischgewordener Alptraum, ein Paradebeispiel für einen Wiener Wasserkopf, der sich selbst viel zu wichtig nahm und glaubte, alle – inklusive Nachbarn – nach seiner Pfeife tanzen lassen zu können. Der hatte ihm die wenigen Wochen, in denen er bisher in Kärnten Urlaub gemacht hatte, häufiger die Polizei auf den Hals gehetzt als Heinrich Belten in all den Jahren. Sepp graute es schon vor der Ferienzeit, wenn die ganze Sippschaft erneut anrückte. Aber da hatte er zumindest die Gewissheit, dass sie auch wieder abreisen würden. Heinrich Belten war Sepp zwar auch zuwider, aber irgendwie hatte Sepp sich in den letzten Jahrzehnten an den lästigen Streithansl gewöhnt und konnte sich sicher sein, dass er ihm immer eine Nasenlänge voraus war. Bei Nowak stünden ihm die alles entscheidenden Machtkämpfe wohl noch bevor, bis auch der Toker einsah, dass mit Sepp nicht gut Kirschen essen war und er ihm lieber seine Ruhe lassen sollte. Außerdem veranstaltete Belten allein nicht wie die drei Kinder den ganzen Tag über eine Metn, dass man durchdrehen könnte und sich selbst Akko unter die Eckbank verkroch. Nein, Belten war eindeutig die bessere Wahl. Das kleinere Übel, wie man oft viel zu leichtfertig aussprach, um dann in der Wahlzelle schier zu verzweifeln. »Du willst doch nicht ins Heim, oder?« »Nein, aber –« »Noch bist ja nicht entmündigt« – Sepp stutzte kurz – »oder doch?« »Selbstverständlich nicht!« »Dann wehr dich! Lass nicht zu, dass sie dich ins Altersheim stecken und dein Haus einkassieren. Wir können –« »Wir?« Belten richtete sich auf und zog sein Pyjamaoberteil straff. Erst jetzt fiel Sepp auf, dass er es falsch zugeknöpft hatte. So viel zum Thema Pflegeheim. »Was meinst du mit wir? Es gibt kein Wir!« Ja, da schaut er groß, der Belten. Sepp grinste breit. Die letzten Tage hatten ihm ganz schönes Kopfzerbrechen bereitet. Der Wiener als Nachbar, was für ein Alptraum! Stundenlang war er abends wach gelegen und hatte gegrübelt. Als er vorhin auf dem Hochsitz saß und die beschauliche Stille des Waldes genoss – diese herrliche Stille, in die nach und nach das frühmorgendliche Vogelkonzert einbrach; eine Stille, von der er sich daheim endgültig verabschieden konnte, wenn die Wiener fix einziehen sollten –, da war ihm der Knopf aufgegangen. Die Lösung lag so nah! Nowak konnte Belten schließlich nicht zwingen, ins Altersheim zu gehen. Belten konnte sich wehren. Also, nicht er allein. Dafür war er zu tepat, der Depp. Aber mit seiner Hilfe! Wenn er ihm sagte, wo’s langging, würde es schon klappen. Der Gedanke hatte ihn nicht mehr losgelassen. Unzählige Ideen schossen ihm durch den Kopf, so viele Möglichkeiten, um dem Nowak zu zeigen, dass er in Wien sehr viel besser aufgehoben war und in der schönen Mölltaler Bergwelt nichts verloren hatte. So vertieft war Sepp in seine Überlegungen, dass er den Schmalspießer auf der Lichtung erst bemerkte, als dieser äsend bis auf wenige Meter an den Hochsitz herangekommen war. Brettlbreit stand der junge Hirsch vor ihm, als ob er von allein in die Tiefkühltruhe springen wollte. Aber das Aufbrechen des Stückes und das Versorgen des Wildbrets hätte Sepp mindestens eine Stunde gekostet, eher zwei. Zeit, die er nicht verschwenden wollte. Er musste mit Belten reden, sofort. »Beim nächsten Mal«, rief er dem Hirsch zu, der verschreckt absprang, als Sepp abbaumte. Also, wenn der Schmalspießer nicht vorsichtiger wurde, dachte er beim Hinunterklettern, erlebte er den Beginn der Schonzeit am Jahresende nicht mehr und würde auch nie ein kapitaler Platzhirsch werden, der Rivalen in der Brunftzeit mit tiefem Röhren aus seinem Revier vertrieb. Ja, und deshalb stand Sepp so früh am Morgen in seiner abgewetzten Lederhose und dem Wetterfleck aus tanngrünem Loden vor Belten, um ihn in seinen großartigen Plan einzuweihen. »Zusammen fällt uns schon was ein, um dem Nowak einen Strich durch die Rechnung zu machen. Dem werden wir’s zeigen! Der wird –« »Flattacher.« »Pass auf! Wenn der Nowak –« »Flattacher!« »Kannst mich verdammt noch mal ausreden lassen?«, schimpfte Sepp. So würde das nie etwas werden! Belten trat einen Schritt zurück. »Verpiss dich!« Mit einem lauten Krachen fiel die Tür ins Schloss. Das war doch wohl die Höhe! Heinrich schüttelte den Kopf und schlurfte in seine Küche. Kurz überlegte er, sich nochmals ins Bett zu legen, aber wenn er es recht bedachte, war er nach dem Ärger wach. Was wünschte er sich jetzt eine richtig schöne Tasse Kaffee! Doch Carola hatte ihn beim letzten Besuch darauf hingewiesen, dass er viel zu viel Kaffee trank, und ihm zu Tee geraten. Sie hatte es sich auch nicht nehmen lassen, gleich ein paar Päckchen mit diversen Mischungen einzukaufen und in seinen Küchenschrank zu stapeln. Ganz bewusst vor die verbeulte Kaffeedose mit dem Mohrenkopf. Manchmal erinnerte ihn seine Tochter so stark an Mutti, dass ihm die Tränen kamen. Wenn nur Mutti noch am Leben wäre. Wenn … Er wusste nicht, was dann wäre, aber er war sich sicher: Wäre seine viel zu früh verstorbene Frau noch am Leben, wäre vieles anders. Besser. Schöner. Er seufzte und griff nach einer Teepackung. Erdbeertraum. Einerlei. Tee wäre viel gesünder für ihn, für sein Herz und seinen Magen, hatte Carola ihm erklärt. Hmpf. Wenn er ein Magengeschwür bekam, dann sicher nicht vom Kaffee, sondern von Sepp Flattacher. Mit gerunzelter Stirn setzte er Wasser auf und blieb, die Hände auf die Arbeitsfläche gestützt, beim Herd stehen. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was...