E-Book, Deutsch, 80 Seiten
Bionda / Carpenter / Büchner Tod inklusive
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-948592-74-5
Verlag: Ashera Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
E-Book, Deutsch, 80 Seiten
ISBN: 978-3-948592-74-5
Verlag: Ashera Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Acht Autorinnen und Autoren erzählen in dieser Sammlung mörderische Kurzgeschichten. Enthalten sind die Geschichten: Tod inklusive - Tanya Carpenter Der Zahn-Doc-Mörder - Barbara Büchner Augenblicke - Haike Hausdorf Bigo will, dass du das fühlst - Stefan S. Kassner Muttertag - Thomas Fitzner Erdbeer-Barbara-Marmelade und Johannes-Beeren-Gelee - Jana Engels Daddy's Girl - Caitlyn Young Bonusstory: Fridas Tode - Nena Siara
Alisha Bionda wurde in Düsseldorf geboren und lebt seit 1999 auf den Balearen. Schon seit frühester Kindheit haben es ihr die Literatur und Musik angetan. Aber auch die bildenden Künste. Ihre ersten Fantasy-Romane sind im Ueberreuter-Verlag in der von Wolfgang Hohlbein ins Leben gerufenen 'Edition Märchenmond' erschienen. Seit 2009 gibt sie 18 Reihen in verschiedenen Verlagen heraus.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Tod inklusive Tanya Carpenter Melody war nun wirklich nicht der Typ, der im Urlaub gerne Grüppchen mit anderen Hotelgästen bildete. Eigentlich war sie am ersten Abend sogar recht genervt gewesen, als die beiden einzigen freien Plätze beim Animations-Unterhaltungsprogramm am Tisch von Judith und Werner Kloß aus Köln gewesen waren. Aber Paul, ihr Freund, sah das lockerer und fragte höflich, ob sie sich dazusetzen dürften. Das Ehepaar in den Fünfzigern sagte freundlich ja und war sofort angetan von dem jungen Pärchen. Wider Erwarten wurde es ein schöner Abend. Judith und Werner zeigten sich interessiert, aber keineswegs aufdringlich. Erzählten viel von sich und wie sie sich kennengelernt hatten, aber ohne langweilig daherzuplappern und permanent in Erinnerungen an die schöne alte Zeit zu schwelgen. Melody und Paul entdeckten einige Gemeinsamkeiten mit den älteren Leuten, und kurzerhand schlossen sich beide Paare trotz des Altersunterschiedes zusammen. Das war vor drei Tagen gewesen. Seitdem frühstückten sie gemeinsam, weil alle vier Frühaufsteher waren. Und sie unternahmen auch zusammen Ausflüge – was diese gleichzeitig günstiger machte. Für den heutigen Tag war eine Fahrt zu den Pyramiden vorgesehen. Da der Zeitplan bei den Bustouren immer viel zu eng war, schlug Judith vor, einen privaten Führer zu engagieren. Durch vier geteilt kam das nicht teurer als die Tour mit der Reiseleitung. Mithilfe des Hotelrezeptionisten hatte sie sogar jemanden gefunden, der Deutsch sprach. „Ich habe gehört, dass man sogar auf die Pyramide hinaufklettern kann“, erzählte Judith begeistert am Tisch, während Werner gerade seinen Teller am Büffet neu füllte. In Melodys Augen tat er das ein bisschen oft. Sie war gelernte Krankenschwester und Werner war mehr als nur leicht adipös. Außerdem hatte er ein Herzproblem, das ihn zum Frührentner gemacht hatte. Aber Paul verbot ihr entschieden, etwas zu sagen. Sie waren im Urlaub, und Werner und Judith alt genug, um selbst zu wissen, was sie taten. Da durfte sich Melody nicht einmischen, bloß weil sie ihren Job nie gänzlich loslassen konnte. Zerknirscht hatte Melody ihrem Freund versprochen, nichts zu sagen. Aber die Vorstellung, wie Judith ihren kurzatmigen Gatten auf den Gipfel einer Pyramide jagte, ging ihr dann doch zu weit. „Meinen Sie nicht, dass das ein bisschen anstrengend für Werner sein könnte? Er ist ja nicht mehr der Jüngste und gestern auf dem Markt …“ Melody erhielt unterm Tisch einen Tritt von Paul gegen ihre Wade und verstummte. Dabei sagte sie doch nichts Falsches. Werner war gestern kurz vor einem Kollaps gewesen, die Lippen schon blau. Wenn sie ihn nicht in den Schatten gebracht und ihm ein Glas Wasser besorgt hätte, läge er heute vielleicht im Krankenhaus. Erschreckend, dass Judith so gar keinen Blick für die Gesundheit ihres Mannes hatte. Nach so vielen Ehejahren. Und wo sie wusste, dass sein Herz nicht mehr in Ordnung war. „Ach.“ Die rüstige Rentnerin winkte auch jetzt ab, die im Gegensatz zu ihrem Mann lediglich aufgrund ihrer Arthritis in den Vorruhestand hatte treten müssen und diese mit Tabletten sehr gut im Griff behielt, „er ist doch medikamentös bestens eingestellt. Genau wie ich. Das schaffen wir beide schon. Nicht wahr, Werner?“ Mit dümmlichem Grinsen ließ sich Werner auf den Stuhl neben seiner Gattin fallen. Schon jetzt schnaufte er vernehmlich, dabei war der Weg vom Büffet hierher höchstens zehn Meter weit. Und der Teller wog maximal sechshundert Gramm. Obwohl Melody gerne die Hälfte davon entfernt hätte. Zum Beispiel die doppelte Portion Rührei. Oder den fetten Speck. Wie konnte man als Herzpatient nur so viel Fett in sich hineinstopfen? „Melody macht sich Sorgen, ob du den Ausflug schaffst, Liebling. Weil dir gestern so schwindlig war.“ Schwindlig ist ziemlich untertrieben, dachte Melody, biss sich aber auf die Lippen. „War nur ein kurzer Schwächeanfall“, beschwichtigte Werner ebenfalls. „Hab wohl zu wenig beim Frühstück gegessen.“ Eher zu viel. Wenn es wenigstens Vollkornbrot und ein kleiner Obstsalat gewesen wären. „Die neuen Herztropfen wirken wahre Wunder, nicht wahr mein Schatz? Wir waren extra vor dem Urlaub nochmal beim Arzt, um auf Nummer sicher zu gehen.“ Judith tätschelte ihrem Werner die Hand und blickte ihn mit vor Liebe strahlenden Augen an. Vielleicht sah sie es ja wirklich zu dramatisch. Die beiden waren so ein glückliches und eingeschworenes Paar. Sicher ging Judith nicht leichtfertig mit Werners Gesundheit um. Außer, was das Essen anging. Aber vermutlich ließ er sich da auch einfach nichts mehr sagen. „Die neuen Tropfen sind gut“, bestätigte Werner und schob sich eine große Gabel voller Rührei mit Speck in den Mund. „Schmecken nur ein bisschen komisch“, nuschelte er genüsslich kauend. Als Melody den Mund öffnete, um zu fragen, welches Präparat er denn vom Arzt bekommen hatte, erntete sie einen zweiten Tritt – diesmal heftiger – und schwieg. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel, während sie in die Wüste hinausfuhren. Melody zweifelte inzwischen, dass es eine gute Idee gewesen war, diesen Ausflug ausgerechnet heute zu machen, wo Temperaturen von bis zu 45 Grad angekündigt worden waren. Werner schwitzte wie ein Tier. Seine Haut war ungesund rot, außer im Bereich um die Lippen, dort war sie erschreckend blass, was den bläulichen Schimmer seines Mundes noch verdeutlichte. „Geht es Ihnen gut, Werner?“, fragte sie vorsichtig, Pauls warnenden Blick stur ignorierend. „Alles bestens. Nur ein bisschen warm heute. Und dieses verdammte Auto hat keine Klimaanlage.“ Das hatte es wirklich nicht. Die Hitze setzte auch Melody zu. Aber ihr Körper verkraftete das. Sie war jung, schlank und trainiert. Werner war das genaue Gegenteil. Bei den Pyramiden mussten sie Schlange stehen – über eine Stunde. Judith fächelte sich mit einem Prospekt Luft zu und lächelte gequält unter ihrem weißen Strohhut hervor. Dass ihr Mann weder Hut noch eine Möglichkeit zum Fächeln hatte, schien sie nicht zu bemerken. Melody bot ihm höflich ihr Prospekt an, aber Werner lehnte ebenso höflich ab. Auf dem Kopf hatte er schon einen gehörigen Sonnenbrand. Wenn er jetzt noch einen Sonnenstich dazu bekam, würde er den Rest des Urlaubs im Krankenhaus verbringen. Hoffentlich in einem der Moderneren. „Vielleicht sollten wir nach drinnen gehen. Da ist es auch kühler als hier draußen“, schlug Melody vor. „Oben auf den Pyramiden gibt es ja eh nichts Besonderes zu sehen.“ Judith war damit nicht einverstanden. Sie zog einen Schmollmund. „Aber die Aussicht. Ich wollte die Aussicht von dort oben genießen. Werner …“ Der halb bittende, halb vorwurfsvolle Ton in ihrer Stimme zeigte sofort Wirkung. Egal, was Melody noch sagen wollte, es stieß ohnehin auf taube Ohren. Außer bei Paul, der ihr dafür später im Hotel sicher eine ordentliche Szene machen würde. Ihr Fremdenführer ignorierte Werners zusehends bedenklicheren Zustand ebenso nachhaltig wie Judith. Zumindest Paul machte nun ebenfalls eine besorgte Miene, hielt sich aber weiterhin raus. Melodys Krankenschwesterherz hingegen schlug Alarm. Das konnte nicht gut gehen. Werner stolperte mehrfach, keuchte, Schweißperlen tropften ihm vom Gesicht. Judith fächelte, strahlte und kletterte wie eine Gämse weiter hinter dem Araber her, der in gebrochenem Deutsch die Aussicht von oben pries. Als sich Werner schnaufend wie ein Walross auf einen der Steine setzte, holte Melody ihre Wasserflasche aus dem Rucksack und hielt sie ihm hin. Er nahm dankbar einen großen Schluck. Sein Atem klang rasselnd, die Lippen waren bereits lila. „Wir sollten wieder nach unten gehen. Werner geht es nicht gut. Ich kann auch allein mit ihm zurückgehen, dann können Sie die Aussicht genießen, Judith.“ Sie musste rufen, weil Judith schon weiter oben war. Die Seniorin blieb stehen, die Sonne im Rücken. Melody konnte ihr Gesicht nur schwer erkennen, glaubte aber, sie grinsen zu sehen, was sie angesichts des Gesundheitszustandes von Werner unangemessen fand. „Wir haben noch nie etwas getrennt gemacht, seit wir zusammen sind, nicht wahr, Werner?“ Sprach sie seinen Namen tatsächlich mit fordernder Schärfe aus, oder klang es nur so? Jedenfalls schien es Werner unter Druck zu setzen, denn er lächelte gequält und rappelte sich wieder auf die Beine, um seiner Frau zu folgen. Er kam genau drei Schritte weit – dann brach er zusammen. „Werner!“, hallte es hysterisch von oben herab. Ein Krankenwagen kam nicht bis zu den Pyramiden heran. Mit vereinten Kräften hatten Paul und ihr arabischer Touristenführer den bewusstlosen Werner wieder nach unten getragen. Melody hatte ihr Möglichstes getan, ihn zu beatmen, was nicht so einfach war, da sich Judith permanent an sie geklammert und geheult hatte. Eine Herzmassage war undenkbar, selbst als sie endlich am Fuß der Pyramide angekommen waren. Irgendwie wollte der Gedanke nicht von Melody weichen, dass dies das Zünglein an der Waage sein könnte. Der...