Beyerlein | Die Kette der Dragomira | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 196 Seiten

Beyerlein Die Kette der Dragomira

Eine Erzählung von den Slawen Norddeutschlands im frühen Mittelalter

E-Book, Deutsch, 196 Seiten

ISBN: 978-3-7386-9784-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Er konnte es nicht glauben, dass er von zu Hause weggehen musste, ganz alleine mitten unter die Feinde ... Als der Fürstensohn Niklot als Geisel an den fernen Königshof in Starigard ziehen muss, schenkt ihm Dragomira zum Abschied ihre Halskette. Doch gerade diese Kette wird ihm beinahe zum Verhängnis. Ein spannendes Abenteuer bei den Slawen Norddeutschlands im frühen Mittelalter.

Gabriele Beyerlein ist seit 1987 freie Schriftstellerin und hat mehr als dreißig Bücher für Kinder, für Jugendliche und für Erwachsene veröffentlicht, darunter zahlreiche in der Vergangenheit spielende Jugendromane, in denen sie eine spannende Handlung mit historischer Genauigkeit verbindet. Ihre Bücher standen wiederholt auf Nominierungslisten für Literaturpreise. Sie erhielt den Heinrich Wolgast Preis 2008 und den Gerhard Beier Preis 2010. Gabriele Beyerlein hat Psychologie studiert, promoviert und in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre gearbeitet. Nachdem sie ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckt hatte, machte sie sich als Autorin selbstständig. Sie lebt heute in Darmstadt.
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TEIL 2
Kapitel 1 Slawomira zog fröstelnd die Decke höher. Kalt und hart kratzte sie ihr an der Nasenspitze. Ihr Atem musste gefroren sein und als Raureif auf der Decke liegen. Sie schob sie schaudernd wieder etwas zurück. Ob sie aufstehen sollte und sich eine weitere Decke suchen? Oder am besten gleich den Ofen neu anfeuern, den sie am Nachmittag hatte ausgehen lassen und der nur noch schwache Wärme ausstrahlte? Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, den Schutz ihres Bettes zu verlassen und in dieser dunklen Kälte herumzutappen. Leise heulte der Wind. Sie hörte, wie er irgendwo durch eine Spalte zwischen Reetdach und Flechtwand pfiff. Sie nahm sich vor, gleich am nächsten Tag diese Spalte zu suchen und mit Moos zu verstopfen. Zur Giebelöffnung fiel eisiger Frost herein. Es war noch mitten in der Nacht, aber wie sollte man schlafen, wenn man so fror! Niklot wärmte sich jetzt sicher an seiner kleinen Katze. Wie sein Gesicht geleuchtet hatte, als er auf das Kätzchen geschaut hatte! Ob er sie, Slawomira, jemals so ansehen würde? Sie schloss die Augen und stellte sich Niklot vor: seine schwarzen Haare, sein schmales Gesicht, das immer irgendwie sonnengebräunt aussah, seine großen dunklen Augen über hohen Wangenknochen, sein trauriger Mund. Eigentlich sah Niklot immer traurig aus, traurig auf eine Art, die in ihr das Verlangen weckte, über sein Haar zu streichen und sein Gesicht zu berühren. Sie schüttelte den Kopf. Natürlich würde sie das nie tun. Und nun würde sie Niklot sowieso nur noch von weitem sehen, da der König ja verboten hatte, dass er sie weiter besuchte. Trotzdem … Wäre es bloß nicht so schrecklich kalt! Zitternd zog sie die Beine hoch und umschlang sie mit ihren Armen. Ob Rochel auf seiner Schlafbank in der Silberschmiede jetzt ebenfalls wach lag und fror? Und ob er auch noch an den Streit denken musste? Zum ersten Mal hatten sie sich gestern gestritten, richtig gestritten. Sicher, Streitigkeiten hatte es öfter mal zwischen ihnen gegeben, Kleinigkeiten, über die man sich im einen Augenblick aufregte und über die man im nächsten Augenblick gemeinsam lachte. Aber gestern war es etwas anderes gewesen. Was nur plötzlich mit Rochel los war? Dabei hatte sie ihm doch überhaupt nichts getan! Sie war voller Freude zu ihm gelaufen und hatte gesagt: »Hast du schon gehört, Rochel? Niklot ist frei! Der König hält ihn nicht mehr eingesperrt! Ist das nicht herrlich?« Und Rochel hatte ihr einen finsteren Blick zugeworfen und gemurmelt: »Wenn du das herrlich findest.» Da hatte sie sich ereifert: »Rochel, was soll denn das? Sag bloß, du hättest ihm gewünscht, dass er eingesperrt bleibt!» »Vielleicht hättest du es dir ja wünschen sollen!« »Warum soll ich mir das denn wünschen! Ich finde es großartig von Niklot, dass er freiwillig seine Flucht aufgegeben hat. Und du sagst, ich soll mir wünschen, dass er weiter bestraft wird!« »Na, da hättest du ihn doch so schön trösten können. Sicher wäre bald mal wieder die Magd krank geworden, damit du dich bei Niklot einschleichen könntest.» »Du bist gemein, wie du das sagst! Niklot tut mir doch nur leid.« »Leid! Für jemanden, der dir nur leid tut, redest du ganz schön viel von ihm! Aber natürlich, er soll ja aus einer Königsfamilie kommen. Er ist ja so edel und tapfer und was weiß ich nicht noch alles.« Wie höhnisch er das gesagt hatte! Aber sie hatte versucht einzulenken: »Rochel, hör doch auf! Ich weiß gar nicht, was du plötzlich hast.« Da hatte er giftig geantwortet: »Nein? Weißt du das nicht? Dann bist du dümmer, als ich geglaubt hätte!« Und damit hatte er sie einfach stehen lassen. Slawomira hielt es in ihrem kalten Bett nicht mehr aus. Sie stand auf, wickelte ihre Schlafdecke um sich, tastete zum Ofen und brachte das Feuer wieder in Gang. Endlich leckten die Flammen empor. Ein Schaf drängte sich an sie. Slawomira schob ihre Füße unter seinen warmen Leib, vergrub ihre Hände im Fell des Tieres und starrte durch das offene Feuerloch auf das Lodern. Wäre nur nicht so ein Durcheinander in ihr! Es war immer alles klar und einfach gewesen. Sie hatten immer ganz selbstverständlich zusammengehört, sie und Rochel. Und das taten sie doch auch jetzt noch! Oder etwa nicht? Sie seufzte tief auf. »Ach, Rochel«, flüsterte sie leise, »ich liebe dich doch. Ehrlich. Es ist nur – ach, ich weiß doch selber nicht, was ist! Aber wenn du mich nicht mehr magst, das ertrage ich nicht.« Sie legte noch mehr Holz auf und verzog sich zurück in ihr Bett. Sobald die Wandung des Ofens wieder durchgewärmt war, würde es angenehmer in der Hütte werden. Aber schlafen würde sie nicht mehr können. »Was ist, Slawomira, willst du heute gar nicht aufstehen?« Ihr Vater stand neben ihr und strich ihr lächelnd übers Gesicht. Da musste sie wohl doch eingeschlafen sein. »Du hast uns heute Nacht ja ganz schön eingeheizt!« Slawomira stand auf. »Ich habe so gefroren«, sagte sie. Der Vater nickte. »Ja, so einen kalten Winteranfang hatten wir schon lange nicht mehr. Beeil dich bitte, Slawomira, ich brauche deine Hilfe. Fürst Anatrog hat für heute Morgen eine Ladung Geschirr bestellt, die müssen wir noch verpacken.« Slawomira zog sich rasch an und schob den Kochtopf mit der Grütze, die vom Vortag übrig war, ins Ofenloch. Während sie sich mit der einen Hand kämmte, holte sie mit der anderen zwei Schalen und zwei Holzlöffel vom Wandbord. Seit dem Tod ihrer Mutter führte sie für ihren Vater den Haushalt. Besorgt beobachtete sie, wie er zusammengekrümmt auf der Bank saß und mit schmerzhaft verzogenem Gesicht seine Beine massierte. »Ist es sehr schlimm, dein Gliederreißen?«, fragte sie. Der Vater zuckte die Achseln: »Daran muss ich mich wohl gewöhnen. Der kalte Wind macht es nicht besser. Aber solange mir nur die Beine steif werden, will ich zufrieden sein. Wenn nur die Hände noch mitmachen! Ist der Brei schon fertig?« Slawomira füllte ihm die Schale und reichte sie ihm. Wenig später rannte sie schon in den nächsten Hof zur Schreinerwerkstatt, in jeder Hand einen großen Korb, um sich Späne zu holen, zwischen denen man das Geschirr sicher verpacken konnte. Als sie zurücklief, sah sie vor der Werkstatt des Stellmachers einen Ochsenkarren halten, von dem eben ein Dienstmann des Fürsten Anatrog abstieg. Der Stellmacher kam aus seinem Haus. »Was ist«, rief der Dienstmann ungeduldig, »warum steht der Wagenkasten nicht bereit, ich soll ihn mitnehmen!« »Es ist alles fertig wie bestellt«, erwiderte der Stellmacher eilfertig und wies seine Gehilfen an, den Kasten aus dem Schuppen zu holen und auf den Karren zu verladen. Slawomira blieb stehen. Sie betrachtete diesen stabilen Kasten, der über zwei Schritt lang war und fast die Form eines Bootes hatte, sodass man darin Waren sowohl auf Wagen als auch auf Schiffen befördern konnte. Ihr kam ein Gedanke: Hierin würde sich das Geschirr gut verpacken lassen, sicherer als nur in Körben. »Hast du Waren, die du in den Kasten verladen musst?«, fragte sie den Dienstmann. »Pelze«, erwiderte er unfreundlich. »Aber das ist ja bestens!«, rief Slawomira aus. »Da können wir das Geschirr mit den Pelzen im Wagenkasten verstauen, so geht bestimmt nichts entzwei.« »Nein, das Geschirr kommt in Körbe auf den Wagen«, erwiderte der Mann kurz angebunden. Slawomira sah sich kopfschüttelnd an, wie schmal der Zwischenraum war, der nach Verladen des Kastens auf dem Karren noch frei blieb. »Aber anders wäre es viel besser!«, beharrte sie. »Ich hab was gegen Mädchen, die alles besser wissen wollen«, sagte der Mann unfreundlich. Slawomira ging weiter. Warum war dieser Kerl so stur und dann auch noch so unverschämt! Dabei hatte sie recht gehabt. Als später der Ochsenkarren vor der Töpferei hielt, betrachtete sie die Ladung Pelze, die inzwischen in dem Kasten lag. Das hatte sie sich doch gleich gedacht, dass der Kasten nicht voll sein würde! Sie half ihrem Vater, die Körbe neben den Kasten in den Karren zu heben. Wenn der Kasten verrutschte, würde er gegen die Körbe drücken und die Töpferwaren zerquetschen. Slawomira sah den Dienstmann böse an und sagte spitz: »Überhaupt zeugt es von wenig Verstand, mit einem gewöhnlichen Karren einen Wagenkasten abholen zu wollen, statt mit einem Wagengestell, das dafür gemacht ist, dass man einen Kasten darauf befestigt! Und dann noch Körbe mit Geschirr daneben zu stellen.« »Meinst du, ich weiß das nicht selbst!«, fuhr der Dienstmann sie an. »Ich bin gekommen, das Geschirr zu holen. Von einem Kasten wusste ich nichts. Den hat der Fürst erst gestern Abend gekauft. Und genau so und nicht anders...


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