Vom Scheitern der Verhandlungen einer Betriebsvereinbarung bis zum Spruch der Einigungsstelle
E-Book, Deutsch, 286 Seiten
ISBN: 978-3-7562-8721-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christian Betz war über 40 Jahre im Arbeitsrecht bei den Gewerkschaften DAG, dann bei ver.di, tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte die Begleitung von Betriebsräten bei ihrer aktiven Arbeit bis hin zur Vertretung vor Arbeits- und Sozialgerichten. Betz war externer Beisitzer in Einigungsstellen. Christian Betz war über Jahrzehnte als ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Kempten und beim Landesarbeitsgericht Bayern tätig. Er hat mehrere Fachbücher verfasst und ein Kliniknetzwerk für Betriebs- und Personalräte gegründet. Er ist der Ideengeber der "www.betriebsratundrecht.de"
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Wer sitzt in einer solchen Einigungsstelle und warum?
Betriebsverfassungsgesetz § 76 Einigungsstelle (1) … (2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird. (3) … Wenn es so weit ist, dass der Arbeitgeber oder der Betriebsrat ein Einigungsstellenverfahren eingeleitet hat, muss die Zusammensetzung der Einigungsstelle festgelegt werden. Merke! Eine Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Zahl von Beisitzern von jeder Seite und aus einem oder einer Vorsitzenden. 2.1. Wie kommt die Einigungsstelle zustande?
Der Betriebsrat und der Arbeitgeber entsenden jeweils „ihre“ Vertreter oder Vertreterinnen in die Einigungsstelle, ohne dass die „Gegenpartei“ ein Vetorecht hat. Das heißt, jeder der Betriebspartner kann autonom entscheiden, wer seine Interessen in der Einigungsstelle vertritt. Unumgänglich ist dabei, dass beide Parteien die gleiche Anzahl von Beisitzern in die Einigungsstelle entsenden. Deshalb müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Anzahl der Beisitzer – also auf die Größe der Einigungsstelle – einigen. Bei Nichteinigung entscheidet das örtliche Arbeitsgericht. Das BetrVG kennt keine Vorschriften, welche Voraussetzungen die Beisitzer einer Einigungsstelle vorweisen müssen. Es steht dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber vollkommen frei, wer „ihre“ Interessen in der Einigungsstelle wahrnehmen soll. Deshalb müssen die Beisitzer keine Arbeitgeber-(Vertreter), leitende Angestellte oder Betriebsratsmitglieder sein. Einigungsstellenmitglied kann jede oder jeder werden. Es können zum Beispiel Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer sein, die vom Streit (den die Einigungsstelle erledigen soll) betroffen sind oder Rechtsanwälte oder Gewerkschaftsvertreter oder Vertreter aus einem Arbeitgeberverband sein. Oder…. Jede Betriebspartei kann jede oder jeden in das Gremium entsenden. Autonom! 2.2. Die Größe der Einigungsstelle
In einem ersten Schritt müssen sich der Betriebsrat und der Arbeitgeber über die Größe der Einigungsstelle einigen. Können sich die beiden nicht über die Anzahl der Beisitzer einigen, entscheidet das Arbeitsgericht in einem Beschlussverfahren, das beide Seiten einleiten können. Die übliche Größe einer Einigungsstelle besteht in der Praxis aus zwei oder drei Vertretern von jeder Seite. Also vier oder sechs Beisitzer oder Beisitzerinnen. Doch davon später mehr. Wie schon gesagt: Es müssen nicht zwingend Betriebsangehörige sein. Der Betriebsrat kann zum Beispiel den Betriebsratsvorsitzenden und einen Gewerkschaftssekretär oder einen Rechtsanwalt entsenden. Umgekehrt steht es dem Arbeitgeber frei, zwei Vertreter seines Arbeitgeberverbandes zu benennen oder die Personalchefin und einen Rechtsanwalt. Es könnte auch der Onkel aus Lenggries berufen werden. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich also über die Größe der Einigungsstelle einigen. Eine Partei macht der Gegenpartei einen Vorschlag – zum Beispiel vier oder sechs Beisitzer. Die andere Partei ist dann entweder mit der Größe einverstanden oder macht einen Gegenvorschlag. Das Schreiben des Betriebsrats an den Arbeitgeber wegen der Größe der Einigungsstelle könnte wie folgt formuliert werden: MUSTERBRIEF an den Arbeitgeber wegen der Größe der Einigungsstelle: An die Geschäftsführerin der XY GmbH Ort, Datum Sehr geehrter Frau XY, wie Ihnen der Betriebsrat bereits mitgeteilt hat, soll über die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitkonto“ eine Einigungsstelle entscheiden. Der Betriebsrat hat sich mit der Größe der Einigungsstelle befasst. Nach Auffassung des Betriebsrats soll die Einigungsstelle aus sechs Beisitzern – also drei Beisitzern von Ihrer und drei Beisitzern von unserer Seite bestehen. Sollten wir innerhalb der nächsten 7 Tage nicht von Ihnen hören, gehen wir davon aus, dass Sie mit der Größe der Einigungsstelle einverstanden sind. Für Rückfragen steht Ihnen der Betriebsratsvorsitzenden gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Anneliese Sorglos Betriebsratsvorsitzende Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Größe, kann dieser Punkt abgehackt werden. Wenn sich die Parteien nicht über die Anzahl der Beisitzer einigen können, entscheidet das Arbeitsgericht in einem sogenannten Beschlussverfahren, wie viele Beisitzer in der Einigungsstell sitzen sollen. Dieses arbeitsgerichtlich Verfahren können sowohl der Arbeitgeber wie auch der Betriebsrat einleiten. Schon in diesem Stadium kann sich der Betriebsrat von seiner Gewerkschaft oder einem Rechtsanwalt (Fachanwalt für Arbeitsrecht) vertreten lassen. Achtung!
In diesem Falle muss der Betriebsrat einen Beschluss fassen, dass der Arbeitgeber die Kosten des Einigungsstellenverfahrens und der Rechtsvertretung zu tragen hat. Die Gewerkschaften kennen in der Materie aus. Wenn ein Rechtsanwalt den Betriebsrat vertreten soll, sollte es schon einer sein, der Erfahrungen mit Beschlussverfahren und Einigungsstellen hat. Diese Anwälte gibt es nicht wie „Sand am Meer“. Wer keinen (arbeitnehmerfreundlichen) erfahrenen Fachanwalt kennt, fragt einfach beim örtlichen Arbeitsgericht oder beim DGB nach. Die kennen ihre „Pappenheimer“ und geben sicher einen Tipp. Also: Entweder auf dem Verhandlungsweg oder nach einem arbeitsgerichtlich Beschlussverfahren steht fest, wie groß die Einigungsstelle sein wird. 2.3 Der oder die Vorsitzende der Einigungsstelle
Nachdem die Anzahl der Beisitzer – also die Größe der Einigungsstelle - geklärt ist muss ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende für die Einigungsstelle gefunden werden. Für jede Einigungsstelle muss zwingend ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende gefunden werden. Diese Entscheidung müssen der Arbeitgeber und der Betriebsrat treffen. Es liegt im freien Ermessen des Betriebsrats und des Arbeitgebers zu bestimmen, wer den Vorsitz übernehmen soll. Die beiden Parteien müssen sich allerdings auf eine Person einigen. Und das ist in der Praxis gar nicht so einfach. Warum? Ganz einfach: Weil der oder die Vorsitzende der Einigungsstelle bei einer Abstimmung mit Stimmengleichheit (zweimal ja, zweimal nein zum Antrag) das „Zünglein an der Waage“ ist und damit die entscheidende Stimme hat. 2.4. Wie findet man die oder den Vorsitzenden?
Eine der Parteien (Betriebsrat oder Arbeitgeber) macht einen Vorschlag, wer aus ihrer Sicht Vorsitzende/r der Einigungsstelle werden soll. Wenn der Betriebsrat aktiv wird, sollte darüber einen Beschluss gefasst werden. Wenn der Betriebsrat keine oder keinen kennt, der den Vorsitz übernehmen könnte, empfiehlt sich ein Besuch des örtlichen Arbeitsgerichts. Der Betriebsratsvorsitzende meldet sich an der Pforte an und fragt nach einem Arbeitsrichter, mit dem er über ein anhängiges Einigungsverfahren sprechen kann. Die gibt es bei jedem Arbeitsgericht. Warum? Weil beim Großteil aller Einigungsstellenverfahren Arbeitsrichter als Vorsitzende tätig werden. Wenn der Betriebsrat ein Kandidat oder eine Kandidatin gefunden hat, der aus seiner Sicht den Vorsitz übernehmen soll, teilt er diese Person dem Arbeitgeber mit. Dies kann mit folgendem Musterschreiben geschehen: MUSTERBRIEF an den Arbeitgeber zum Vorsitz An den Geschäftsführer der XY GmbH Ort, Datum Lieber Chef, bereits mit Schreiben vom xx.xx.2023 hat Ihnen der Betriebsrat mitgeteilt, dass ein Einigungsstellenverfahren eingeleitet werden soll. Über die Anzahl der Beisitzer haben wir uns geeinigt. Nun hat sich der Betriebsrat mit der Person der oder des Vorsitzenden der Einigungsstelle gefasst. Nach Auffassung des Betriebsrats sollte den Vorsitz die Richterin am Arbeitsgericht XY, Frau XY Übernehmen. Frau XY hat schon mehrere Einigungsstellen geleitet. Sollte der Betriebsrat bis Montag, xx.xx.2023 (ca. 1 Woche) nichts von Ihnen hören, geht der Betriebsrat davon aus, dass Sie mit dem Vorschlag einverstanden sind. Der Betriebsrat wird dann die bisherige Korrespondenz in der Angelegenheit an die Vorsitzenden übergeben. Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Hubert Sorgenfrei Betriebsratsvorsitzender Mit diesem Schreiben setzt der Betriebsrat den...