Benedict | Wenn man zu lange auf den Ozean schaut | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 292 Seiten

Benedict Wenn man zu lange auf den Ozean schaut

E-Book, Deutsch, 292 Seiten

ISBN: 978-3-7392-5939-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wie ist eine russische Frau in der Liebe? Was ist Liebe für eine 'typische' Russin, die auch tatarische Wurzeln hat? Wie ein loses Blatt im Herbstwind taumelt Frida von Mann zu Mann, von einem Land ins nächste - von der russischen Pazifikküste nach Lissabon, wo sie schließlich ihre große Liebe findet. Das glaubt sie zumindest. Dieser Roman ist eine packende west-östliche Kulturgeschichte der Liebe - mit authentischen Charakteren und vielen individuellen Facetten. Spannend wie ein guter Krimi, steht er in der besten Tradition des Genres und reiht sich damit ein in Werke bedeutender Autoren wie Honore de Balzac oder Ivan Turgenev.

Sophia Benedict, Schriftstellerin, Dramatikerin, Lyrikerin
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Autoren/Hrsg.


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TEIL 2
IN DER UMARMUNG MOSKAUS
Meine Einsamkeit beginnt in deiner Umarmung… Nina Berberowa Sokolniki
Moskau… Diese Stadt schien immer so fern zu sein! Jetzt war sie da… Mitja hatte ein großes Zimmer in einer Dreizimmerwohnung in Moskaus schönstem Bezirk Sokolniki. Der Name kommt vom russischen Wort sokol für Falke und von einem riesengroßen Park, der einmal ein Wald gewesen war, in dem man der Falkenjagd gefrönt hatte. In den beiden anderen Zimmern wohnten Maria Iwanowna, eine ehemalige Musiklehrerin, und Lenotschka, eine Studentin der Wirtschaftsuni. Mitjas Eltern waren beide Maler, sie waren in ihr gemütliches Wochenendhaus bei Moskau gezogen, damit Mitja sein eigenes Leben führen konnte. „Du wirst bei mir wohnen“, sagte er entschlossen und verschob den Schrank, um einen Teil des Zimmers – mit einem Bett und einem kleinen Kasten – abzutrennen. „Schlafen wirst du hier, ich schlafe auf dem Sofa!“ „Was werden deine Nachbarn dazu sagen?“, fragte ich, immer noch nicht verstehend, wie es dazu gekommen war, dass ich mich hier in diesem Zimmer in Moskau befand… „Ich habe gute Nachbarn. Außerdem geht sie das nichts an. Wenn du eine Meldeadresse in Moskau haben willst, werden wir heiraten. Zum Schein natürlich… Also… wenn du natürlich willst“, sagte Mitja. Und fügte leise fragend hinzu: „Oder auch nicht zum Schein…“ Mitja war ein paar Monate jünger als ich, er hatte nicht das Selbstbewusstsein von Pawluscha, unsicher war er aber auch nicht. Er war einfach anders selbstbewusst, sein Selbstbewusstsein war unaufdringlich. Mitja war sehr lieb. Pawluscha war auch lieb gewesen, aber anders lieb, er wusste viel zu gut, was er wollte und nahm es sich auch. Um jeden Preis. Pawluschas Liebe war jene Steinwand, hinter der ich mich vor den Stürmen des Lebens verstecken konnte. Wände sind aber nicht nur dazu da um sich dahinter sicher zu fühlen, oft verdecken sie auch das Licht. Sie können ein Gefängnis werden. Auch dann, wenn die wunderschönen Gärten der Semiramis dahinter liegen. Egal wie schön ein Gefängnis ist, es bleibt immer ein Gefängnis. Pawluscha hatte für mich gesorgt, bei ihm hatte ich alles gehabt, was eine Frau sich nur wünschen konnte. Aber – und das ist eine alte, banale Wahrheit – alles hat seinen Preis. Ich wurde eine Gefangene von Pawluschas Fürsorge. Am Anfang genoss ich das, aber bald sog Pawluschas grenzenlose Liebe mein Leben auf. Ich hatte dagegen rebelliert. Jetzt aber fehlte mir seine Liebe. Ich dachte, ich liefe meinem eigenen Leben nach, aber mein eigenes Leben war nach wie vor sehr weit weg. Was ich hatte, war ein Teil von Mitjas Zimmer. Pawluschas starke Hände hatten mich nicht nur beschützt, sie haben mich zärtlich liebkost, sie hatten mich alles vergessen lassen, seine Liebe hatte mich glücklich gemacht, und jetzt… Es war meine Schuld. Ihm und mir selbst gegenüber. Ich war davongelaufen. Ich hatte uns beide verraten. Mitja war viel zu jung, als dass ich ihn hätte lieben können. Ich meine, so lieben, wie ich Wassilij oder Pawluscha geliebt hatte. Mitja mochte ich sehr, das war aber eine ganz andere Liebe. Warum war ich zu ihm gefahren?! Was sollte ich jetzt machen? Ich hätte in Kasan bleiben sollen. Nein, in Kasan zu bleiben wäre auch unmöglich gewesen. In unserer Wohnung war es mit dem Kleinen und der wieder schwangeren Asjka noch enger geworden. Zum Glück waren Tanjas Eltern wieder verreist, so konnte ich bei ihr schlafen. Abends lagen wir auf dem Sofa, schwatzten und tranken Sekt. „Und dennoch bist du nicht normal, Faridka, so einen Mann zu verlassen, wo findest du wieder einen wie ihn?“, meinte Tanja. „Kannst du nicht vernünftig werden, vielleicht gehst du zu Pawluscha zurück? Oder denkst du, er wird eine Davongelaufene nicht zurückhaben wollen?“ Er würde schon wollen, sicher! Ich konnte mir aber nicht vorstellen, wieder nach Wladiwostok zu fahren. Trotzdem vermisste ich Pawluscha sehr. Am Bahnhof tadelte mich Tanja weiter: „Wohin läufst du? Dort wirst du ganz von Null anfangen müssen. Hier kennst du die Leute, allein Ilias ist Gold wert. Er wird für dich einen guten Job finden, er hat jetzt so gute Beziehungen! Hier kennt man dich…“ „Wozu brauche ich Beziehungen?“, lachte ich. Ein seltsames Gefühl hatte ich, es war, als würde mich ein starker Wind, dem ich nichts entgegensetzen konnte, aus Kasan forttragen. Eine Karriere brauchte ich nicht, ich wollte einfach leben… „Wie, warum, was meinst du mit ‚einfach leben‘?“, härmte sich Tanja, „du lebst wie eine Pflanze.“ Eine Pflanze will auch leben. Meine Freundin tadelte mich dafür, dass ich für das Leben lebte und nichts anstrebte. Aber um etwas anzustreben, muss man unaufhörlich daran denken. Wann sollte man dann leben? Das war nichts für Faule wie mich. Ein solches Leben passt zu Menschen, die eine Art Bosheit in sich tragen, ich meine eine gute Bosheit, eine Bosheit, die einen zwingt voranzugehen, auch dann, wenn es schwer ist. Die Bosheit gibt aber nicht nur Kraft, sie verlangt sie auch, ich aber wollte meine Kräfte nicht für die Bosheit aufbrauchen… Was wollte ich dann? Frei bleiben. Und eine leichte Arbeit. Um nicht zu verhungern. Und weil ganz ohne Beschäftigung nicht einmal ein Mensch wie ich leben kann. „Eine leichte Arbeit bekommst du auch in Kasan, dafür musst du nicht wegfahren“, fuhr Tanja entrüstet fort. Ich konnte ihr nicht widersprechen. Ich wusste selbst nicht, was ich wollte. Eine Frau muss sich geliebt fühlen, Liebe ist für eine Frau wichtiger als das Leben. Sogar dann, wenn sie es sich nicht eingestehen will. Und sogar dann, wenn sie nicht fähig wäre, selbst jemanden zu lieben. Ich war einem Mann davongelaufen, der bereit gewesen war, mir alles zu geben. Von mir hatte er nichts als Zärtlichkeit erwartet. Aber auch Ergebenheit. Was das so schlimm? Doch, träumten nicht gerade davon Millionen Frauen auf der Welt?! Mitja wurde an der Kunstakademie aufgenommen, man sah seine Arbeit, und sofort hieß es: Ja, der passt zu uns! Ich war sehr stolz auf Mitja, das heißt, ich war stolz, einen so wunderbaren Freund zu haben. Der Erfolg unserer Freunde stärkt ja auch unser eigenes Selbstbewusstsein. Mir allerdings schien das irgendwie auch mein Verdienst zu sein. Ohne Moskauer Meldezettel bekommt man keinen Job, aber Meldezettel bekommt man auch keinen. Die Stadtverwaltung will nicht, dass die Stadt zu groß wird. Man kann nur eine Moskauer Meldeadresse haben, wenn man jemanden heiratet, der bereits in Moskau gemeldet ist. Deshalb hatte Mitja mir die Ehe vorgeschlagen. Von dieser Idee war ich aber nicht wirklich begeistert. Doch mein Geld ging bald zur Neige. Mitja sagte, wenn ich für ihn Modell säße, wäre das ein Beitrag zu unserer Haushaltskasse. War es denn Arbeit, einfach dazusitzen, aus dem Fenster zu schauen oder ein Buch zu lesen? Mitja sagte aber, dass ich mich irrte, diese Arbeit sei gar nicht so leicht wie sie aussah. Bald konnte ich mich selbst davon überzeugen: Längere Zeit ohne Bewegung dazusitzen, ist wirklich nicht einfach. Als später an der Kunstakademie Nacktmodelle gebraucht wurden, fragte Mitja, ob ich einverstanden wäre, nackt zu posen. Ich schämte mich meines Körpers nicht, fand ihn ganz okay. Außerdem schien es mir leichter zu sein, völlig Unbekannten Modell zu stehen. Mitja selbst hatte mich ja schon auf dem Schiff im Bikini gesehen. Abgesehen davon, dass wir uns ein Zimmer teilten, hatte ich mich an ihn wie an einen Verwandten gewöhnt. Vor Malern und Ärzten braucht man sich nicht zu genieren. In der Wohnung hängte Mitja meine Porträts auf. Seine Mitstudierenden betrachteten sie lange und erörterten, wie der Charakter angelegt war. Ich weiß nicht, ob ich so bin, wie auf diesen Porträts, sie sind meinem Spiegelbild zwar ähnlich, aber doch nicht ganz. Im Spiegel hatte ich nicht bemerkt, dass meine Augenwinkel ganz leicht nach unten geneigt sind – ein Hinweis auf meine orientalische Abstammung. Mein Mund ist ein wenig zu groß und die Mundwinkel weisen auch wie bei einem launischen Kind etwas nach unten. Einer von Mitjas Freunden sagte, dieser Mund bäte von selbst um einen Kuss. Ich nahm ihm das nicht übel, ich mag gerne geküsst werden, aber natürlich nicht von jedem. Mitjas Junggesellenzimmer war eine Art ständiger Treffpunkt: Seine Bekannten brachten ihre Bekannten mit, und wir unterhielten uns oft bis weit nach Mitternacht. Mitjas Freunde wurden schnell auch meine Freunde, und ich fühlte mich in dieser neuen Welt nicht mehr fremd. Nur Nachbarin Lenotschka begegnete meinen Versuchen, mich mit ihr anzufreunden mit Gleichgültigkeit, dafür aber bewirtete uns Mariwanna alias Maria Iwanowna mit schmackhaften Kraut-, Zwiebel- oder Marillenpiroggen. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass Musikerinnen so gut kochen. Zum Zeichen meiner Dankbarkeit bedachte ich sie ebenfalls bei meinen Einkäufen. Wir saßen dann stundenlang in ihrem Zimmer und schwatzten über dies und das. Einmal setzte ich mich sogar an ihr Klavier, und Mariwanna sagte, dass ich begabt sei und es wirklich schade wäre, dass ich nie Musik...


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