E-Book, Deutsch, 600 Seiten
ISBN: 978-3-96415-057-8
Verlag: Latos Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Roman ist abgeschlossen und hat einen Umfang von ca. 600 TB-Seiten!
Überarbeitete Neuauflage
Autoren/Hrsg.
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1. Kapitel
Die Hände in den Taschen ihres braunen knöchellangen Mantels vergraben, schlenderte sie müde und hungrig die Straße entlang. Direkt auf ihre Wohnung zu, und damit auf den Mann, der vor dem Haus im Dunklen auf sie wartete. Die Straßenlaternen waren bereits seit Stunden an und warfen ihr mäßiges Licht auf den Asphalt, verursachten einen alles verschlingenden Schatten dahinter. Um diese Uhrzeit war es still, sehr still. In vielen Wohnungen gingen allmählich die Lichter an, hier und da hörte man jemanden in sein Auto steigen und davon fahren. Um sechs Uhr dreißig am Morgen war eben noch nicht viel los auf dieser Straße. Doch so still wie jetzt war es noch nie gewesen. Sie wusste warum, doch es beunruhigte sie nicht im Mindesten. Sie kannte den großen Mann, und auch den Schatten, der ihr seit genau drei Tagen hinterher schlich. Sie hatte einen Fehler begangen, als sie deren Chef, Freund oder was auch immer, vor vier Tagen gerettet hat. Sie hätte sich nie darauf einlassen sollen. Doch allem zum Trotz hatte sie ihn davor bewahrt, von einigen Männern totgeprügelt zu werden. Gut, er war nicht der Erste, den sie gerettet hatte. Doch was danach folgte, war so noch nicht vorgekommen. Sie war zwar Krankenschwester, aber sich als Privatschwester für einen einzigen Patienten zu verdingen, war nicht ihr Ansinnen gewesen. Sie hatte auch keine altruistischen Ambitionen, als sie die Männer vertrieb und ihn in Sicherheit brachte. Im Gegenteil, sie handelte aus rein egoistischen Gründen. Seit Jahren schon half sie anderen Personen aus Notsituationen heraus und verlangte dafür die entsprechenden Gegenleistungen. Es war nicht Geld, was sie dafür verlangte. Auf Gefälligkeiten war sie aus. Gefälligkeiten, die sie irgendwann einforderte. Zu einem Zeitpunkt, den nur sie allein bestimmte. Wie gesagt, das Ganze war nicht ganz uneigennützig. Doch leider verhielt sich dieser Mann, Patrick, völlig anders. Seine Freunde waren ebenfalls nicht das, was sie zu sein vorgaben. Aber wer war das schon? Für sie spielte es keine Rolle. Jedenfalls hatten sie sie seit dem Vorfall beschatten lassen, was sie durchaus hätte verärgern können, tat es aber nicht. Es hätte sie amüsiert, wenn sie so etwas hätte empfinden können. Stattdessen war es eher belanglos. Wenn sie wollte, würde sie ihn schon abschütteln. Doch, dass dieser Mann dort stand, gefiel ihr nicht. Der Schatten hinter ihr tauchte unter, als sie direkt auf den großen Mann zuging. Sie musterte ihn kurz. Er sah wirklich gut aus mit seinen dunklen, kurzen Locken und dem Kinnbärtchen. Er war etwa eins siebenundachtzig groß, womit er sie um zwölf Zentimeter überragte, und schlank gebaut. Seine braunen Augen strahlten Wärme und Intelligenz aus. „Guten Morgen, Anna. Ich werde Sie nicht allzu lange aufhalten, aber ich habe noch ein paar Fragen an Sie.“ Als sie ihren eigenen Namen hörte, versteifte sie sich. Viel lieber blieb sie anonym. Und sie hasste es, dass sie es zugelassen hatte, dass sie ihre Tasche in die Hände bekommen hatten. Emotionslos blickte sie ihn an, während sie den Türschlüssel aus ihrer Manteltasche zog. Ihr Antlitz glich einer Maske. „Kilian, ich habe Ihrer Bekannten bereits alles Wichtige gesagt. Und ich bin mir ziemlich sicher, sie hat es Ihnen allen Wort für Wort mitgeteilt.“ Die Augen zusammengekniffen, beobachtete sie das Gebaren des Mannes. Er erschien zappelig, wechselte ständig von einem Bein auf das andere, als wäre die ganze Situation ihm mehr als unangenehm. „Manchmal vergisst man im Eifer des Gefechts etwas, was einem irgendwann später wieder einfällt“, setzte er erneut an, wohl wissend, dass es in ihrem Fall nicht so war. Sie konnte ihnen detaillierte Beschreibungen der vier Angreifer und deren Aufpasser geben und welche Waffen sie besaßen. Den genauen Ort des Überfalls und sogar die Fluchtfahrzeuge beschrieb sie bis ins kleinste Detail. Sie hatte ihnen wirklich alles geliefert, was sie wissen mussten. Und dennoch war es ihnen keine Hilfe gewesen. Kilian Reinshagen war für die Informationsbeschaffung zuständig und hatte diesbezüglich leichte Schwierigkeiten, etwas über die Täter zu erfahren. Anna zuckte mit den Schultern und ging auf die Türe zu. „Sie können sie nicht finden“, stellte sie sachlich fest. „Doch das ist nicht mein Problem.“ Wieder wechselte er unruhig von einem Fuß auf den anderen. Es war offensichtlich, dass die Situation ihm nicht behagte. . Sie zog eine Augenbraue hoch und fand es äußerst interessant, dass sie ausgerechnet ihn geschickt hatten. „Wir kommen nicht vorwärts. Mit dem, was Sie uns gegeben haben, kann ich sie nicht ausfindig machen und Patrick ist deswegen schon ziemlich bockig. Beinahe wäre er deswegen selbst hier aufgetaucht. Ich konnte ihn gerade noch so zurückhalten.“ Das war ebenfalls etwas, das sie nicht begrüßte. Sie kannten ihre Adresse. Anna biss die Zähne zusammen, um nicht laut zu fluchen. „Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Mehr gibt es nicht. Es sei denn …“ „Es sei denn, was?“ Begierig auf das, was da noch kommen mochte, beugte Kilian sich vor. „Was ist es Ihnen wert, einen Namen zu erfahren?“, wollte Anna wissen. Geschmeidig bewegte sie sich aus der Reichweite Kilians. Er stand ihr deutlich zu nahe. „Einen Namen, der im Zusammenhang mit dem Überfall auf Patrick Aurin steht.“ Aus zusammengekniffenen Augen schaute er sie skeptisch an. „Sie glauben, einen Namen beschaffen zu können?“ „Ich glaube nicht nur, dass ich es kann. Ich WERDE Aurin einen Namen beschaffen – wenn er bereit ist, den Preis dafür zu bezahlen.“ Seine Augen fixierten sie, doch sie wandte sich ab und steckte den Schlüssel ins Schloss. „Wie wollen Sie das schaffen?“ Misstrauisch beäugte er sie von oben bis unten. Kilian fühlte sich in seinem Stolz gekränkt. Als ob sie, eine Frau und dazu noch Krankenschwester, wüsste, wie man an offenbar heikle Informationen käme. „Das ist vollkommen belanglos. Also wollen Sie nun, dass ich Ihnen helfe, oder nicht?“, fragte sie ohne Nachdruck. Es war ihr egal, ob er darauf einging oder nicht. „Wie?“, hakte er nach. Sie schüttelte den Kopf über seine Sturheit und ging auf seine Frage nicht weiter ein. „Ich beschaffe ihnen einen Namen, bis, sagen wir ...“ Sie überlegte kurz nach einem Blick auf ihre Uhr. „… bis morgen früh. Die Nachtschicht endet um 6:00 Uhr. Nach Dienstende komme ich zu Ihnen.“ Belustigung sprach aus seinem Blick. „Ja sicher, Sie schaffen das an einem Tag, wozu ich eine geschlagene Woche nicht in der Lage war. “ Mit einem Schulterzucken öffnete sie die Türe und trat in den Flur. Rasch griff Kilian nach ihrem Ellenbogen, hielt sie fest, damit Anna ihn nicht einfach stehen ließ.. Sie entzog sich seiner Berührung und wandte sich zu ihm um. Ihre Augen hatten plötzlich einen eisigen Glanz. War ihr Blick vorher noch leidenschaftslos, so erschien er nun kalt und abweisend. „Nicht anfassen! Ist Ihre Entscheidung. Mein Angebot kennen Sie. Wenn Sie nicht darauf eingehen wollen, bitte.“ Tief sog er die kühle Luft ein und stieß sie mit einem tiefen Seufzen aus. „Also gut, tun Sie es!“ „Wenn Sie mich dann bitte entschuldigen wollen, ich habe noch einiges zu erledigen.“ Im nächsten Moment wurde Anna von der Dunkelheit des Flurs verschluckt. „Anna?“, rief er in die Schwärze hinein. „Anna? … Was genau ist überhaupt der Preis, den Sie dafür verlangen?“ Er bezweifelte zwar, dass es ihr wirklich gelang, einen Namen auf die Schnelle aufzutreiben. Aber falls doch, wollte er zumindest wissen, was es Patrick kosten würde. „Das erfährt er, wenn es so weit ist.“ Ihre klare, schöne Stimme drang durch die Dunkelheit und wärmte sein Innerstes. Gleichzeitig löste sie einen Schauder bei ihm aus. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter, als er der Emotionslosigkeit gewahr wurde. Scharf sog er die Luft ein und kehrte zu seinem Freund zurück, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Schatten auf ihn wartete. Kilian zog seinen schwarzen, langen Ledermantel enger um seinen Körper zusammen. Der kalte Wind schnitt ihm ins Gesicht. „Sie jagt einem Angst ein, oder?“, meinte Corvin lächelnd, als sein Freund vor ihm stand. Der blonde Hüne überragte Kilian noch um einige Zentimeter. „Ja, ihre Stimme ist so … so kalt. Eisig kalt.“„Jepp. Keine Ahnung, warum Patrick so scharf auf sie ist. Vielleicht stellt sie ja eine Herausforderung für ihn dar.“ „Hey Mann, lass ihn das bloß nicht hören. So schräg, wie er momentan drauf ist, lässt er dich glatt den kompletten Fuhrpark mit deiner Zahnbürste schrubben.“ Sie lachten beide und gingen die Straße entlang zu einem schwarzen Mercedes. „Hat sie dir noch Antworten liefern können?“ Corvin wusste, dass diese Frau ihnen mehr als notwendig an die Hand gegeben hatte, um entsprechende Nachforschungen anstellen zu können. Es hatte sie alle gewundert, wie sie überhaupt so viel hatte...