Beagle | In Kalabrien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 164 Seiten

Beagle In Kalabrien

E-Book, Deutsch, 164 Seiten

ISBN: 978-3-608-11025-8
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Claudio lebt zurückgezogen in den Bergen Süditaliens, fernab von allem modernen Leben. Allein seine Katzen, Kühe und Ziegen leisten ihm Gesellschaft. Eines Tages geschieht etwas Unfassbares: Ein Einhorn taucht in dem Weinberg hinter seinem Haus auf.

So atemberaubend und wunderschön das Einhorn ist, das urplötzlich vor ihm steht, es stellt Claudios Leben auf den Kopf. Der Plan, die Existenz des geheimnisvollsten aller Tiere geheim zu halten, scheitert. Und richtig gefährlich wird es, als neben aufdringlichen Journalisten auch gewalttätige Vertreter der Mafia sein abgeschiedenes Gut heimsuchen. Wie soll er, der nur den Postboten und seine anarchische Schwester als Freunde hat, das Einhorn schützen?

'In Kalabrien' ist eine grandiose Liebeserklärung des weltbekannten Fantasyautors Peter S. Beagle an sein schönstes Geschöpf!

'Peter S. Beagle ist ein sagenhafter Schriftsteller, ein Räuberprinz, der unterwegs ist, um die Herzen der Leser zu stehlen.'
Tad Williams

'Mit seiner eigenen und besonderen Magie lässt Peter S. Beagle Alltägliches wie Geister, Einhörner und Werwölfe in neuem Licht erstrahlen. Seit Jahren schätzt eine treue Leserschaft ihn als einen Wanderer in den Herzensgründen, die die Vernunft nicht kennt.'
Ursula K. Le Guin, Autorin von 'Der Magier der Erdsee'
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Weitere Infos & Material


A m Morgen nach Romanos Besuch – er hatte ansonsten nur wenige regelmäßige Gäste, abgesehen von dem einzigen örtlichen Polizisten, Tenente Esposito, der kurz vor dem Ruhestand war und manchmal unangekündigt auf einen Kaffee mit einem Schuss Grappa vorbeikam, um sich zwei Stunden über seine erwachsenen Kinder auszulassen – trat Bianchi in einen sonnigen, frostigen Morgen hinaus. Die amerikanischen Wissenschaftler haben recht, etwas verändert sich. Er war fest entschlossen, den Schnitt seiner anfälligen Reben zu beenden, ehe der Scirocco aus Afrika blies und die Pflanzen mit seiner trügerischen Wärme täuschte. Ein eisiger Wind strich ihm über die Wange; spät, der hätte deutlich vor der Morgendämmerung wehen sollen. Er hielt nach Cherubino Ausschau und war gelinde überrascht, dass der Ziegenbock – ein viel aggressiverer Wachposten als Garibaldi – ihn nicht schon herausfordernd an der Tür begrüßte. Dann bückte er sich, um den schwarze Kater Mezzanotte hinter den Ohren zu kraulen. Während er sich wieder aufrichtete und in seine abgewetzte, heiß geliebte Lederjacke schlüpfte, dachte er: In dem Kleidungsstück steckt ein Gedicht. Genüsslich streckte er die Arme aus, gähnte, kratzte sich den struppigen Nacken und sah das Einhorn in seinem Weingarten. Cherubino stand ein wenig abseits und schien in der Pose eines hingebungsvollen Messdieners erstarrt: den Kopf gesenkt, die Vorderbeine vor sich auf der Erde ausgestreckt, wie Bianchi den alten Ziegenbock noch nie gesehen hatte. Das Einhorn ignorierte ihn in höflicher Manier und bewegte sich mit bemerkenswerter Umsicht zwischen den zerbrechlichen Rebstöcken, ohne sie je zu berühren, und knabberte an den wenigen Kräutern, die es auf dem kalten Boden fand. Es war von einem goldenen Weiß, obschon seine Mähne und sein langer Schweif – der wie ein Löwenschweif in einer Quaste endete – etwas dunkler waren, ebenso das Horn auf der hohen, seidigen Stirn. Als Bianchi es anstarrte, schaute es auf und begegnete seinem Blick mit Augen, die dunkel, aber nicht schwarz waren: eher wie die Finsternis eines Nadelwaldes bei Mondschein. Es zeigte keine Angst vor ihm, selbst dann nicht, als er den ersten langsamen Schritt auf es zutrat; doch als er fragte: »Was willst du?« – oder zu fragen versuchte, denn die Worte verließen nie seinen Mund –, war das Einhorn fort, als wäre es niemals da gewesen. Tatsächlich hätte er es für ein Trugbild gehalten, wenn Cherubino, wie alle Ziegen Anarchist und Atheist, nicht noch geraume Zeit dort gekniet hätte, ehe er sich wieder aufrichtete, schüttelte, Bianchi kurz ansah und von dannen spazierte. Da erkannte Bianchi die Wahrheit und setzte sich hin. Bis zum Nachmittag verharrte er fast völlig reglos auf seiner Schwelle, wies seinen Gedanken keine klare Richtung oder Gestalt, wiederholte einfach nur für sich im Geiste die Vision, wieder und wieder, wie er es für gewöhnlich tat, wenn er eins seiner Gedichte formte. Garibaldi, der das Einhorn anscheinend nicht einmal bemerkt hatte, kam herbei und drückte ihm die Schnauze an die Wange, und Mezzanotte und Sophia schmiegten sich abwechselnd in seine Hände, jedoch eher auf Behaglichkeit denn auf Liebkosungen aus. Bianchi reagierte wie immer, allerdings ohne mit ihnen zu reden oder sie anzusehen. Die Sonne begann schon hinter dem Aspromonte-Massiv zu versinken, als er aufstand und in den Weingarten ging. Er nahm nicht die Rebschere mit, sondern starrte bloß eine Weile – nicht lange – auf die zarten, gespaltenen Hufspuren in der noch halb gefrorenen Erde. Dann ging er zurück ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Auf distanzierte Art und Weise war ihm bewusst, dass er den ganzen Tag rein gar nichts gegessen hatte, doch verspürte er nicht den geringsten Hunger; genauso beiläufig erwog er, die Flasche Melissa Gaglioppo aufzumachen, die er seit fast einem Jahr für einen nicht näher definierten Anlass aufbewahrte. Stattdessen tat er die ganze Nacht nichts, als an seinem wackligen Küchentisch zu sitzen, der ihm als Arbeitsplatz diente, und über das zu schreiben, was er bei Sonnenaufgang gesehen hatte. Es war weder ein Gedicht, sofern er das beurteilen konnte, noch eine Form von Tagebucheintrag, auch kein Brief, wenn er denn jemanden zum Schreiben gehabt hätte. Es war, was immer es war, und er blieb daran und dabei, bis Garibaldi an der Tür kratzend um Einlass bat und ihn nach Hause führte, von wo immer er und das Einhorn gerade verweilt hatten. Er legte sich auf sein Bett, schlief keine Minute; und erhob sich schließlich, um im Unterhemd in der offenen Tür zu stehen und auf sein stoppeliges Stückchen Land hinauszusehen, nichtig mit den bloßen Händen aus der Erde gekratzt. Nicht viel für siebenundvierzig Jahre, Bianchi. Du hast dieses Fleckchen all die Zeit unter dir wegschmelzen lassen. Wenn du nicht mehr bist, wird es vollständig mit der Erde verschmelzen, und wer wird dann noch wissen, dass es dich je gegeben hat? Der Mond war untergegangen, doch seine Abwesenheit ließ den Himmel nur noch heller wirken, dicht verkrustet von einer unvertraut großen Sternenzahl. Das Einhorn war in seinem Melonenbeet, und Cherubino war wieder bei ihm, diesmal nahe genug, dass sich ihre Nasen hätten berühren können. Der kurze Ziegenschwanz wackelte im Kreis, wie er es sonst nur in jenen seltenen Momenten der Freude über etwas anderes als Essen tat. Dass Cherubino es mit derselben Vorsicht wie das Einhorn vermied, die verletzlichen Ranken zu zertrampeln, erstaunte Bianchi fast mehr als die helle Erscheinung selbst, die anmutig zwischen den Umrissen der Melonen einherschritt, welche er getreulich für die Rehe pflanzte, aus Dank, dass sie seine Tomaten in Frieden ließen. Er wagte es kaum, das Einhorn direkt anzuschauen, bis es sachte mit einem Vorderhuf aufstampfte, als wollte es seine Aufmerksamkeit erregen. Es war das einzige Geräusch in der Nacht. Ein zweites Mal fragte Bianchi: »Was willst du von mir? Bist du hier, um mir etwas zu sagen?« Das Einhorn schaute ihm bloß ruhig entgegen. Bianchi räusperte sich angestrengt, dann brachte er schließlich hervor: »Werde ich sterben?« Das Einhorn gab keine Antwort, doch Cherubino stieß ein kurzes Meckern aus, wie um zu sagen: »Und mich hier alleinlassen, der Gnade von Wölfen und Wetter ausgeliefert, ohne irgendwas, das mich mit seinen frischen Knospen in Versuchung führt? Das will ich doch wirklich nicht hoffen!« Das Einhorn schaute den Ziegenbock von der Seite an, und ein rasches Sternenglitzern spielte in seinen dunklen Augen. Hätte Bianchi sich vorstellen können, dass Einhörner diese besondere menschliche Eigenschaft teilten, so hätte er es wohl für einen Anflug von Humor gehalten. Wie zuvor einen achtsamen Schritt vor den nächsten setzend trat Bianchi auf es zu. Er sprach, etwas deutlicher nun: »Wenn ich sterben soll, dann muss ich ein paar Vorkehrungen für die Tiere treffen. Bitte sag es mir.« Das Einhorn begegnete noch einmal direkt seinem Blick und verschwand dann so flink, dass Bianchi es mit genügend Zeit und Überzeugung für ein Spiel von Sternenlicht und Schatten gehalten hätte, wäre da nicht der einsame Nachhall eines Hufs auf Stein gewesen. Er blieb alleine mit Cherubino zurück, der ihn mit seinen geschlitzten, gelben Augen abschätzig studierte und sich dann anschickte, die verschrumpelten Melonenschalen zu fressen. »Malocchio, du weißt genau, was du gesehen hast«, sagte Bianchi und scheuchte ihn aus dem Beet. Das Einhorn aber kehrte noch am selben Tag wieder. Bianchi sah es, als er die letzten Äpfel aufsammelte, um sie zu zerstampfen und zu trocknen; mit dem Timothee-Heu von letztem Sommer würde das Futter den Kühen den ganzen Winter reichen. Fast schien es, als liefe das Einhorn die Grenzen seines Grundstücks ab, um sie instinktiv zu erfassen, ja zu vermessen, aus einem Grund, den Bianchi sich nicht erklären konnte. Es zeigte keinerlei Furcht oder Scheu: weder kam es aus freien Stücken näher als sechs oder sieben Meter heran, noch schoss es im Handumdrehen davon, wenn er auf es zutrat oder zu ihm sprach. Seine Schönheit traf Bianchi wie ein Schlag, selbst wenn er es nicht direkt anschaute; wenn er ihm den Rücken zuwandte, war sich sein Körper nach wie vor der Nähe des Einhorns bewusst – und es war kein gänzlich angenehmes Gefühl. Als er an diesem Abend zu Bett ging, träumte er nicht von dem Einhorn, noch weckte ihn Garibaldi....


Beagle, Peter S.
Peter S. Beagle, geboren 1939 in Manhattan, gehört zu den größten Fantasyautoren unserer Zeit. Sein größter Erfolg war der Roman Das letzte Einhorn, die Grundlage für den Welterfolg des gleichnamigen Zeichentrickfilms. Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hugo Award, dem Nebula Award und dem World Fantasy Award für sein Lebenswerk. Er lebt in Kalifornien.

Plaschka, Oliver
Oliver Plaschka, geboren 1975 in Speyer, promovierte an der Universität Heidelberg und arbeitet als freier Autor und Übersetzer. Seine teils fantastischen, teils historischen Romane und Kurzgeschichten gewannen zahlreiche Preise, so wurde u.a. sein Debüt 'Fairwater' 2008 mit dem Deutschen Phantastikpreis ausgezeichnet. In der Hobbit Presse erschienen 'Die Magier von Montparnasse' und 'Das Licht hinter den Wolken'.

Peter S. Beagle, geboren 1939 in Manhattan, gehört zu den größten Fantasyautoren unserer Zeit. Sein größter Erfolg war der Roman Das letzte Einhorn, die Grundlage für den Welterfolg des gleichnamigen Zeichentrickfilms. Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hugo Award, dem Nebula Award und dem World Fantasy Award für sein Lebenswerk. Er lebt in Kalifornien.

Oliver Plaschka, geboren 1975 in Speyer, promovierte an der Universität Heidelberg und arbeitet als freier Autor und Übersetzer. Seine teils fantastischen, teils historischen Romane und Kurzgeschichten gewannen zahlreiche Preise, so wurde u.a. sein Debüt 'Fairwater' 2008 mit dem Deutschen Phantastikpreis ausgezeichnet. In der Hobbit Presse erschienen 'Die Magier von Montparnasse' und 'Das Licht hinter den Wolken'.

Peter S. Beagle, geboren 1939 in Manhattan, gehört zu den größten Fantasyautoren unserer Zeit. Sein größter Erfolg war der Roman Das letzte Einhorn, die Grundlage für den Welterfolg des gleichnamigen Zeichentrickfilms. Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hugo Award, dem Nebula Award und dem World Fantasy Award für sein Lebenswerk. Er lebt in Kalifornien.
Oliver Plaschka, geboren 1975 in Speyer, promovierte an der Universität Heidelberg und arbeitet als freier Autor und Übersetzer. Seine teils fantastischen, teils historischen Romane und Kurzgeschichten gewannen zahlreiche Preise, so wurde u.a. sein Debüt »Fairwater« 2008 mit dem Deutschen Phantastikpreis ausgezeichnet. In der Hobbit Presse erschienen »Die Magier von Montparnasse« und »Das Licht hinter den Wolken«.


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