E-Book, Deutsch, Band 2, 480 Seiten
Reihe: Hoffnung und Liebe in Zeiten des Krieges
ISBN: 978-3-7325-1639-1
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Konflikt in Europa schreitet immer weiter fort, die Grundversorgung wird schwieriger, das tägliche Leben härter und die Bedrohung jeden Tag größer. Mitten in diesen Kriegswirren trifft Meg erneut auf Rayner - mittlerweile deutscher Offizier - und die beiden riskieren ihr Leben für ihre Gefühle. Hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu Rayner und der Verpflichtung ihrer Familie und ihrem Heimatland gegenüber muss Meg eine schwierige Entscheidung treffen ... Weitere bewegende Liebesgeschichten von Lily Baxter bei beHEARTBEAT:
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Kapitel Zwei
Als Meg aus hellem Sonnenschein ins kühle Innere des Hotel Mitre trat, brauchte sie ein paar Sekunden, um sich an das gedämpfte Licht im Foyer zu gewöhnen. Ehrfürchtig bestaunte sie die Deckenbalken aus Eiche, die dem Ambiente Gediegenheit verliehen, aber eben auch viel Licht schluckten. »Das ist ja richtig alt«, meinte sie leise, mehr zu sich selbst als zu Schwester und Tante, die weit weniger ehrfürchtig schienen. »Bis 1926 war das Haus eine Postkutschenstation«, erklärte Josie mit wissendem Lächeln. »So, Mädchen, das war dann eure Geschichtsstunde für heute. Mein Göttergatte wäre stolz auf mich. Ständig sagt er, ich hätte die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs, und gerade eben habe ich wieder einmal das Gegenteil bewiesen. Aber jetzt lasst uns Ausschau nach den Jungs halten. Die ganze Einkauferei hat mir ordentlich Appetit aufs Mittagessen gemacht.« Sie führte die Mädchen durch den Empfangsbereich ins Restaurant, wo sie dem Oberkellner ihren Namen nannte. Mit einer höflichen Verbeugung geleitete er sie an einen Tisch im hinteren Bereich des Speisesaals. Als David Tante und Schwestern kommen sah, stand er auf, und Meg, die allen Anstand vergaß, stürzte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. »Das ist ja wirklich Ewigkeiten her, dass du zu Hause warst. Ich hab dich ja so vermisst!« Er lachte und legte ihr den linken Arm um die Schulter. »Ich hab dich auch vermisst, Meg.« Er streckte Adele die Hand hin. »Na, und du, Addie, wirst wohl keine große Show abziehen, was?« Sie lächelte. »Aber nein, natürlich nicht, aber ich freue mich, David, dass du so gesund und munter aussiehst.« »Jetzt bin ich aber dran«, sagte Josie, trat vor und küsste ihn auf die Wange. »Willst du die holde Weiblichkeit denn nicht deinen Freunden vorstellen? Walter kenne ich natürlich.« Es lag ein Hauch von Koketterie in dem Lächeln, mit dem Josie Davids Kommilitonen bedachte. Meg merkte sofort, dass der Charme ihrer Tante Walter nicht entgangen war. Auch nicht seinen beiden Begleitern, die aufsprangen und darauf warteten, vorgestellt zu werden. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Mrs. Shelmerdine«, sagte Walter und wurde rot. »Sagen Sie bitte Josie zu mir. Mrs. Shelmerdine! Solchen Unsinn will ich nicht hören.« Ihre Aufmerksamkeit wurde auf einen breitschultrigen jungen Mann gelenkt. Meg fand, er wäre genau der Typ Mann, der sich als Captain des Cricketteams hervortat oder als Ruderer selbstredend im Oxford-Achter bei der jährlichen Regatta gegen Cambridge säße. »Das ist mein guter Freund Frank Barton, Tante Josie«, sagte David und trat beiseite, um Frank die Möglichkeit zu geben, ihr die Hand zu schütteln, die sie schon ausgestreckt hatte. »Frank, das ist meine Tante Josie Shelmerdine, und das sind meine Schwestern Adele und Meg.« »Guten Tag, freut mich sehr.« Für Megs Geschmack war Franks Händedruck ein wenig zu herzhaft, und er schwenkte ihren Arm auf und ab wie einen Pumpenschwengel. Ihr fiel natürlich sofort auf, dass sein Blick vornehmlich Adele galt und nur kurz auf ihr und ihrer Tante geruht hatte. Aber das war schließlich nur zu erwarten gewesen. Wohin auch immer Addie ging, alle drehten sich nach ihr um. David schien Franks offenkundiges Interesse nicht zu bemerken. Aber vielleicht war er auch schon daran gewöhnt, dass seine Freunde auf der Stelle von seiner hübschen Schwester eingenommen waren. Für Meg war es nichts Neues, in zweiter Reihe zu stehen, und als sie Walters Blick auffing, glaubte sie, eine Andeutung von Mitgefühl in seinem Lächeln zu erkennen. Er ist nett, fand sie. Ja, er war ihr durchaus sympathisch. Er sah aus wie ein zu groß geratener Schuljunge, hatte ein frisches Gesicht, und in seinen grauen Augen lag stets ein freundliches Lächeln. Wenn Frank der lässige Typ feiner Kerl war, dann gehörte Walter zum empfindsameren Typ Mann, jemand, der Tiere liebte und an den man sich stets in einem Krisenmoment wenden konnte. Walter war richtig in Ordnung, jedenfalls in Megs Augen. »Und das hier, Mädchen, wie ihr schon ahnen werdet, solltet ihr gut aufgepasst haben, ist Walter Howe«, erklärte David, eher überflüssigerweise. »Ich bin entzückt, Sie beide endlich kennenzulernen«, sagte Walter und schüttelte ihnen nacheinander die Hand. »David hat mir schon so viel von Ihnen und Ihrem Zuhause auf Guernsey erzählt.« Adele bedachte ihn mit einem flüchtigen Lächeln, und Meg wusste sofort, dass ihre Schwester weit mehr an Frank interessiert war. Tante Josie hatte, wie es schien, den Nagel auf den Kopf getroffen, was Frank Barton anging. »Und jetzt, last but not least, mein lieber Freund Rainer.« David drehte sich zu einem großen, blonden jungen Mann um. »Tante Josie, Addie, Meg, darf ich euch Rainer Weiß vorstellen, der den weiten Weg von Dresden hergekommen ist, um Englisch zu studieren.« Rainer verbeugte sich mit dem ganzen Oberkörper. »Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Er sprach mit nur dem Hauch eines Akzents. Meg neigte den Kopf, um ihr Gegenüber zu mustern. Das war nun also der geheimnisvolle Mann. Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie ihren Vater nur abschätzig von den Deutschen reden hören, Teutonen nannte er sie dabei immer, nicht Deutsche. Aber dieser junge Mann sah überhaupt nicht aus wie jemandes Feind. Gelassen hatte er hinter David gestanden, bis er an der Reihe war, vorgestellt zu werden, und jetzt, wo er vortrat, überraschte Meg, dass er so normal aussah. Er war von leicht überdurchschnittlicher Größe, und er hatte die offenen Gesichtszüge und den hellen Teint wie unter Nordeuropäern üblich. Was sie von dem Aussehen eines Deutschen erwartet hatte, wusste sie nicht genau, aber Rainer Weiß sah so gesund aus wie eine Reklame für Frühstücksflocken oder Zahnpasta. Sie fuhr zusammen, als Adele ihr unsanft einen Stoß in die Rippen versetzte. Da streckte sie die Hand aus. »Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Weiß.« »Wirklich sehr erfreut, Miss Colivet.« Es lag die Andeutung eines Lächelns in seinen blauen Augen, die Meg an das Meer an einem Sommertag erinnerten. Sie spürte, dass sie rot wurde, und wandte den Blick ab. Wieder einmal wünschte sie, dass sie mehr Übung im Umgang mit dem anderen Geschlecht hätte. Addie war in dieser Hinsicht ein Naturtalent; bei ihr sah das alles so mühelos aus. »Setzen wir uns doch bitte alle«, lud David ein und zog für Josie einen Stuhl vor. »Ich weiß zwar nicht, wie es mit euch ist, aber ich verhungere allmählich. Allerdings gehe ich davon aus, Meg ist mehr als bereit für den Lunch.« Gerade wollte sie etwas darauf erwidern, als Rainer schnell an ihre Seite trat. »Erlauben Sie, Miss Colivet.« »Meg«, meinte sie mit belegter Stimme, als sie sich setzte. »Ich heiße Meg, das ist die Abkürzung von Marguerite.« Er lächelte. »Ein wunderschöner Name.« »Setz ihr bloß keine Flausen in den Kopf«, warnte David, der neben Josie Platz nahm. »Meg ist doch noch ein halbes Kind.« »Bin ich nicht!«, widersprach Meg heftig. »Im Juni werde ich siebzehn, und das weißt du nur zu gut.« Er beugte sich über den Tisch und tätschelte ihr die Hand. »Na, na, Schwesterchen, nun sei bloß nicht eingeschnappt. Ich hab doch nur Spaß gemacht.« »Zu schade, dass Paul zum Lunch nicht mitkommen konnte, aber der Ärmste ist überreichlich eingedeckt mit Arbeit«, erklärte Josie schnell, ehe Meg noch etwas zu David sagen konnte. Sie schaute zum Kellner, der in diskreter Entfernung zum Tisch wartete. »Ich denke, wir sollten jetzt bestellen. Meinst du nicht auch, David?« Die Atmosphäre während des Essens war angenehm entspannt, vor allem weil Josie die jungen Herren ermutigte, von sich, ihrem Studium und ihren Plänen für die Zukunft zu erzählen. Meg konnte sich nur zurücklehnen und ihre Tante bewundern. Sie hatte die Gabe, Menschen ins Gespräch hineinzuziehen, sogar schüchterne wie Walter, der nach sanftem Drängen von Josie recht lebhaft wurde und von seinem Wunsch erzählte, als Arzt auf dem Land zu praktizieren. Frank musste nicht erst dazu gebracht werden, aus seinem Schneckenhaus herauszukommen. Wenn er denn überhaupt eines hat, dachte Meg trocken. Denn er erzählte lang und breit von den Geschäften seines Vaters, der, wie sich herausstellte, Reeder mit eigener Schifffahrtslinie war. Adele lauschte ihm verzückt; sie hing förmlich an seinen Lippen. Meg hörte schon die Hochzeitsglocken läuten, während sie Zeugin wurde, wie ihre Schwester der Verführung der Welt von Wohlstand und Privilegien erlag. Rainer war weniger mitteilsam, und Meg bewunderte ihn dafür. Er sprach liebevoll von seinen Eltern und seinem Zuhause in Dresden, erzählte aber wenig von der Spielzeugfabrik in Familienbesitz. Rasch brachte er das Gespräch auf ein Thema, das David ebenso betraf wie ihn, und redete von ihrer beider Leidenschaft fürs Fliegen. David hörte sein Stichwort und war nur allzu froh, von ihren Abenteuern in der Luft zu erzählen. Meg hörte zu und musste sich fragen, was ihr Vater wohl davon hielte, dass sein Sohn und Erbe mehr Zeit mit der Fliegerei als mit dem Besuch von Vorlesungen verbrachte. Sie selbst machte David deswegen keine Vorwürfe und beschloss, bei ihrer Rückkehr nach Hause diese eine Neuigkeit nicht an ihre Eltern weiterzugeben. Sie hörte ihren Bruder reden, musste aber gleichzeitig immer wieder verstohlene Blicke auf Rainer werfen. Seine Gelassenheit und beherrschte Art faszinierten sie. Er schien sich nicht in den Vordergrund drängen zu müssen wie Frank, aber er war auch nicht so zurückhaltend wie Walter. Seine Reserviertheit schien auf der stillen Überzeugung...