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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Bauer Nennt mich nicht Ismael!

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-446-26967-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hausaufgaben, Mobbing, Liebeskummer - mal abgesehen von diesen üblichen Schulproblemen trifft Ismael ein besonderes Schicksal: Sein Vorname macht ihn zum Gespött der Mitschüler. Zu allem Übel kann sein Vater nicht oft genug betonen, wie ihn die Lektüre von Moby Dick auf diesen Namen gebracht hat. Ismaels Reaktion: Abtauchen! Das ändert sich, als James Scobie in die Klasse kommt. Er hat seine ganz eigene Waffe gegen Klassenrowdys: die Sprache. James gründet einen Debattierclub. Auch Ismael soll mitmachen. Doch der hat panische Angst. Wären da nicht seine Debattier-Kollegen, würde das vermutlich auch so bleiben. Mit Hilfe ihres Einsatzes steht Ismaels verbalem Aufstand bald aber nichts mehr im Wege. Und die Tür für ein Gespräch mit der bezaubernden Kelly Faulkner ist so offen wie nie.
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7 Moby wer?
Es war der erste Schultag in Klasse neun. Ein nagelneues Jahr. Ein nagelneues Klassenzimmer. Eine nagelneue Klassenlehrerin. Und ein neuer Anfang. »He, Stinkstiefel — schmeiß mal einen roten Stift rüber. Du bist doch bestimmt gut im Sch-m-eißen, oder, Stinki?« Immer noch der alte Barry Bagsley. Ich finde, man musste ihm einfach geben, was er verlangte. Auf seine Art hatte er einen recht kreativen Zugang zur Sprache. Natürlich tat ich so, als müsste ich dringend meine Bücher sortieren, und dabei hoffte ich inständig, dass unsere Lehrerin bald eintreffen würde. Und sie kam. Miss Tarango. Man muss wohl erwähnen, dass keiner von uns je zuvor eine Lehrerin wie Miss Tarango hatte. Sie war jung. Sie war schön. Sie schien uns sogar gern zu unterrichten. Ich glaube, Mum hätte sie als »temperamentvoll« bezeichnet. Ich mochte sie auf Anhieb. Sie hatte kurzgeschnittene blonde Locken, Augen, die wirklich leuchteten, und Grübchen in ihren Backen, die wie von Zauberhand erschienen, wann immer sie lächelte. Und das war oft. Sie war fröhlich, freundlich und voller Enthusiasmus. Ich glaubte nicht, dass sie auch nur ein halbes Schuljahr überstehen würde. »Guten Morgen, Jungs. Ich bin Miss Tarango. Ich bin euere Klassenlehrerin und unterrichte euch in Englisch. Dies ist mein erstes Jahr als Lehrerin, und ihr seid meine allererste Klasse.« Das reduzierte ihre Überlebenszeit auf höchstens eine Woche. Ich hörte das erste Grollen aus der hinteren Ecke, wohin sich Barry und seine Kumpel verzogen hatten. »Gut, dann seid mal ein bisschen leiser, damit wir die Klassenliste durchgehen können.« »Ich würde lieber etwas anderes mit ihr durchgehen.« Unterdrücktes Kichern ertönte hinter mir. Miss Tarango richtete ihren lächelnden Blick auf Barry Bagsley. »Tut mir leid, aber das habe ich nicht verstanden«, sagte sie liebenswürdig. »Nichts, Miss«, meinte Barry Bagsley grinsend. »Ich sagte nur, dass es gut wäre, wenn wie jetzt die Liste durchgehen würden.« Die Jungen neben ihm grinsten zurück. Miss Tarango fixierte Barry Bagsley mit ihren hellen blauen Augen. Die anderen Schüler warteten. Die anderen Schüler warteten noch ein bisschen länger. Die anderen Schüler fragten sich unbehaglich, wie lange sie wohl noch warten müssten. Das Grinsen auf den Gesichtern der Jungen neben Barry Bagsley erstarb. Miss Tarango schwieg und lächelte wie das Covergirl einer Hochglanzillustrierten. Barry Bagsley rutschte ein bisschen auf seinem Stuhl hin und her. »Danke für deine Unterstützung. Gut zu wissen, dass wir uns einig sind. Dann fangen wir an, was? Mal sehen, wen haben wir denn hier. Tom Appleby?« »Hier, Miss.« »Ryan Babic?« »Hier, Miss.« »Barry Bagsley?« »Jap!« Miss Tarango lächelte weiterhin liebenswürdig, aber ihre Augen schienen ein bisschen weniger zu leuchten. »Barry, ich denke, in der Zukunft ist ein einfaches ›hier‹ oder ›anwesend‹ angemessener und höflicher. Danke.« »Tut mir leid, Miss«, grinste Barry Bagsley. Sie setzte die Überprüfung der Anwesenheit ohne Zwischenfall fort, bis: »Ismael … ach, wie wird dein Nachname ausgesprochen, Ismael — Le-sör?« »Ja, Miss.« »Das stimmt nicht, Miss. Es heißt Le-sau. Pissmael Le Sau.« Hinter mir wurde wieder gelacht. Miss Tarango legte die Liste auf das Pult vor ihr. Sie sprach ruhig und mit Bedacht: »Barry, ich bemühe mich immer sehr, die Namen meiner Schüler zu lernen und sie richtig auszusprechen. Und das erwarte ich auch von dir und von allen anderen in der Klasse. Jeder von uns verdient es, respektvoll behandelt zu werden. Etwas anderes werde ich nicht tolerieren. Bitte denk in Zukunft daran. Okay?« Barry Bagsley saß schweigend da. Miss Tarango wandte sich wieder ihrer Namensliste zu. »Wo war ich? Ach ja … Ismael.« Dann hielt sie inne, sah von ihrem Blatt auf und lächelte mich an. »Du weißt, dass Ismael ein sehr berühmter Name in der englischen Literatur ist?« Was? O nein. Sag es nicht. Bitte sag es nicht. Lies einfach den nächsten Namen auf der Liste. Vergiss es und mach weiter. Bitte. »Wusstet ihr, dass Ismael der Name des Helden eines sehr berühmten Romans ist?« Miss Tarango strahlte ihre Schüler begeistert an. Die Schüler schauten verständnislos zurück wie Kaninchen, die von einem blendenden Scheinwerfer erfasst werden und wie betäubt stehen bleiben. Ich überlegte verzweifelt, wie ich Miss Tarango vor fünfundzwanzig Augenzeugen so erwürgen konnte, dass es aussah wie ein Unfall. »Kennt jemand den Titel des berühmten Romans, in dem eine Hauptfigur Ismael heißt?« Nein, niemand kennt ihn, und er ist ihnen auch egal, lassen Sie uns also einfach weitermachen und die Anwesenheitsliste durchgehen. »Niemand? Und wenn ich euch einen Tipp gebe? Der Roman spielt nicht in der Gegenwart … und eine der anderen Hauptfiguren ist Kapitän eines Schiffes.« Stille. Dann hob sich zögernd eine Hand. »Ja?« »Star Trek, Miss?« Die Klasse brach sofort in Gelächter aus, prüfte aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Antwort richtig war, insgeheim zugleich Miss Tarangos Reaktion. Auch Miss Tarango lachte, als ob ihr der Scherz gefallen habe, aber als sie Bill Kingsley ansah, der die Antwort gegeben hatte, erkannte sie, dass ein Scherz leider nicht beabsichtigt gewesen war. »Du bist Bill, nicht wahr? Nun, das war nicht schlecht, Bill. Sehr gut, für einen ersten Versuch. Vielleicht hätte ich euch verraten sollen, dass der Roman auf einem Segelschiff spielt und nicht auf einem Raumschiff.« Miss Tarango ließ den Blick noch einmal über die Klasse schweifen. »Hat noch jemand eine Idee? Nein? Wer hat schon einmal von Moby Dick gehört?« »Moby wer, Miss?« Gedämpftes Kichern. Wieder Barry Bagsley. So eine Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen. »Moby Dick von Herman Melville, Barry«, sagte Miss Tarango beiläufig. »Wer von euch kennt die Geschichte von Kapitän Ahab und seinem wütenden Rachefeldzug gegen Moby Dick, den weißen Wal, durch den er ein Bein verloren hatte.« Die meisten Schüler hoben mehr oder weniger sicher und begeistert die Hand. Bill Kingsley starrte in die Ferne, als ob er schon irgendwo weit weg in einer fernen Galaxie wäre. »Aber warum hieß der Wal Moby Dick, Miss?« Das Kichern wurde jetzt lauter. So leicht gab Barry Bagsley nicht auf. Miss Tarango schien intensiv nachzudenken und antwortete dann sehr bedächtig: »Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, Barry. Namen in Büchern können sehr wichtig sein oder eine symbolische Bedeutung haben. Sie haben oft einen tieferen Sinn, aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob das auch auf Moby Dick zutrifft. Vielleicht hatte Herman Melville den Namen von einem echten Wal, den er in historischen Quellen gefunden hatte, vielleicht fand er auch einfach nur, dass dieser Name genau passte. So wie deine Eltern dich vielleicht Barry genannt haben, weil sie dachten, dass du aussiehst wie ein Barry. Verstehst du?« Sie hielt inne und fügte dann als nachträglichen Einfall hinzu. »Genauso gut hätten sie denken können, dass du aussiehst wie ein Dick.« Schlagartig herrschte erstaunte Stille im Klassenzimmer. Was? Was war das? Was hatte sie gesagt? Wenn Miss Tarango Barry absichtlich beleidigen wollte, ließ sie es sich nicht anmerken, sondern schien völlig ahnungslos angesichts der Wirkung ihrer Worte. Bevor die Klasse reagieren konnte, fuhr sie in ihrer fröhlich lächelnden Art fort: »Auf jeden Fall ist das eine interessante Frage, Barry. Vielleicht könntest du als Hausarbeit ein bisschen nachforschen oder den Roman lesen. Möglicherweise findest du die Antwort dort. Und dann könntest du der Klasse in einem Referat von deinen Erkenntnissen berichten. Aber bevor uns die Zeit jetzt vollends davonläuft, gehen wir lieber die Anwesenheitsliste zu Ende durch und schauen uns das Merkblatt an.« Es gibt nicht viel, was Barry Bagsley zum Schweigen bringt, aber das Bombardement mit Worten wie »nachforschen«, »Hausarbeit«, »lesen«, »berichten« und »Referat« schien ein echtes Patentrezept zu sein. Von da an verlief die Klassenlehrerstunde ohne Zwischenfälle. Miss Tarango erledigte energisch und geschäftig verschiedene administrative Aufgaben und widmete sich allem und jedem gleichermaßen begeistert, alldieweil die Klasse erstaunt ...


Bauer, Michael Gerard
Michael Gerard Bauer, geboren 1955, lebt mit seiner Familie in Brisbane. Sein Debüt Running Man (2007) wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2008 ausgezeichnet. Bei Hanser erschien außerdem 2008 Nennt mich nicht Ismael!, 2009 Ismael und der Auftritt der Seekühe und schließlich 2012 Ismael - Bereit sein ist alles. Ebenfalls 2012 erschien Mein Hund Mister Matti. 2015 folgte die 3-bändige Reihe um Rupert Rau in der Reihe Hanser bei dtv. Und 2018 das Jugendbuch Die Nervensäge, meine Mutter, Sir Tiffy, der Nerd & Ich. 2021 folgte sein Jugendbuch Dinge, die so nicht bleiben können.

Mihr, Ute
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