Bauer / Karner / Benedict | Schatten der Zeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Bauer / Karner / Benedict Schatten der Zeit

Prosa und Lyrik

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-7534-4841-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dachten Sie bereits irgendwann einmal nach, wie man die Zeit beschreiben kann? Sie ist nicht nur vergangen, gegenwärtig und zukünftig, späte oder frühe, Winter- oder Sommerzeit. Sie ist auch kostbar, verloren, unruhig, keck, friedlich, gesegnet, hungrig, wohltuend, schwierig, krisenhaft, unbarmherzig, dunkel, wahnsinnig und vieles mehr. Sie ist auf allem, was uns umgibt und was sich in uns befindet, auf ihr liegt der Schatten der Vergangenheit. Gerade sie stellt unsere Wurzeln dar. In diesem Buch schilden die Österreichischen Autorinnen und Autoren ihre Betrachteten der Zeit.

geb. 5.1.1951 in Güssing, Studium der Russistik und Anglistik an der Universität Wien, wohnhaft in Großhöflein bei Eisenstadt, Gymnasiallehrerin im Ruhestand, Alphabetisierungstrainerin, Schulbuchautorin, schreibt Lyrik, Essays und Kurzgeschichten.
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Sophia Benedict
geboren in der UdSSR. Universitätsabschluss mit dem Diplom für Publizistik. Arbeitete in Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen. Weiterbildung in Wien (1984). Langfristige Akkreditierung als Journalistin und Pressefotografin beim Österreichischen Bundeskanzleramt. Gleichzeitig widmete sie sich der Wissenschaftsjournalistik. Zahlreiche Publikationen in Zeitungen und Fachzeitschriften, über 20 Buchveröffentlichungen in Deutsch und Russisch – Sachbücher, Übersetzungen, Lyrik und Prosa. Einsamkeit im Blut Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein. (Hermann Hesse) „Ich erzähle Dir jetzt, wie es war“, sagte eine meiner russischen Freundinnen, „Hör‘ zu und unterbrich mich bitte nicht! Ich muss das alles von der Seele reden.“ „Ich bin ganz Ohr!“, sagte ich. Da ist Ihre Erzählung. Bei dieser Hitze sollte man in die Berge fahren. Ob jetzt in einem Hotel ein Platz frei wäre? Ich sollte einfach ins Blaue fahren, das heißt, wohin die Augen schauen – Hauptsache, Richtung Norden, solange der Urlaub noch nicht zu Ende ist. Das Telefon klingelte. „Mein Auto ist kaputt, und ich muss zu den Festspielen nach Bayern!“, hörte ich die verzweifelte Stimme einer Freundin. „Ich spiele dort die Siebente von Beethoven. Kennst du vielleicht jemanden, der mir ein Auto borgen könnte?“ „Ich kann dich mitnehmen. Ich bin unterwegs.“ „Wie meinst du das? Wohin fährst du?“ „Ich weiß es noch nicht, allerdings, in deine Richtung. Wann willst Du mit mir fahren? Dann bleibe ich dort für einen Tag, um deine Siebente zu hören, und fahre weiter nach Norden, wo es nicht so heiß ist!“ „Ich rufe dich zurück“, war die Antwort und im Hörer wurde es still. Nach einer Stunde klingelte das Telefon wieder, und ich hörte Larissas fröhliche Stimme: „Hurra! Das Hotel ist reserviert und bezahlt! Dafür versprichst du mir eine Publikation über das Festival!“ Altmühlental. Die zierlich gebogene Brücke hing über den Fluss, an den felsigen Abhängen schwebten die Schlösser mit scharfkantigen Dächern, über das Wasser glitt ein Schiff – ein Relikt aus dem neunzehnten Jahrhundert, das Wasser im Fluss war grün. Irgendwo, fast in den Wolken, versteckte sich ein rundes Gebäude mit Säulen. Eine Kirche? Aber warum ohne Glockenturm und ohne Kreuz? Plötzlich, hinter der Wendung, blitzten die bunten Dächer des Städtchens, und versteckten sich wieder hinter dem Hügel. In einer Minute fuhren wir bereits zwischen den Vorgärten mit Georginen und reichlichen Geranien auf den Fensterbrettern. Hinter dem Fluss auf dem hohen Hügel leuchtete ein schneeweißer Barockpalast, umgeben von einem Englischen Garten. Das Pflaster des Hauptplatzes war mit einem Teppich bedeckt, damit die Damen in ihren Abendschuhen es bequem hatten. Die Sessel wurden in halbrunden Reihen aufgestellt, und die Bühne nahm fast die Hälfte des Platzes ein. Das Orchester, bestehend aus nicht weniger als zwei hundert Musikern, probte gerade das zweite Konzert von Rachmaninow. Wir gingen rund um den Hauptplatz, bogen in eine kleine Gasse ein und standen plötzlich vor einem zweigeschossigen, alt aussehenden Steinhaus mit farbigen Butzenscheiben. Die Tür ging auf. „Kommt rein, kommt rein!“, lud uns der Hausherr gastfreundlich ein. Er war groß, und sein Körperbau war sehr kräftig. Er hatte Shorts und ein blaues, offenes Hemd an. Mich hat der Anblick seines nackten Körpers ein wenig verwirrt, er hat das aber nicht bemerkt. Die Bläue des Hemdes spiegelte sich in seinen lächelnden Augen. „Ach, Sie sind das! Sie sind eine Russin? Also, Pawlowa!“, sagte er und streckte mir beide Hände entgegen. „Ja, natürlich, wenn ich eine Russin bin, muss ich unbedingt eine Ballerina sein“, lachte ich zurück, „warum aber Pawlowa und nicht Plissetzkaja?“. Er achtete nicht auf meine Ironie, hielt meine Hand fest, neigte seinen Kopf nach altmodischer Art und schaute mir in die Augen: „Sie haben ein schönes Kleid an!“ Er versteht auch etwas von Kleidern … Das Erdgeschoß seines Hauses stellte einen einzigen großen Raum dar. Nach der hellen Sonne draußen gewöhnten sich unsere Augen nicht sofort an die Finsternis des Raumes. Das Licht, das durch die Butzenscheiben drang, warf auf die Wände, auf die Möbel, auf den Fußboden vielfarbige Lichtflecken und ließ den Raum ähnlich einem Tempel aussehen. Anstatt des Altars standen hier zwei Flügel. In samtige Sesseln eingesunken unterhielten sich ein wohlgestalteter alter Mann und zwei hübsche junge Frauen, die uns nur mit einer Kopfneigung begrüßten und ihr Gespräch weiter führten. Diese Frauen … Larissa vertraute mir unterwegs ein Geheimnis an, das schon längst kein Geheimnis mehr war: Martin hatte zwei Freundinnen – Ilse und Mary, beide waren Musikerinnen, und beide erfüllten freiwillig die Pflichten einer Sekretärin, Librettistin und das Kopieren der Noten. Martin – ehemaliger bekannter Klavierspieler, jetzt ein nicht weniger bekannter Komponist – organisierte und inspirierte die Festspiele in diesem Städtchen. Er war mir bekannt, ich sah ihn öfter im Fernsehen, er komponierte gute Musicals, und ich fragte mich immer, warum lebt so ein Mensch in einem Provinznest, warum versucht er nicht wenigstens nach München zu ziehen, sozusagen näher zur Zivilisation. Hier verstand ich alles. Die Schönheit dieser Gegend wirkt inspirierend auf jeden Künstler, und die Zivilisation kommt von selbst zu ihm. Das Publikum zu seinen Festspielen kommt aus ganz Europa und sogar von anderen Kontinenten. Die lokale Regierung verehrt und vergöttert ihn, doch sind die Zuschauer lebendiges Geld, das in die Kommunalkasse fließt. Am Abend herrschte auf dem Hauptplatz eine anschauliche und festliche Atmosphäre. Es schien, als ob hier niemand arbeitete, keiner organisierte etwas, keiner verfügte über etwas, keiner gab die Hinweise, anscheinend floss alles von allein. Das musste ich unbedingt in meinem Bericht erwähnen. Martin begrüßte die Gäste. Er war jetzt in voller Montur, aber ohne Krawatte. Die breiten Aufschläge seines Hemdes mit Schillerkragen lagen frei auf seinem Tweed Jackett. Sein Lächeln – was für ein Lächeln! Offen und zu gleicher Zeit ein wenig schüchtern. Etwas Kindliches spiegelte da durch, ein Reiz des verwöhnten Kindes, das mit der Welt und auch mit sich selbst zufrieden ist. Dieses Lächeln machte seine Sache gut: In meinem Herzen begannen Geigen zu singen. Nach dem Konzert wanderte ich durch die kleinen Gassen des Städtchens, mit den Teichen, den Kastanienalleen, den verzauberten Gärten zwischen den niedrigen Häuschen. Plötzlich geriet ich auf eine breite Wiese, die sich in eine riesige Freilichtbierstube wandelte. Gut! Ich setzte mich zu einem langen Tisch, wo bereits über zehn Leute saßen, und bestellte ein kleines Bier und eine Käseplatte. Die Wartezeit war lang. Endlich kam die Kellnerin, angezogen in einem schönen Trachtenkleid. Sie stellte einen Halbliterkrug Bier und eine riesige Holzplatte mit großzügigen Stücken Käse verschiedener Sorten, einem Häufchen gefrorener Butter und einer roten Rispe mit blitzenden Tautropfen auf den Tisch. „Ich wollte ein kleines Bier“, sagte ich unschlüssig und fragte mich dabei, für welche Armee so ein Berg Käse gedacht sei. „Das ist das Kleine!“, antwortete die Kellnerin mit rauer Freundlichkeit. „Und wie sieht bei Ihnen ein großes Bier aus?“, ich wurde neugierig. „So!“, sie nickte in Richtung Theke, wo auf großen Haken ein- und zweilitergroße Bierkrüge hingen. Am nächsten Tag nach dem Frühstück ging ich zum Hauptplatz. Das Orchester begann zu proben. Martin war da. Er lächelte mich an. Wieder dieses Lächeln! Das Gefühl eines grundlosen Glücks erfüllte mein Herz. Ich winkte ihm zu und nahm Platz. Die Sonne blendete meine Augen. Das Orchester dirigierte der Ehemann meiner Freundin, ein großer, bildhübscher Blonder mit wunderbar beweglichen Händen. Ich wusste bereits, dass fast alle Musiker im Orchester Russen waren, weil Martin ein großer Bewunderer der russischen Musik und der russischen Musiker war, er nannte sie Interpreten. Zum ersten Mal hörte ich klassische Musik nicht in einem Konzertsaal, sondern unter den Strahlen der brennenden Sonne. Die Augen abgedeckt beobachtete ich Martin. Er unterhielt sich durch das Fenster mit dem Toningenieur, dessen Zimmer sich im zweiten Stockwerk jenes Hotels befand, in dem ich wohnte. Er beendete das Gespräch, winkte und ging in meine Richtung. Das Lächeln verließ seine Lippen nicht. Zur Begrüßung stand ich vom Platz auf. Vorbeigehend, machte er eine Bewegung … Mir...


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