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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten

Reihe: David Keller

Basanisi / Schneider Memento

Thriller

E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten

Reihe: David Keller

ISBN: 978-3-641-30192-7
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Toter mit brisanten Informationen und eine nukleare Bedrohung unerreichten Ausmaßes – Band 2 der packenden und von wahren Ereignissen inspirierten Thriller-Reihe mit David Keller

Bern, 2004: Nach seiner Rückkehr in die Schweiz ermittelt David Keller im Fall eines ermordeten UNO-Diplomaten in Genf und wird in den Schweizer Nachrichtendienst versetzt. Als Geheimagent wider Willen macht sich Keller auf die Jagd nach Abdul Qadeer Khan, dem Vater der pakistanischen Atombombe und fanatischen Anführer eines geheimen Netzwerks von Nuklearwaffenhändlern. Unvermittelt findet sich Keller in einer globalen Schattenwelt skrupelloser Geschäftsmänner, Diktatoren und Geheimdienste wieder. Als Keller selbst zur Zielscheibe der CIA wird, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Beim Versuch, eine nukleare Katastrophe zu verhindern, tauchen plötzlich die Geister der Vergangenheit wieder auf – jene, die er bereits für tot erklärt hatte.

Die Realität schreibt die spannendsten Geschichten! Lesen Sie auch »Skorpion« (Band 1).
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1


Bern, fünf Monate zuvor


Kim Jong-nam sah David Keller mit einem selbstgefälligen Lächeln an, das dem Schweizer schon seit Beginn des Gesprächs auf die Nerven ging. Annähernd so schlimm war Jong-nams schlecht sitzender grauer Anzug mit zu breiten Schulterpolstern.

»Mister Keller. Ich kann mich nur wiederholen: Ich glaube nicht, dass die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea Ihrer Behörde weiterhelfen kann.«

Keller tat einen tiefen Atemzug, auch zum wiederholten Mal. An der Wand hinter dem Schreibtisch des hageren Kim Jong-nam hing das Porträt des ungleich fülligeren Kim Jong-il, des Obersten Führers Nordkoreas. Auch der Oberste Führer lächelte, als wäre er zweifelsohne zufrieden mit der Arbeit seines Untertans.

»Herr Botschafter, wenn Sie sich die beiden Fotos vielleicht noch mal genauer ansehen würden? Denn dann würden Sie zum selben Schluss kommen wie wir: Dass der Verstorbene auf der Aufnahme der Genfer Gerichtsmedizin hier …« – Keller schob die schmucklose Nahaufnahme des Ermordeten wieder in Richtung des Diplomaten und legte ein vergrößertes Ausweisbild des Schweizer Außenministeriums daneben – »… Pak Pong-ju ist in der Schweiz als Erster Kulturattaché Nordkoreas akkreditiert. Mit anderen Worten, Ihr Mitarbeiter.« Keller sah sein nordkoreanisches Gegenüber mit Nachdruck an. »Dieselbe kleine Narbe über dem linken Auge? Die identischen zwei Muttermale auf der Wange links? Nein?« Die Mitteilung in Kellers Blick war klar: .

»Ich sehe keine Übereinstimmung. Tut mir leid.«

Keller lächelte, eine andere Antwort hatte er auch gar nicht erwartet. Für Sekunden zeigte die Miene des Botschafters keinerlei Regung, sein starrer Blick war auf Keller gerichtet, der ihn auf gleiche Weise erwiderte. Dann zuckten die Augen des Nordkoreaners nach unten, huschten über die Aufnahmen auf der Tischplatte – die morbide Anziehung der Leichenfotos war stärker, und es funktionierte fast immer.

»Sie bleiben also dabei? Der Ermordete ist nicht Mister Pak Pong-ju?«, setzte er deshalb nach.

»Es gibt keinen Grund, mich Ihrer Schlussfolgerung anzuschließen.«

»Nun, es wäre Mister Pong-ju tatsächlich zu wünschen, dass er nicht das Opfer auf den Fotos ist. Was dann ja bedeutet, dass einem Treffen mit Mister Pak nichts im Weg stehen sollte, nicht wahr?«

Wieder verlor der Botschafter kurz die Kontrolle über seine Augen, was seinen Blick durch die Brille, Modell 1983, noch schmaler erscheinen ließ. Ein erfolgreicher Pokerspieler wäre aus Kim Jong-nam jedenfalls nicht geworden, ebenso wenig wie ein erfolgreicher Lügner. Doch im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Staatsbürger, der eines Mordauftrags beschuldigt wurde, zählte dies mit Sicherheit zu Botschafter Kims geringsten Sorgen, denn nach Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen würde er selbst dafür nie vor Gericht erscheinen müssen.

»Mister Pong-ju ist nach Pjöngjang abgereist.«

Keller hob die Augenbrauen. »Oh, wie bedauerlich. Und wann erwarten Sie ihn zurück?«

»Über diplomatische Entsendungen entscheidet das Zentralkomitee für außenpolitische Dienste in Pjöngjang, unter Leitung unseres Großen und Geliebten Führers.«

»Ich verstehe«, meinte Keller gereizt. »Und wann rechnen mit seiner Rückkehr?«

»Unser Großer und Geliebter Führer wird das Zentralkomitee mit seinen weisen Worten zu einer richtigen Entscheidung führen.«

Keller nickte stumm. Der Große Führer zum Zweiten.

»Anders gesagt, Herr Botschafter: Mister Pak Pong-ju wird also nicht mehr in die Schweiz zurückkehren? Ist es das, was Sie meinen? Was unter den gegebenen Umständen tatsächlich keinen Sinn ergeben würde.« Keller hatte sich da bereits erhoben und begann, die Fotos des Ermordeten auf dem Schreibtisch einzusammeln. »Wieso auch? Wofür einen toten Kulturattaché nochmals auf Dienstreise schicken?«

Botschafter Kim faltete die Hände auf der Schreibunterlage und blickte Keller nur stumm an – das Gespräch war beendet.

Keller verließ den Raum grußlos, eine förmliche Verabschiedung hatte sich seiner Meinung nach erübrigt. Zügigen Schrittes ging er den kurzen Flur entlang, die Stufen hinunter ins Erdgeschoss und trat ins Freie. Noch bei seiner Ankunft war er durch Botschaftspersonal empfangen worden. Nun schien das Gebäude wie verlassen, was allerdings kaum den Tatsachen entsprach, denn ohne Zweifel waren in Kims Büro Mikrofone installiert und das Gespräch in einem Nebenraum aufmerksam verfolgt worden. Und so, wie ihre Unterredung geendet hatte, schien man jetzt auf nordkoreanischer Seite ebenfalls auf jedwede Höflichkeitsgeste verzichten zu wollen.

Noch war der Frühling ein paar Wochen entfernt, die Wolken hingen tief, aber zumindest hatte es aufgehört zu regnen. Draußen angekommen, blieb Keller auf dem Vorplatz stehen und steckte sich eine Zigarette an. Das Botschaftsgebäude lag in einem ruhigen Wohnquartier im Süden Berns, in einem zweistöckigen Herrschaftshaus aus dem Neoklassizismus, dem eine gründliche Renovierung mehr als gutgetan hätte. Die steinerne, von Rissen durchzogene Grundstücksmauer war noch zusätzlich von mannshohen Thujasträuchern umstanden, die jeden Blick von außen auf das Gelände unmöglich machten. Die Politik der radikalen Abschottung galt auch für die diplomatischen Vertretungen des totalitären Landes. Im ebenfalls nicht sonderlich gepflegten Innenhof standen ein Apfelbaum und eine mächtige, zwanzig Meter hohe Tanne.

Das pechschwarze Gefieder eines Kolkraben schimmerte durch das Geäst im Wipfel des Nadelbaums. Es war eigentümlich still um ihn herum, nur der Vogel beäugte ihn aus glänzenden Knopfaugen und stieß ein Krächzen aus, einmal, zweimal, dreimal.

Keller konnte die Blicke in seinem Rücken spüren und sah zum Botschaftsgebäude hoch. Am geschlossenen Fenster seines Büros im ersten Stock stand Botschafter Kim, neben ihm eine zweite Person. Während Kim ihn, David Keller, starr betrachtete, sprach der zweite Mann angeregt ins Telefon.

Es war wohl an der Zeit, nordkoreanisches Territorium zu verlassen. Keller nahm einen letzten Zug, entsorgte die Kippe in einem zerbrochenen Tongefäß neben den Eingangsstufen und betrat durch das schmiedeeiserne Tor Schweizer Boden.

Ein Zeitungsbote war auf die spärlich befahrene Pourtalèsstraße eingebogen und begann mit der Zustellung der neuesten Nachrichten an die Nachbarschaft. Die Botschaft Nordkoreas wurde nicht bedient.

Die Haltestelle Muri der Tramlinie 6 lag nur wenige Gehminuten nordöstlich. Keller machte sich auf den Weg und schickte Pius eine Textnachricht.

Die zweigeteilte Antwort kam sogleich.

, und dann: m

Es war in der Tat eine gute Nachricht.

Der Kulturattaché war an einem kalten Dienstagmorgen vor zwei Wochen erdrosselt aufgefunden worden, zusammengesunken auf einer Parkbank im Botanischen Garten im Genfer Stadtteil Pregny-Chambésy, in Sichtweite des Völkerbundpalasts, dem UNO-Hauptquartier. Seinen Namen kannte da noch niemand. Ein Mann, offensichtlich asiatischer Herkunft, vielleicht fünfzig Jahre alt, aber ohne irgendwelche Dokumente bei sich. Auch seine Fingerabdrücke waren in keiner Datenbank gespeichert. Ein Zeugenaufruf der Genfer Polizei blieb bisher ohne Ergebnis.

Die Todesursache, Atemstillstand durch Erdrosseln, war noch am selben Tag festgestellt worden. Eine erste Andeutung, dass die Hintergründe der Tat von größerer Tragweite sein könnten, kam nur Stunden später: Beim Entkleiden des Opfers im Vorfeld der Obduktion stellten die Gerichtsmediziner fest, dass im Hosenbund des Ermordeten ein daumengroßer Gegenstand eingenäht war: ein USB-Stick.

Nur drei Tage später hatte sich eine Delegation von Genfer Staatsanwaltschaft und Polizei auf den Weg nach Bern gemacht, im Gepäck die Auswertungen der Daten auf dem Datenträger mit der entscheidenden Einschränkung: Soweit die Genfer Behörden überhaupt in der Lage waren, die Informationen zu bewerten – denn nebst diversen Lieferverträgen, Bankdokumenten und Überweisungsbelegen befanden sich auch hochkomplexe technische Zeichnungen darunter, für eine Strafverfolgungsbehörde nicht einzuordnen. Auf den vagen Verdacht hin, die Daten auf dem USB-Stick könnten in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit Nukleartechnologie stehen, wurde ein erster Kontakt zum Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire hergestellt, kurz CERN, ebenfalls mit Sitz in Genf.

Von da an ging alles sehr schnell: Die Wissenschaftler der Europäischen Organisation für Kernforschung bestätigten den Anfangsverdacht der Genfer Behörden und wiesen auf die ihrer Meinung nach erhebliche Brisanz der Unterlagen hin. Vermutlich handle es sich unter anderem auch um Baupläne für Vakuumpumpen zur Hochanreicherung von Uran, sprich waffenfähigem Uran, dessen einziger Verwendungszweck im Bau von Atomsprengköpfen liege. Als letzte Empfehlung rieten die CERN-Wissenschaftler, sich mit dem Material an die IAEA in Wien zu wenden, und zwar umgehend.

Weshalb auch immer der Asiate sterben musste, weshalb er diese sprichwörtlich explosiven Informationen bei sich trug und wer auch immer hinter der Tat steckte – in einem Punkt bestand für die Genfer Strafverfolgungsbehörden kaum Zweifel: Der Mord musste mit diesem Datensatz in Zusammenhang stehen, und damit war der Fokus für die Mordermittlung gelegt: die Verbreitung von nuklearen...


Schneider, Gerd
Gerd Schneider kam 1974 als jüngstes Kind eines Polizisten und einer Küsterin zur Welt. Er studierte Katholische Theologie in Bonn und Wien und bereitete sich auf das Priesteramt vor. Nach dem Diplom begann er ein Regiestudium an der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein Spielfilmdebüt »Verfehlung« über den Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch feierte 2015 seine Kinopremiere und gewann zahlreiche nationale und internationale Preise. Gerd Schneider dreht TV-Filme und arbeitet derzeit an einem neuen Kinoprojekt.

Basanisi, Matt
Matt Basanisi, geboren 1966, wuchs als Kind einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters am Bodensee in der Schweiz auf. Basanisi ist ausgebildeter Polizist und Kriminologe. Im Anschluss an einen Militäreinsatz für die Schweizer Armee im Kosovokrieg zur Jahrtausendwende trat Basanisi der Abteilung Organisierte Kriminalität der Schweizer Bundeskriminalpolizei bei, ab 2005 dann für mehrere Jahre dem internen Ermittlungsdienst der Vereinten Nationen. Matt Basanisi ist Absolvent der Masterclass Autor / Schriftsteller der Buch Akademie Berlin.


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