Bald / Bürger / Haumann | Wo Wild ist, da wird auch gewildert | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 19, 492 Seiten

Reihe: edition leutekirche sauerland

Bald / Bürger / Haumann Wo Wild ist, da wird auch gewildert

Historische Waldkonflikte im Wittgensteiner Land und Siegerland

E-Book, Deutsch, Band 19, 492 Seiten

Reihe: edition leutekirche sauerland

ISBN: 978-3-7504-7991-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bis ins 20. Jahrhundert hinein gehörten Wilderei und Holzfrevel zum Alltag. Dieser Sammelband erhellt den "Krieg im Wald" für das Gebiet des heutigen Kreises Siegen-Wittgenstein. Historische Dokumente, Zeitungsberichte, Forschungsarbeiten, heimatkundliche Texte und Hinweise auf noch unbearbeitete Quellen vermitteln den Rahmen für eine Gesamtdarstellung der Konflikte eines halben Jahrtausends. Die Landesherren beanspruchten für sich ein Monopol auf Waldbesitz und Jagdausübung. Doch die bäuerlichen Untertanen wollten mitnichten nur Frondienste für den adeligen Jagdkult leisten und erprobten lange vor der 1848er Revolution den Aufstand. Zuletzt erregten brutale Förstermorde die öffentliche Aufmerksamkeit. Verwundete oder getötete Wilderer aus der ärmeren Klasse handelte die Tagespresse anonym in Kurzmeldungen ab. Wie im "Absolutismus" plädierte man für Schüsse auch auf fliehende Frevler ... Die Dokumentation zu einem lange tabuisierten Schauplatz der Sozialgeschichte erschließt Beiträge von Adolf Bahne, Dieter Bald, Peter Bürger, Otto Busdorf, Karl Féaux de Lacroix, Heiko Haumann, Johann Georg Hinsberg, Klaus Homrighausen, Fürst Karl zu Leiningen, Fritz Krämer, Christian Saßmannshausen, Alfred Schärer, O. Troemper u.a.

Dieter Bald, geb. 1954 in Kunst-Wittgenstein; wohnt in Bad Berleburg; verheiratet, zwei Töchter und eine Stieftochter; Kriminalhauptkommissar a.D. (Bonn, Köln, Siegen-Wittgenstein); ehrenamtlich tätig in der Sterbebegleitung (ambulanter Hospizdienst) sowie Flüchtlingshilfe. Heimat- und Regionalforschung Wittgenstein, seit 2015 besonders für den Wittgensteiner Heimatverein e.V. engagiert. Mitautor folgender Bücher: Flüchtlinge und Vertriebene in Erndtebrück (1996), Dorfbuch Benfe. Ein Streifzug durch 300 Jahre Dorfgeschichte (2015); außerdem Verfasser diverser lokalhistorischer Beiträge für Wikipedia.
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Einleitung
zu diesem dokumentarischen
Sammelband und Quellenüberblick
Peter Bürger „Jene Herren begehen nicht eine gewöhnliche, sondern eine große Todsünde, die um eines Hasen oder anderen gefangenen Wildes halber die Leute töten oder mit Abhauung von Gliedmaßen am Leibe verstümmeln, insbesondere wenn sie dies tun aus Rachgier oder allzu großer Jagdlust.“ ANGELUS DE CLARA (geb. 1496),
auch Angelus Astensis genannt1 In Westfalen finden wir, anders als z.B. in Süddeutschland, keine breite Tradition der ‚Wilderer-Folklore‘ und – abgesehen von Hermann Klostermann2 – auch keine wirklich herausragende ‚Heldengestalt‘ aus dem Kreis der illegal Jagenden. Forst- und Wildfrevel hat es gleichwohl über die Jahrhunderte hinweg immer gegeben, z.T. in erheblichem Ausmaß. Zur Tabuisierung des Themas haben verschiedene Gruppen beigetragen. Die Angehörigen bestrafter – oder gar getöteter – Wilderer oder Holzfrevler zogen das Schweigen vor, viele Förster nicht minder. (Steindenkmäler für Jagdbedienstete, die durch den ‚Krieg im Wild‘ den Tod fanden, reichen als Form der öffentlichamtlichen Gedächtniskultur weit zurück; daneben nimmt sich die Zahl von entsprechenden ‚Wilderer-Steinen‘ verschwindend gering aus.) Eine idealisierende Geschichtsschreibung für den nahen Raum konnte mit Kriminalität, landesherrlicher Repression oder tödlichen Konflikten um Ressourcen wenig anfangen. Das aristokratische Jagdprivileg, Symbol der Macht über Territorien und Herrschaftskult zugleich, ließ die Ahndung der Wilderei oft zu einer hochpolitischen ‚(Klein-)Staatsangelegenheit‘ werden. Doch zum Märchen einer seit jeher wohlbehütenden Heimat gehören edle Herrschaftsgeschlechter und wirtschaftliche Bedingungen, die allen ein gutes Auskommen ermöglichen. Zeugnisse der sogenannten ‚kleinen Leute‘ oder gar der Ärmsten waren schon immer rar – und nicht von Interesse.3 Vom Hässlichen auf der ‚eigenen Seite‘ wollen eingefleischte Anhänger der Heimatraum-Religion ohnehin nur dann reden, wenn es sich in grauen Vorzeiten abgespielt hat. Das Übergehen, Vergessen oder Tabuisieren bestimmter sozialgeschichtlicher Kapitel bleibt hingegen unannehmbar für alle, deren Suchen einer leibhaftigen Beheimatung von Menschen gilt.4 Mit dem Buch „Krieg im Wald“5 ist der Versuch unternommen worden, für Südwestfalen anhand höchst unterschiedlicher Quellensegmente einen ersten Überblick insbesondere zu Wilderei-Konflikten darzubieten. Dieses Werk, das als Einstieg in die Thematik hier noch einmal empfohlen sei, bezieht sich in einigen Teilen auch auf das Gebiet des heutigen Kreises Siegen-Wittgenstein.6 Mit dem vorliegenden dokumentarischen ‚Spezialband‘ zur Geschichte des waldreichen Territoriums erreichen wir nun eine weitere Stufe der Erkundungen.7 Zusammengetragen wurde zunächst, was nach Auskunft von Heimatforschern und Bibliographien für das Kreisgebiet bereits vorliegt. Diese Bestandsaufnahme findet Ergänzung durch die Dokumentation historischer Quellentexte, Hinweise auf (mutmaßlich) noch nicht ausgewertete, digital allgemein zugängliche Aktenstücke, exemplarische Zeitungsrecherchen, neu bearbeitete Fallbeschreibungen (Forschungsbeiträge) und einige eigens für diese Veröffentlichung erstellte ‚Literaturberichte‘. In chronologischer Folge werden so bedeutsame Stationen, Orientierungspunkte und Fragestellungen sichtbar, die eine wittgensteinisch-siegerländische Gesamtstudie zur jahrhundertelangen Geschichte der Waldkonflikte dereinst zu berücksichtigen hätte.8 Unter solchem Vorzeichen möge das hier Vorgelegte nicht zuletzt als nützliche Dienstleistung gelten. Die Zusammenschau soll uns ‚klüger‘ machen, gleichzeitig aber auch aufzeigen, warum das Thema bedeutsam ist, wie fragmentarisch unser Wissen ausfällt (bezeichnende Leerstellen) und wo weitere Forschungen ansetzen könnten. 1.
AUS ZEITEN DER FEUDALHERRSCHAFT
In seinen „Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Hohenstein“ schreibt Eitel Klein zur Entwicklung ab dem 16. Jahrhundert: „Den größten Teil des [Wittgensteiner] Landes nehmen die riesigen Waldungen ein, die sich sämtlich im Besitz der Grafen von Wittgenstein befinden und den Reichtum des Landes bilden. Die große Verbreitung ist naturbedingt und bildet die bestlohnende Anbauform in Wittgenstein. […] Der außerordentlich reiche Waldbestand des Landes bildet das Rückgrat des gesamten Wirtschaftslebens, ohne den ein Existieren in der Grafschaft überhaupt undenkbar ist.“9 Zur keineswegs „naturbedingten“ (oder gar „gottgewollten“) Sonderheit des Wittgensteiner Landes gehörte der bedrückende Umstand, dass nahezu der gesamte Wald im Besitz der Landesherrschaft stand (während sich anderswo in nennenswertem Umfang auch andere Eigentumsformen herausbilden konnten). Im Gegensatz etwa zum kurkölnischen Gebiet des heutigen Nachbarkreises Olpe10 war seit Festigung der Ansprüche auch von vornherein flächendeckend geklärt, dass nur dem Landesherrn die Jagdberechtigung zukam. Das eine bedingt das andere: Der sogenannte „Wildbann“ – die Jagdrechte in einem Territorium betreffend – hängt wie der „Forstbann“ eng mit dem historischen Ringen um Macht über den Raum zusammen.11 Der Zusammenhang spiegelt sich z.B. unter Graf Ludwig d. Jüngeren noch im Bestallungsbrief12 für Rötger Chun (Kuhn) aus dem Jahre 1618, da hier „Schultheiß und Waldförster“ (u.a. Grenzsicherungs- und Waldaufgaben) in einem kombinierten Amt vereinigt sind (?II). In der „Holzordnung vom 18. August 1579“13 wird bereits eingeschärft: Es soll niemand mit Büchsen oder Armbrust auf die Pirsch gehen; Waffen zum eigenen Schutz dürfen nur auf ordentlichen Straßen – nicht in potentiellen Jagdgefilden – getragen werden (?I). Die Strafandrohung bezogen auf das bloße Waffentragen ist jedoch noch nicht spezifiziert. Klaus Homrighausen14 referiert eine Akte des Jahres 1693, in welcher es um die – grenzüberschreitende – Strafverfolgung des Johann Wilhelm Spies aus Diedenshausen (bei Berleburg) durch das Gericht in Laasphe geht (?III). Dies ist der früheste in unserem Band behandelte Wilderer-Kasus mit Namensnennung. Die um ein Gutachten gebetenen Marburger Juristen empfehlen ein Verhör unter Folter oder – im Falle eines gnädigen Vorgehens des Grafen – zumindest die Landesverweisung. Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts erfolgte eine Aufteilung des wittgensteinischen Territoriums. – Über den unmittelbaren Nachfolger des Begründers der Sayn-Wittgenstein-Berleburger Adelslinie wird mitgeteilt: „Ludwig Casimir, der älteste Sohn des Grafen Georg [1605-1631], hatte das Unglück, in den letzten Zeiten des dreißigjährigen Krieges von Straßenräubern und Wilddieben (den sogenannten Schnaphahnen) in der Nähe der Stadt Wetter am 6. Juni 1643 ermordet zu werden.“15 – Der pietistisch geprägte Casimir zu Sayn und Wittgenstein (1687-1741), Landesherr der waldreichen, aber dünn besiedelten Nordgrafschaft Wittgenstein-Berleburg, war der Jagd als Lustbarkeit seines Standes keineswegs abgeneigt, baute u.a. neue Jagdhäuser und hielt als nach innen gekehrter ‚Chronist‘ seine waidmännischen Aktivitäten trotz ihres weltlichen Charakters sorgfältig fest.16 Am 8. Februar 1724 notierte Graf Casimir in seinem Tagebuch: „Ich habe […] auch den schon 1 ½ Jahr allhier gefangen geseßenen Winterberger Wilddieb loßgelassen, nachdem er vorhero nicht alleine eydlich angelobet, sondern auch noch dazu eine gerichtliche Caution von sich gestellet hat, daß er sich nicht mehr hier im Lande auf Wilddieberey wollte betretten laßen.“17 Die von ihm ebenfalls 1724 ausgestellte Bestallungsurkunde für den Förster Matthäus Kroh (?IV) weist in mehreren Formulierungen auf die ernste Bedeutung der Wilderer-Verfolgung hin. Der Forstmann soll einen Jahres-‚Grundlohn‘ von nur vier Thalern erhalten, doch bei der Ergreifung eines Wilderers wartet auf ihn gleich eine Belohnungsprämie von 30 Thalern! Casimirs Forst- und Waldordnung aus dem Jahr 1726 (Auszüge ?V) enthält u.a. Maßregelungen zum Halten von Hunden sowie das Verbot des Waffentragens abseits der ‚ordentlichen Landstraßen‘ (im Vergleich zur „Holzordnung vom 18. August 1579“ gibt es eine Präzisierung: wer das Waffenverbot nicht beachtet, wird per se als Wilddieb betrachtet und inhaftiert). Am 28. September 1728 widerfährt abends einem von Casimirs Gerckhausener Förstern mit Namen „Hermannus Krähmer“...


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