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Baecker / Bette / Lehmann | Die Rettung des Planeten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 347 Seiten

Baecker / Bette / Lehmann Die Rettung des Planeten

Wie reagiert die Gesellschaft auf die Klimakatastrophe?

E-Book, Deutsch, 347 Seiten

ISBN: 978-3-593-45854-0
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Trotz zahlreicher Aktivitäten, die auf eine langsame Anpassung der Gesellschaft an die Herausforderung des Klimawandels schließen lassen, reagiert die Gesellschaft allem Anschein nach zu langsam. An welcher gesellschaftlichen Struktur liegt das und welche Akteure versprechen unter Umständen eine beschleunigte und angemessene Reaktion? Im Anschluss an Helmut Willkes Werk »Klimakrise und Gesellschaftstheorie. Zu den Herausforderungen und Chancen globaler Umweltpolitik« (2023) setzen sich die Autor:innen mit verschiedenen Formen von Krisen und Krisenbewältigung auseinander. Wie kleinteilig muss und darf man sich die Reaktion auf eine so umfassende Bedrohung wie die der Klimakatastrophe vorstellen? Welche Rolle spielen Funktionssysteme wie die Politik, das Recht, die Wirtschaft? Gibt es sinnvolle Vorstellungen zu einer weltweit hilfreichen Form von Solidarität? Welche theoretischen Annahmen liegen einer Wissenschaft zugrunde, die zum Handeln auffordert? Welches politische Handeln überwindet den zu engen Rahmen einer nationalen Ordnung, deren Eigeninteressen sich im Wettbewerb behaupten müssen? Der Band greift Helmut Willkes Fragen auf und diskutiert sie in einem soziologischen und politikwissenschaftlichen Zusammenhang.

Dirk Baecker ist Seniorprofessor für Organisations- und Gesellschaftstheorie an der Zeppelin University in Friedrichshafen. Karl-Heinrich Bette ist Professor für Sportsoziologie am Institut für Sportwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. Maren Lehmann ist Professorin für Soziologische Theorie an der Zeppelin University in Friedrichshafen.
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Vorwort


Helmut Willke war ein juristisch und politikwissenschaftlich gebildeter Soziologe. Daraus ergab sich die leitende Paradoxie seines Lebenswerks. Wie können wirksame Gesetze und Verfahren gefunden werden, die mit der Freiheit der Menschen kompatibel sind? Und schärfer noch: Wie kann die Freiheit der Menschen derart gesteigert werden, dass Gesetze und Verfahren wirksam werden, die einen Ausweg aus der drohenden Klimakatastrophe weisen? Freiheit ist nur in Gesellschaft möglich. Das war sein Leitsatz, dem er unter dem Titel ein ganzes Buch gewidmet hat. An welche Art von Gesellschaft dachte er? Und welche Art von Freiheit stellte er sich vor? Mit seinem Buch (2023) werden diese Fragen noch einmal sowohl theoretisch als auch empirisch scharf gestellt. Der vorliegende Band greift sie auf. Sicher ist ja bislang nur, dass jeder einzelne von uns die Möglichkeit hat, sich frei für ein Verhalten zu entscheiden, das beim Wohnen, im Konsum, im Verkehr, im Beruf und in der Freizeit so nachhaltig wie möglich ist. Und sicher ist auch, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft seit dem Bericht des Club of Rome 1972, der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro und der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal im Dezember 2022 die Zeichen der Zeit erkannt haben. Mehr als fraglich ist jedoch, ob mit den bislang noch nicht einmal eingehaltenen Zielvorgaben das Jahrhundertprojekt eines Ausstiegs aus fossilen Energien gelingen kann.

Die Antwort auf beide Fragen ist zum einen überraschend einfach und zum anderen durch und durch soziologisch. Es muss sich um eine Gesellschaft handeln, die die Probleme, die sie auf der planetaren Ebene hat, auch auf dieser Ebene löst. Und es muss eine Freiheit sein, die sich sehenden Auges diesen Problemen stellt. So weit, so einfach. Es ist der soziologische Anteil an dieser Antwort, der die Sache komplizierter macht. Denn nur global arbeitende internationale Organisationen, zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorganisationen und nichtgewinnorientierte Organisationen sind Kandidaten für eine Arbeit auf einer planetaren Ebene, wenn die bislang politisch dominante Ebene der Nationalstaaten wegen des dort vorherrschenden Wettbewerbs um wirtschaftliche Macht den Lösungen des Klimaproblems eher im Wege steht. Und nur global arbeitende Organisationen und Initiativen haben die Freiheit, die lokal allerorten sichtbar werdenden Probleme nicht zu übersehen, sondern zum Ausgangspunkt für eine Suche nach Lösungen zu nehmen. Geradezu philosophisch ist an dieser soziologischen Einsicht, die zudem die aktuelle Praxis der vielen kleinen, wenn auch unzureichenden Lösungen ernst nimmt, dass sie auf schwache Akteure setzt. Staaten und Konzerne sind starke Akteure, deren Schwäche darin besteht, dass sie jederzeit um ihre Stärke fürchten müssen und daher für ein optieren. Schwache Akteure hingegen haben wenig zu verlieren und können es sich daher leisten, die Probleme beim Namen zu nennen und nach Lösungen zu suchen, die nicht unbedingt herrschenden Interessen entsprechen.

Das klingt nach einem dialektischen Trick und das ist es vielleicht auch. Aber es bringt einen weiteren Akteur ins Spiel, dessen Schwäche ebenfalls ins Auge springt, der jedoch der einzige ist, der die lokale Freiheit auf einer planetaren Ebene tatsächlich zu nutzen versteht. Dieser Akteur ist der Experte. Helmut Willke hat sich unbeliebt gemacht, als er der Demokratie in der Schweiz in einem 2014 erschienenen Zeitschriftenbeitrag bescheinigte, überfordert zu sein. Die Verfahren einer direkten Demokratie, so merkte er an, sind geeignet, Probleme vor der Haustür zu lösen, doch sie verfügen nur über die Mittel der eigenen Nation. Experten hingegen sind in der Lage, die Probleme vor der Haustür in den Zusammenhang ihrer globalen Verursachung zu stellen und globale Gegenmittel zumindest zu diskutieren. Den Bürgern, die vor einem Referendum stehen, gilt die ganze Aufmerksamkeit der Politik, während den Experten niemand zuhört. Doch das ändert nichts daran, dass das Problemwissen bei Letzteren zu suchen ist, nicht bei Ersteren. Wie also kann man die einen mit den anderen kombinieren und welche Art von Politik würde auf sie aufmerksam?

Man versteht, welcher Stachel in diesem so fraglos scheinenden Begriff der Freiheit steckt, sobald die Freiheit mitgemeint ist, auch auf die unlösbaren Probleme hinzuweisen. Helmut Willke nahm sich die Freiheit, diese Freiheit mitzumeinen. Wenn er auf die Chancen einer globalen Umweltpolitik hinweist, die aus einer konzertierten Aktion von zivilgesellschaftlichen und internationalen Organisationen resultieren können, wusste er, dass die meisten seiner geneigten Leserinnen und Leser abwinken werden. Diese Akteure sind zu schwach. Und selbst wenn man annimmt und hier und da auch beobachten kann, dass sich Staaten und Konzerne anschließen, dass Justizsysteme umdenken, ganze Bildungssysteme neu gepolt werden, die Künste mitspielen, die Massenmedien die passenden Nachrichten verbreiten und sogar die Religion vom Schutz der Erde (vor den Menschen) spricht, bleibt es bei Initiativen, die dem gigantischen Problem des Ausstiegs aus einem System der Ausbeutung fossiler Energien, von dem die Existenz ganzer Industrien, Städte und Bevölkerungen abhängt, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gewachsen sind.

Helmut Willke wusste um diese Zange einer doppelten physikalischen Zwangsläufigkeit des Energiesystems der menschlichen Gesellschaft auf der einen Seite und der Zerstörung der natürlichen Umwelt, des Erdklimas und der Biodiversität auf der anderen Seite. Aber er wusste auch, dass noch so eindrückliche Beschreibungen der Lage dieses Planeten seine Wirklichkeit möglicherweise verfehlen. Nicht umsonst hat er außerordentlich einflussreiche Einführungen in eine soziologische Systemtheorie geschrieben, die sich um zwei Grundgedanken dreht, den Gedanken der Komplexität und den Gedanken der Selbstreferenz sozialer Systeme. Beide Gedanken sind dafür verantwortlich, dass man sich nicht für die starken Akteure interessiert, die ihr Auskommen unter den herrschenden Verhältnissen bereits gefunden haben und ihre Reduktionen der Komplexität für die bewährten halten, sondern für schwache Akteure, denen auffällt, was anderen nicht auffällt, und die den Preis nicht übersehen, den die Scheuklappen der Selbstreferenz unweigerlich in Kauf zu nehmen zwingen.

Es gibt keine physikalische Zwangsläufigkeit. Es gibt nur mächtige Kraftfelder, Raumzeitkonstellationen, die für den Moment keine andere Orientierung kennen als die fatale. Ihre Parameter sind jedoch weder in Stein gemeißelt noch historische Gesetze. Sie hängen davon ab, dass sie wieder und wieder bestätigt werden, von denselben Kräften, die von ihnen abhängen. Also muss man sich um diese Parameter kümmern, nicht nur um die Kipppunkte, mit denen Unwiederbringliches verloren zu gehen droht, sondern auch um die Randbedingungen, die gerne für selbstverständlich gehalten werden, aber es nicht sind.

Helmut Willke hat lange genug die Entwicklungszusammenarbeit im Globalen Süden mitverfolgt und beraten, um sich angesichts lokaler Interessen und behördlicher Eigendynamiken keinerlei Illusionen hinzugeben. Aber er wusste auch, dass nur der Zwang den Zwang begründet und dass selbst die sparsamste Injektion von Freiheit genügt, um den Blick für jene Abweichung zu öffnen, die einen Ausweg weist. Er wusste, mit welcher Panik Institutionen aller Art, bis hin zur Universität, diese Injektion zu verhindern wissen. Aber auch dagegen setzte er nicht die Stärke, sondern die Schwäche, die Schwäche eines .

Die Religion der Gegenwart ist die Wissenschaft. Grund genug für einen Soziologen, erneut auf der Hut zu sein. Für sie gelten dieselben Gesetze wie für alle starken Akteure. Längst hat sie zu viel zu verlieren. Sie muss sich darum bemühen, schwach und wach zu bleiben. Andernfalls verpasst sie die nächste Abzweigung.

Wir haben für den vorliegenden Band Kolleginnen und Kollegen von Helmut Willke gebeten, sich mit seinem Buch über auseinanderzusetzen, seine Ideen zu überprüfen und ihnen eigene Ideen entgegenzusetzen. Wir freuen uns, im Gedenken an Helmut Willke einen Band vorlegen zu können, der einen großen Teil des Spektrums der Debatte abbildet. Es findet sich eine Überprüfung der Idee der funktionalen Differenzierung ebenso wie eine Einschätzung der Funktion von ...


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