Bacher / Noller Bolle und die Bolzplatzbande. Die Fälle 1-3
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86358-838-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Sammelband: Die Fahrradleiche - Der Elefantencoup - Der Brandanschlag
E-Book, Deutsch, 450 Seiten
Reihe: Bolle und die Bolzplatzbande
ISBN: 978-3-86358-838-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Die Bolzplatzbande: das sind Wladi, Sema, Laura und Kevin. Gemeinsam mit vielen anderen pfiffigen Kindern lösen die vier Freunde Kölner Kriminalfälle - auch wenn das Kommissar Sieberbeck so gar nicht gefällt. Fall 1: Die Fahrradleiche. Köln, Agnesviertel. Als sich in dem sonst so beschaulichen Viertel um die Alte Feuerwache eine gefährliche Fahrraddiebstahl-Bande herumtreibt, gerät Wladi plötzlich selbst unter Verdacht, daran beteiligt zu sein. Kurz entschlossen gründet er mit seinen Freunden die Bolzplatzbande, um den echten Dieben eine Falle zu stellen. Fall 2: Der Elefantencoup. Als Laura das Angebot bekommt, mit einem kleinen Wanderzirkus auf Tournee zu gehen, packt sie sofort ihre Sachen. Doch als ihre Katze Missy verschwindet und das Elefantenbaby Rahidan aus dem Zirkus entführt wird, weiß sie, dass es erst einmal Wichtigeres zu tun gibt, als um die Welt zu reisen: Gemeinsam mit ihren Freunden von der Bolzplatzbande begibt sie sich auf die Suche nach den skrupellosen Tier-Jägern. Fall 3: Der Brandanschlag. Der alte Straßenkehrer Bolle steht unter Verdacht, am Feuer in der Alten Feuerwache beteiligt zu sein. Nicht nur, weil er selbst seine Werkstatt dort betreibt, sondern auch, weil er plötzlich spurlos verschwunden ist. Es ist Sema, die mit ihren Freunden einen fremdenfeindlichen Hintergrund wittert. Oder stecken etwa die Pläne eines Investors dahinter, der auf dem Gelände der Feuerwache einen Vergnügungspark mit Tiefgarage bauen möchte?
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Montag, 11. April 15 Uhr, Neusser-, Ecke Weißenburgstraße
Was Wladi am meisten wundert, sind die vielen Blechkisten. Es scheint im Agnesviertel so viele Autofahrer zu geben, dass sie nicht genügend Platz zum Abstellen der Wagen haben. Sie parken an jedem freien Platz, auch auf Gehsteigen und Grünstreifen. Er sieht kaum Lieferwagen und Kleinbusse, aber viele Mercedesse und BMWs. Richtig feine Karossen. Und auf der Inneren Kanalstraße gibt es sogar spätabends in der Dunkelheit Stau. Dort stehen die Autos dann dicht an dicht, die Scheinwerfer leuchten und die Gesichter der Fahrer erscheinen irgendwie unheimlich. An dem Abend, als Wladi in der Stadt angekommen ist, stand er mittendrin – auf dem Weg in sein neues Zuhause, dem Agnesviertel in Köln. »Na, Russe? Gut angekommen?« Ein heftiger Schlag trifft Wladi gegen die Brust, eine Sekunde später findet er sich auf dem Hosenboden sitzend wieder. Wladi ist geschockt, er reibt sich die Augen – und er sieht einen großen, hämisch grinsenden Jungen mit struppigen blonden Haaren, der auf ihn herunterschaut. Wo kam der denn her? Wladi war so in Gedanken versunken, dass er ihn nicht bemerkt hat. Der Kopf des Jungen kommt Wladi riesig vor. »Was ist? Kannst du kein Deutsch?« »Ich, ich …« Wladi sucht verzweifelt nach Worten. Was soll das? Was will der Junge von ihm? Wladi hat keine Ahnung, er fragt sich, ob er irgendetwas falsch gemacht hat, aber er wüsste nicht, was. Außerdem: Woher weiß dieser blöde Affe, dass er aus dem Osten stammt? »Ich, ich …«, äfft der andere Wladi nach. Dann tritt er ihm mit voller Wucht gegen das Schienbein und streckt Wladi die geballte Faust vors Gesicht. »DU bist bloß der neue Russe. ICH bin Michi Mense, merk dir das! Und ICH hab hier das Sagen, Russe! Kauf dir erst mal vernünftige Klamotten! Lern erst mal richtig Deutsch! Und merk dir eins: Michi Mense ist hier der Boss!« Der Junge schwingt sich auf sein altes Rad, über dessen Rahmen sich eine blaue Schrift zieht. Wladi ist zu überrascht, um sich zu wehren oder dem Jungen noch etwas hinterherzurufen. Beschimpft zu werden, das kennt er von Zuhause. Da haben ihn ältere Jungs aus dem Dorf manchmal geärgert, weil seine Familie vor Generationen aus Deutschland gekommen ist. Aber dass es jetzt hier genauso laufen würde, hätte nicht gedacht. Schon komisch, denkt er, zu Hause in Duschanbe haben sie mich einen Scheißdeutschen genannt, und hier in Köln soll ich jetzt plötzlich ein blöder Russe sein. Wladi schüttelt den Kopf und läuft weiter. Er möchte sich durch das Vorkommnis nicht davon abbringen lassen, den Ebertplatz und das alte Stadttor am Eigelstein anzugucken. Tante Olivia hat Wladi vom Ebertplatz erzählt, von der U-Bahn-Station, vom Brunnen, von der verlassenen Passage, von den stillstehenden Rolltreppen. Dieser Platz sei typisch für Köln, hat Tante Ludmilla hinzugefügt, denn in Köln liege immer das Hässliche direkt neben dem Schönen. Genauso sei es auch am Ebertplatz. Der sei fast unerträglich hässlich. Aber wer ihn erst einmal überquert habe, der komme zum Platz am Eigelsteintor. Und da sei es richtig schön. Die Tanten sind es auch gewesen, die Wladi, seine Schwester Tatjana und die Eltern am Sonntag mit einem VW-Bus im Übergangslager Friedland abgeholt haben. Sie haben ihnen außerdem die Wohnung in einem Wohnblock im Agnesviertel besorgt und den ganzen Papierkram erledigt – Familienzusammenführung heißt so was. Wladi und seine Schwester Tatjana hat dabei leider keiner nach ihrer Meinung gefragt. Man hätte daheim bleiben sollen in Duschanbe, hat sie die ganze Fahrt nach Friedland geschimpft. Seitdem die Familie in Köln angekommen ist, schweigt Tatjana allerdings. Wladi weiß nicht genau, warum. Sie hasst die deutsche Sprache, die ihnen ihr Vater schon von klein auf beibringen wollte. Während Wladi ihm zuliebe einen Deutschkurs belegt und auch in der Schule Deutsch gelernt hat, hat sich Tatjana rigoros geweigert. Sie wird es noch schwerer haben als er selbst mit seinem bruchstückhaften Deutsch. Mense – jetzt fällt ihm wieder ein, wo er den Namen des Jungen mit dem Klapprad schon einmal gehört hat: Mense, genau, so heißt doch der Verwalter des Häuserblocks, der nun sein neues Zuhause sein soll. Er hat ihnen bei der Ankunft den Schlüssel gegeben und die Hausregeln erklärt. Deshalb weiß der Junge also, woher Wladi stammt! Oje: Wenn Michi Mense tatsächlich der Sohn des Verwalters ist, dann hat Wladi ihn jetzt an der Backe. Jemanden an der Backe haben – ob man das hier auch so sagt? 16.10 Uhr, Ebertplatz
Der Ebertplatz ist noch hässlicher, als Wladi ihn sich vorgestellt hat. Eine Betonfläche, so groß wie ein Fußballfeld, drumherum braust der Verkehr, in der Mitte steht tatsächlich ein seltsamer Brunnen aus Stahl. Überall Müll, die Rolltreppen zu der U-Bahn-Station sind kaputt, auf den kleinen Mauern sitzen Menschen mit Bierflaschen in der Hand. Kein sehr angenehmer Ort. Aber der Anblick ändert sich, als Wladi die kaputte Rolltreppe vom Ebertplatz zum Eigelstein hochsteigt. Stimmt, denkt er, Tante Ludmilla hat recht. Vor sich sieht Wladi nämlich ein riesiges altes Stadttor. Dieses Tor ist von einem hübschen Platz mit Kopfsteinpflaster umgeben. Der Platz hat etwas von Urlaub am Schwarzen Meer: Die Erwachsenen lümmeln auf Caféstühlen, die Kinder schlecken Eis und toben auf dem Platz herum. Nur das Meer fehlt, stattdessen rauscht im Hintergrund der Straßenverkehr. Was Wladis Laune noch mehr hebt: Hier beherrschen nicht Autos, sondern Fahrräder das Bild. Jede Menge Kinder und Erwachsene sind mit dem Rad unterwegs. Wo wohl sein alter Drahtesel jetzt steht?, überlegt Wladi. Er hat das Rad Igor und Josef überlassen, mit denen er zu Hause immer ausgedehnte Touren unternommen hat. Ach, zu Hause, bei dem Gedanken wird Wladi ganz anders zumute … »Gut reagiert, Kleiner«, spricht ihn plötzlich ein Mann in einer schwarzen Lederjacke an. Der Mann ist jünger als Wladis Eltern, er trägt einen Bart, seine Haare sind verstrubbelt, seine Augen glitzern dunkel. Der Mann ist noch schlechter zu verstehen als die anderen Kölner, vielleicht hat er einen Akzent. »Ich hab dich vorhin mit dem Blonden beobachtet. Es ist gut, wenn man sich nicht aus der Fassung bringen lässt.« Aus der Fassung bringen – wieder so eine Redewendung, die Wladi noch nie im Leben gehört hat. Sein Blick heftet sich schon an ein schickes knallrotes Fahrrad, das der Mann ihm zuschiebt. Auch ohne gut Deutsch zu verstehen, weiß Wladi, dass dieses Fahrrad zum Verkauf steht. Wer auch immer dieser Mann ist, er kann Gedanken lesen! Dann bietet er Wladi eine Proberunde auf dem roten Flitzer an. Da kann er natürlich nicht Nein sagen! Wladi steigt auf, fährt los – und merkt sofort den Unterschied zu seinem alten Rad, das er in Tadschikistan zurückgelassen hat: Das rote Fahrrad fährt unglaublich leicht, fast wie von selbst. Für einen Moment kommt es Wladi so vor, als würde er fliegen. Das ist großartig, wirklich großartig. Ein Traum! Drei Mal fährt er um den Platz, möchte gar nicht mehr aufhören. Aber dann gibt ihm der Mann ein Zeichen, dass er wieder anhalten soll. Er grinst und entblößt einen Goldzahn – Wladi schaudert es. Er steigt sofort ab und klappt mit dem rechten Fuß die Stütze herunter. Der Mann holt einen 50-Euro-Geldschein aus der Tasche. Er gibt Wladi zu verstehen, dass er das Fahrrad für 50 Euro kaufen kann. Billig, billig, macht der Fahrradhändler deutlich, indem er Zeigefinger und Daumen aneinanderreibt. Doch Wladi schüttelt den Kopf. Er denkt an die Worte seines Vaters, der gesagt hat, sie müssten am Anfang in Deutschland sehr sparen. Wladi weiß, dass selbst 50 Euro für ein Fahrrad im Moment nicht drin sind. Noch einmal bietet der Mann ihm das rote Fahrrad an, noch einmal schüttelt Wladi den Kopf, und zwar ganz fest. Da wird der Mann richtig böse. Seine Miene verfinstert sich, er ballt die Hand zur Faust. »Dann such lieber das Weite, sonst …«, droht er. Wladi weicht schnell ein paar Schritte zurück. Wenn der wüsste, wie gerne er sein Rad kaufen würde, denkt sich Wladi. Traurig trollt er sich in Richtung Torburg, wo er tatsächlich das alte, kaputte Boot findet, von dem ihm seine Tante erzählt hat. Autos, Fahrräder und Schiffe, blonde Jungs und böse Männer – Wladi ist plötzlich sehr erschöpft. Und als er seinen Blick noch einmal wendet, ist der Mann mit dem Fahrrad spurlos verschwunden. Wladi fühlt etwas Hartes in seiner Hosentasche und fischt ein Eurostück hervor. Ein Glückseis, das ist genau das, was Wladi jetzt braucht. Entschlossen geht er auf die Eisdiele zu. Sein neues Leben ist sehr anstrengend, aber auch sehr aufregend. Eigentlich hat er sich doch auf seinem ersten Gang durch diese unbekannte Stadt bis jetzt ganz gut geschlagen. Blonde Jungs und böse Männer, nein, von so etwas lässt ein Wladi Peters sich nicht beirren. 17.30 Uhr, an der Alten Feuerwache
Das Eis ist schneller weg, als Wladi lieb ist. Und jetzt fällt ihm auch auf, dass er sich wohl irgendwie verlaufen haben muss. Vom Ebertplatz zweigen viele Straßen ab, da hat er wohl die falsche genommen. Nun steht er vor einem Gebäude aus rotem Klinkerstein, das wie eine Festung aussieht. Das muss die Alte Feuerwache sein, von der Tante Olivia am Vortag erzählt hat. Das Tor steht sperrangelweit offen und Kinderstimmen tönen bis auf die Straße. Wladi betritt den großen Innenhof der Alten Feuerwache und ist beeindruckt. Einen solchen Ort hat er hier mitten in der Stadt nicht erwartet. Gemütliches Treiben im Café, ein alter Mann in Straßenfeger-Montur auf einer Bank, ein paar Jungs, die mit einem Ball...