E-Book, Deutsch, Band 24, 136 Seiten
E-Book, Deutsch, Band 24, 136 Seiten
Reihe: Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik / Kriminologie
ISBN: 978-3-8011-0828-1
Verlag: Verlag Deutsche Polizeiliteratur
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Detlef Averdiek-Gröner, Polizeidirektor Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Verbundabteilung Münster, für Einsatzlehre, Eingriffsrecht und Führungslehre, Seit 1978 Polizeivollzugsbeamter in langjährigen Verwendungen der drei Laufbahnabschnitte in Polizeipräsidien, Landratsbehörden, einer Landesoberbehörde und der Bezirksregierung: Posten- und Streifendienste, Sachbearbeitungen, Dienstgruppenleitungen, Leitungen von Dienststellen, Leitungen von Unterabteilungen, Abteilungsstab/-stabsdienststellen, Dezernatsleitung und seit 2008 hauptamtlicher Dozent für Einsatzlehre, Eingriffsrecht und Führungslehre an der FHöV NRW, Verbundabteilung Münster. Udo Behrendes, Leitender Polizeidirektor a.D. 1972 - 1977, Ausbildung zum mittleren Dienst; Bereitschaftspolizei; Streifendienst im Polizeipräsidium Köln 1977 - 1980, Ausbildung zum gehobenen Dienst: Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln 1980 - 1986, Führungsfunktionen (u.a. Dienstgruppenleiter) im Streifendienst; Leiter der örtlichen Fortbildungsstelle, Polizeipräsidium Köln 1986 - 1988, Ausbildung zum höheren Dienst: Studium an der Polizeiführungsakademie Münster 1988 - 1996, Leiter von Polizeiinspektionen, Polizeipräsidium Bonn 1996 - 1999, Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln 1999 - 2008, Leiter von Polizeiinspektionen, Polizeipräsidium Köln Im Zeitraum 1988 bis 2013 in unterschiedlichen Funktionen mit mehreren Hundert Demonstrationseinsätzen befasst. Carsten Dübbers, Kriminaloberrat, leitet beim Polizeipräsidium Köln eine Kriminalinspektion. Seine berufliche Laufbahn bei der Polizei begann von 1995 bis 1998 an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) in Dortmund. Nach Tätigkeiten im Streifendienst sowie Führungs- und Stabsfunktionen studierte er im Rahmen des Aufstieges in den höheren Polizeivollzugsdienst an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) in Münster und schloss 2009 als Master of Police Administration/Police Management ab. Im Anschluss folgten berufliche Stationen als Dezernent einer Landesoberbehörde (LZPD NRW) und als Dozent an der FHöV NRW Abt. Köln. 2015 promovierte er an der Universität Hildesheim zum Dr. phil. Seit 2016 ist er im Polizeipräsidium Köln in unterschiedlichen Funktionen in der Direktion Kriminalität tätig und arbeitete in der 'AG Silvester' die Vorgänge der Kölner Silvesternacht 2016 auf. Er ist zudem als Lehrbeauftragter an der FHöV und an der DHPol tätig.
Autoren/Hrsg.
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Detlef Averdiek-Gröner 2Fußball und Gewalt
2.1Das Phänomen in der Entwicklung
Fußball galt in den beschaulichen Nachkriegsjahren in Deutschland als Volkssport Nummer 1. Das ist er zweifelsohne auch heute noch. Doch ist der Fußball heute viel mehr. Professionalisiert und kommerzialisiert ist er heute Teil einer gigantischen, weltweiten Eventindustrie mit täglicher medialer Begleitung. Sportler und Trainer sind moderne Legionäre, Spielerberater verdienen Millionen, Transfersummen sind in schwindelerregende Höhen gestiegen. Mit Werbung und Fernsehübertragungsrechten werden Milliarden umgesetzt. Vereine sind zu Wirtschaftsunternehmen geworden, manche in der Hand reicher Oligarchen. Fußball ist ein enormes Geschäft. Immer wieder werden in den letzten Jahren auch die Schattenseiten dieser Entwicklung deutlich und führen zu Schlagzeilen wie Spielmanipulation und Wettbetrug, Systeme von Steuervermeidung und Steuerbetrug, Korruption und moderner Menschenhandel. Seine Anziehungskraft hat „die schönste Nebensache der Welt“ dennoch nicht verloren. Das „Sommermärchen“ rund um die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland und die nationalen und internationalen Großereignisse der Folgejahre geben davon beredtes Zeugnis. Auch heute pilgern Woche für Woche Hunderttausende von Menschen zu den Stadien und erleben Emotionen pur – Familien mit Kindern, vereinstreue Fans – aber auch Hartgesottene wie „Hooligans“, rivalisierende „Ultras“ und andere, denen Selbstdarstellung, Krawall und Randale rund um das Spielgeschehen mindestens ebenso wichtig sind wie das Geschehen auf dem Spielfeld selbst. Und so gehören auch immer wieder Ausschreitungen und Gewalttaten rivalisierender Gruppen in den Stadien, auf An- und Abreisewegen und in den Vergnügungsvierteln der Städte zum Bild des Fußballgeschehens – zunehmend auch die gewollte Konfrontation mit Ordnungsdiensten und Polizeikräften, durch deren Einsatz die Sicherheit in den Stadien, Städten und Reisewegen gewährleistet werden soll. Selbst allgemeinkriminelle Gewalttaten in Bereicherungsabsicht sind nicht ausgeschlossen.12 Der Fußball hat daher heute – national wie international – eine nicht zu unterschätzende sicherheitspolitische Relevanz. Eine Herausforderung – nicht zuletzt für die Polizei. 2.1.1Gewalt und Sicherheit in den Stadien Die Bedeutung von Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit Fußballspielen trat erstmals zum Ende des 20. Jahrhunderts mit größeren Schadensereignissen13 und Gewalttätigkeiten in Fußballstadien in das kollektive Bewusstsein. Das erste herausragende Ereignis dieser Art in Europa war die Katastrophe im Heysel-Stadion in Brüssel am 29.5.1985 als Anhänger einer englischen Mannschaft in den neutralen Sektor stürmten, Panik ausbrach und eine Wand einstürzte. 39 Menschen wurden getötet, 454 verletzt. Wenige Jahre später ereignete sich die Hillsborough-Katastrophe vom 15.4.1989 in Sheffield mit 96 Toten und mehr als 400 Schwerverletzten. Sie wurde durch die Überfüllung einer Stehplatztribüne begünstigt. In manchen Bundesligastädten waren in dieser Zeit gewaltbereite Fangruppen nach Art der englischen Hooligans entstanden. So gab es auch in den Fußballstadien in Deutschland immer wieder Gewalt und Randale rivalisierender Gruppen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Bremer und Hamburger Fußballfans hatte im Oktober 1982 ein Steinwurf sogar zum Tod eines 16-jährigen Hamburgers geführt. Der Einsatz von Polizeikräften in den Bundesligastädten zielte danach vorrangig darauf ab, die gewalttätigen Fans von den anderen zu trennen und massiv aus den Stadien zu verdrängen.14 In der Folge veränderte sich das Zuschauerverhalten. Zunehmend begleiteten Fans ihre Mannschaften auch zu Auswärtsspielen. Hatten sich Auseinandersetzungen aufeinandertreffender rivalisierender Gruppen zunächst meist in Stadien vollzogen, verlagerten sie sich – infolge der Sicherheitsmaßnahmen dort – auch auf das Umfeld und die Innenstädte. Dies erforderte veränderte, flexible polizeiliche Handlungskonzepte. 2.1.2Nationales Konzept Sport und Sicherheit 1993 Unabhängig von der Fortentwicklung polizeilicher Handlungskonzepte auf sich verändernde Herausforderungen rund um das Fußballgeschehen zeigte sich ebenfalls bereits in den 1980er-Jahren, dass für den Umgang mit Gewalttätern bei Fußballspielen grundsätzlich eine vernetzte, gesamtgesellschaftliche, länderübergreifende – im Einzelfall auch internationale – Zusammenarbeit notwendig war. Als Antwort auf die Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen und um die Sicherheit bei Sportveranstaltungen zu verbessern, ließ deshalb die IMK (Innenminister-Konferenz) im Jahr 1992 durch eine Arbeitsgruppe unter Federführung Nordrhein-Westfalens15 und unter Beteiligung anderer Fachministerien, des Deutschen Fußballbundes, des Deutschen Sportbundes und weiterer Akteure das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“ (NKSS) erarbeiten. Ziel war es, ein von allen Beteiligten getragenes bundesweites Konzept gegen Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen vorzuschlagen. Mit dem Konzept sollte auch auf Änderungen der Erscheinungsformen von Gewalt flexibel reagiert werden können.16 Das 1993 verabschiedete Konzept enthält insbesondere Empfehlungen zu •der Einrichtung sozialpädagogischer Fanprojekte auf örtlicher Ebene und der Betreuung von Fans im Rahmen einer spezifischen Jugendsozialarbeit, •dem Erlass bundeseinheitlicher Stadionordnungen sowie zu bundesweiten Stadionverboten, •bundesweit abgestimmten Standards für Ordnungsdienste bei Eingangskontrollen und der Überwachung im Stadion, •der Verbesserung der Stadionsicherheit durch bauliche Sicherheitsstandards. In der Umsetzung der Empfehlungen wurden in den Folgejahren Ordnungsdienste und die organisatorisch-betrieblichen Bedingungen in den Stadien professionalisiert und die Präventionsarbeit in Fanprojekten unter fachkundiger Leitung institutionalisiert. Gegen Gewalttäter wurden zunehmend bundesweit wirksame Stadionverbote erlassen. An vielen Standorten entstanden moderne Stadien, die hohe bauliche Sicherheitsstandards erfüllen. Damit war das NKSS aus 1993 eine wesentliche Grundlage für die Verbesserung der Zusammenarbeit von Vereinen, Kommunen, Polizei und weiteren Akteuren. Es ist seither in der jeweils geltenden Fassung die Basis für die gemeinsame Sicherheitsarbeit von Polizei, Kommunen, Vereinen und Verbänden, Fanprojekten, Verkehrsunternehmen und weiteren Netzwerkpartnern. 2.1.3Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei Um einen umfassenden Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden zu Sport- und insbesondere Fußballveranstaltungen zu gewährleisten, wurden ab Ende der 1980er-Jahre in den Polizeien der Länder sukzessive Landesinformationsstellen Sporteinsätze (LIS) aufgebaut, die Informationen bündeln und steuern sollten. Im Jahr 1991 beschloss dann die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) die Einrichtung einer bundesweit tätigen Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS). Sie wurde 1992 in Nordrhein-Westfalen (NRW) als dem Land mit den meisten Bundesligastandorten zunächst im Landeskriminalamt eingerichtet und ist seit 2007 bei dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD NRW) angesiedelt. Die ZIS arbeitet seit Beginn der 1990er-Jahre eng mit den jeweiligen LIS sowie der Informationsstelle Sport der Bundespolizei, zuletzt beim Bundespolizeipräsidium Potsdam (BPolP-IS), zusammen und koordiniert den aufgabenorientierten Informationsaustausch. Sie stellt sicher, dass die für einen Veranstaltungsort zuständige sowie sonstige betroffene Polizeidienststellen über alle polizeilich bekannten Hintergrundinformationen verfügen. Damit können sie mit angemessenem Personaleinsatz die Sicherheit der Zuschauer in und um Veranstaltungsorte wie Stadien oder Plätze sowie auf den An- und Abreisewegen gewährleisten. Dazu erstellt sie insbesondere •im Vorfeld der Veranstaltungen Vorinformationen, z. B. über Ticketverkaufszahlen, Anzahl und Einstufung der Heimund Gastfans, Anreisewege sowie •nach deren Abschluss eine gesamtheitliche Verlaufsdokumentation und steuert diese bedarfsbezogen an die Polizeibehörden. Dabei bezieht sie auch die Informationen ein, die in den Bundesligastandorten im Rahmen der Aufklärung und Kontaktpflege mit den örtlichen Fanszenen im Vorfeld von Spielbegegnungen erhoben werden. Sie bündelt darüber hinaus die...