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E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Aurass Rheinlandbastard

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-23459-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-641-23459-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Liebe zweier Menschen, der Hass zweier Nationen und eine kaltblütige Mordserie

Coblenz am Rhein, 1924. Soldaten der französischen Besatzung fallen einer Mordserie zum Opfer. Fremdenhass? Rache? Oder hat der Täter ein ganz anderes Motiv?

Als der französische Ermittler Didier Anjou bei seinen Untersuchungen an seine Grenzen stößt, muss er wohl oder übel den jungen deutschen Kommissar Adalbert Wicker um Hilfe bitten. Zu Anjous Ärger vermutet dieser den Täter in den Reihen der Soldaten selbst. Doch Licht ins Dunkel kann erst dessen heimliche Geliebte bringen, die französische Krankenschwester Babette. Sie ist nicht nur der Schlüssel zu dem Fall, sondern auch zu Anjous verdrängter Vergangenheit. Kann die Liebe zwischen Babette und Adalbert den Hass zwischen Franzosen und Deutschen besiegen?
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2

Der junge Assistenzarzt fuhr sich nervös durch die dichten blonden Haare.

»Ich weiß auch nicht, was ihn aufhält, er muss jeden Moment kommen, ganz sicher.«

Seine Stimme hatte einen flehentlichen Klang. Er versuchte ein Lächeln, das nicht recht gelingen wollte. Dann ging er zur Tür des kleines Raumes, der offensichtlich als Wartezimmer diente, öffnete sie und blickte über den Flur, als könne er dadurch die Ankunft des Professors beschleunigen. »Er wollte längst hier sein.«

Didier hatte nicht vor, den jungen Mann zu beruhigen. Im Gegenteil. Er empfand eine gewisse Genugtuung dabei, weiterhin grimmig dreinzusehen und die weißen Handschuhe, die er in der rechten Hand hielt, ungeduldig in die offene linke Handfläche zu schlagen.

Als der junge Mann keine Anstalten machte, zu ihm zurückzukehren, wandte Didier sich ab und sah aus dem Fenster. Es ging auf den weitläufigen Park des Krankenhauses. Draußen war es hochsommerlich warm, nein, heiß. Um die dreißig Grad, obwohl es noch nicht einmal Mittag war. Die Hitze war selbst hier in dem kleinen Warteraum zu spüren, obwohl das Fenster geschlossen war.

Didier wollte gerade nachfragen, ob man ihn womöglich absichtlich warten lasse, als der junge Assistenzarzt erleichtert ausrief: »Herr Professor, da sind Sie ja.«

Gemächlich wandte Didier sich um … und riss erstaunt die Augen auf.

In der Tür stand ein kleiner, älterer Mann von erstaunlicher Leibesfülle. Er mochte mindestens dreihundert Pfund auf die Waage bringen, und das bei einer Körpergröße von maximal einem Meter fünfundsechzig. Der weiße Kittel, den er trug, schien zum Zerreißen gespannt. Das gerötete Gesicht mit der Knollennase wurde von einer kleinen Nickelbrille geziert. Ein schütterer Haarkranz säumte eine Glatze, auf der ein Schweißfilm glänzte.

Der Mann strahlte ihn freundlich an und breitete jetzt zur Begrüßung die Arme aus. Didier sah die Hände, deren Finger dick wie Würste waren.

Wie kann ein Mann mit solchen Händen eine Leiche sezieren?, musste Didier denken. Doch seine Gedanken wurden unterbrochen.

»Aaah, colonel Anjou«, dröhnte die mächtige Bassstimme des kleinen Mannes. »Je suis très heureux de faire enfin votre connaissance! C’est un grand honneur de rencontrer le célèbre colonel Anjou1

Didier war zu verblüfft über das akzentfreie Französisch, um die ihm entgegengestreckte Hand nicht zu ergreifen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte.

»Monsieur le professeur, enchanté«, erwiderte er instinktiv auf Französisch.2 Die Hand des Professors war ebenfalls schweißnass, was angesichts der Leibesfülle des Mannes und der vorherrschenden Temperaturen nicht verwunderlich war.

»Ziehen Sie es vor, dass wir uns auf Französisch unterhalten?«, fragte der Professor erneut in Didiers Muttersprache.

Didier nickte und konnte nicht verhindern, dass er sich automatisch für sein Deutsch entschuldigte, das alles andere als perfekt war.

Was ist nur in mich gefahren?, schoss es ihm durch den Kopf. Die Begrüßung durch den Professor hatte ihn aus der Bahn geworfen. Seine bisherigen Kontakte mit Deutschen waren völlig anders verlaufen, und die Situation ließ ihn in einer gewissen Hilflosigkeit zurück.

Der Rechtsmediziner kam unterdessen ohne Umschweife auf das eigentliche Thema ihres Zusammentreffens zu sprechen. Seine Miene verfinsterte sich: »Was für eine traurige Angelegenheit, der Tod des armen Desforges, wirklich tragisch. So jung und dann einen so grausamen Tod zu sterben.«

Die Trauer in der Stimme klang echt, und Didier fragte sich, warum der Deutsche um einen französischen Soldaten trauern sollte.

»Was können Sie mir zu den Todesumständen sagen?«, sagte er, um endlich die Kontrolle über das Gespräch zu gewinnen.

»Ja, ja, natürlich. Sie möchten Anhaltspunkte für die weiteren Ermittlungen, ich verstehe. Bitte folgen Sie mir, Colonel, ich möchte Ihnen die Leiche gerne zeigen, dann erklärt es sich leichter.«

Er drehte sich um und verließ erstaunlich schnellen Schrittes den Raum.

Didier folgte ihm durch mehrere Korridore und schließlich eine Treppe hinunter in das Kellergeschoss. Es folgten weitere Korridore, bis der Professor vor einem Raum mit einer schweren Stahltür stehen blieb. Er öffnete die Tür und ging voran. Didier folgte ihm.

Eiskalte Luft schlug ihm entgegen. Höchstens fünf Grad Celsius, schätzte Didier. Er erwischte sich dabei, dass er sich Sorgen um die Gesundheit des Professors machte. Verschwitzt wie er war, musste er sich hier doch den Tod holen …

Verwundert über diese Gedanken schüttelte Didier den Kopf.

In dem Raum, der weiß gekachelt und hell erleuchtet war, standen drei Tische, auf denen mit weißen Leinentüchern abgedeckte Körper lagen. Zielstrebig ging von Hohenstetten auf den linken der drei Tische zu. Dann drehte er sich zu Didier um und fragte: »Sie sind bereit, Colonel Anjou? Es ist wahrlich kein schöner Anblick.« Dabei sah er ihn mit besorgter Miene an.

»Ich habe im Verlauf des Krieges und leider auch danach viele Scheußlichkeiten gesehen … Bitte, decken Sie ihn auf«, fügte er nach einer kaum merklichen Pause hinzu.

Von Hohenstetten nickte. »Natürlich, wie unbedacht von mir. Ich kann mir vorstellen, dass Sie bei Ihrem Beruf nicht zimperlich sein dürfen.«

Professor von Hohenstetten nahm das Leinentuch und schlug es zurück.

Es war wirklich kein schöner Anblick, und Didier zog unwillkürlich die Luft ein. Der Kopf des Leichnams war überstreckt worden, sodass die klaffende Wunde einen tiefen Einblick in den Hals gewährte. Selbst für einen medizinischen Laien wie ihn war erkennbar, dass der Schnitt von der einen Halsarterie bis zur anderen reichte und durch die Luftröhre hindurch fast bis zur Halswirbelsäule ging. Nicht viel hätte gefehlt, und der Mann wäre enthauptet worden. Da die Leiche gewaschen und aufgrund der tödlichen Verletzung fast blutleer war, konnte Didier die Wundränder sehr genau erkennen.

»Sie werden bemerken, Colonel Anjou, dass der Körper fast keine Totenflecken aufweist, obwohl die Leiche mehrere Stunden auf dem Bauch gelegen hat, bevor sie gefunden wurde. Das ist auf die Blutleere zurückzuführen. Der arme François ist noch am Tatort innerhalb weniger Minuten fast vollständig ausgeblutet.«

Der Professor bekreuzigte sich und murmelte: »Der Herr sei seiner Seele gnädig, Amen.«

Didier nickte bedächtig. Dann sah er den Professor an. »Was können Sie mir zur Tatwaffe sagen?«

»Nun, wie Sie an den sehr glatten Wundrändern sehen können, dürfte es sich um ein Messer mit einer äußerst scharfen Schneide gehandelt haben. Da der Schnitt sehr gerade ist, würde ich auf eine längere Klinge schließen. Ein Skalpell zum Beispiel hätte mit Sicherheit einen leicht gewellten Schnitt hinterlassen. Ich weiß nicht, was für eine Waffe zum Einsatz kam, aber ich habe dennoch ein recht genaues Bild vom Täter.«

Diese Aussage verblüffte Didier. »So?«

Von Hohenstetten wies auf die Wunde. »Egal wie scharf die Klinge auch war, der Schnitt wurde eindeutig ohne jedes Zögern und mit großer Kraft von links nach rechts ausgeführt. Das sagt uns, dass der Täter Rechtshänder war. Und ich würde behaupten, dass es ein Mann gewesen sein muss. Die erforderliche Kraft für einen solchen Schnitt in einem Zug würde eine Frau wohl kaum aufbringen.«

Er zögerte. Didier spürte, dass der Professor etwas loswerden wollte, also sah er ihn aufmunternd an.

»Darf ich eine Vermutung äußern?«, fragte dieser schließlich.

»Nur zu, deshalb bin ich hier.«

Professor Hans von Hohenstetten betrachtete die Leiche. Er sprach langsam, als würde er seine Worte mit größtem Bedacht wählen.

»Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass der Täter Erfahrung in dieser Art des Tötens hat. Vermutlich hat er schon viele Menschen getötet. Vielleicht wurde er sogar darin ausgebildet zu töten. Ich denke …«, er brach ab.

»Sprechen Sie es ruhig aus, Professor. Sie denken, dass es ein Soldat gewesen sein könnte, nicht wahr?«

Von Hohenstetten nickte. Er sah Didier mit traurigem Blick an. »Colonel, ich verabscheue jede Art des Tötens – von wem auch immer verübt. Ich bin nicht nur Arzt, sondern auch Pazifist. Deshalb war ich auch stets ein Gegner dieses unseligen Krieges. Nun, das sollten Sie wissen.«

Didier nickte, zum Zeichen, dass er die offenen Worte des Deutschen zur Kenntnis genommen hatte.

»Was können Sie mir sonst noch über die Leiche oder die Tat sagen? Gibt es irgendwelche Auffälligkeiten, die mehr über die Tatbegehung sagen?«

»Oh, natürlich. Dazu wäre ich gleich gekommen!«

Der Professor schien erleichtert, das Thema wechseln zu können. Er schlug das Leinentuch, das bisher den Unterkörper der Leiche bedeckt hatte, vollständig zurück.

»Schauen Sie sich das bitte an«, sagte er und deutete auf die Füße des toten Soldaten.

Mit gerunzelter Stirn ging Didier näher an den Tisch heran und sah, worauf der Rechtsmediziner ihn aufmerksam machen wollte. Kurz über dem Spann des rechten Fußes war eine Wunde zu sehen, die auf den ersten Blick ebenfalls wie eine Schnittverletzung aussah. Tatsächlich schien es sich aber eher um eine Abschürfung zu halten.

»Was ist das?«, fragte...


Aurass, Dieter
Dieter Aurass,1955 in Frankfurt geboren, war Polizeibeamter, bis er nach seiner Pensionierung seinem eigentlichen Traum nachgehen konnte: dem Verfassen von Kriminalromanen. Nach einer Frankfurter Regionalkrimireihe legt er mit Rheinlandbastard seinen ersten historischen Roman vor. Er lebt mit seiner Frau bei Koblenz.



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