E-Book, Deutsch, Band 10, 288 Seiten
Roman
E-Book, Deutsch, Band 10, 288 Seiten
Reihe: Roboter und Foundation – der Zyklus
ISBN: 978-3-641-13209-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der pensionierte Schneider Joseph Schwartz schlendert an einem ganz gewöhnlichen Tag im Jahr 1949 eine Straße in Chicago entlang - und befindet sich von einer Sekunde auf die nächste an einem völlig anderen Ort zu einer völlig anderen Zeit. Nach langer und verzweifelter Suche trifft er endlich auf Menschen, doch er kann sich mit ihnen nicht verständigen. Die Fremden halten ihn für geistig zurückgeblieben und unterziehen Schwartz unfreiwillig einem Experiment, das ihn klüger machen soll. Danach kann er sich endlich verständlich machen, doch die Zukunft hält keine guten Nachrichten für ihn bereit ...
Isaac Asimov zählt gemeinsam mit Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein zu den bedeutendsten Science-Fiction-Autoren, die je gelebt haben. Er wurde 1920 in Petrowitsch, einem Vorort von Smolensk, in Sowjetrussland geboren. 1923 wanderten seine Eltern in die USA aus und ließen sich in New York nieder. Bereits während seines Chemiestudiums an der Columbia University begann er, Geschichten zu schreiben. Seine erste Kurzgeschichte erschien im Juli 1939, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er in rascher Folge die Erzählungen und Romane, die ihn weltberühmt machten: die »Foundation«-Erzählungen und die Robotergeschichten, in denen er die drei Regeln der Robotik formulierte. Beide Serien verband er Jahrzehnte später zu einer großen »Geschichte der Zukunft«. Neben der Science-Fiction hat Asimov auch zahlreiche populärwissenschaftliche Sachbücher zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Er starb im April 1992.
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1 Von einem Schritt zum nächsten Zwei Minuten, bevor Joseph Schwartz die Erde, wie er sie kannte, für immer verließ, schlenderte er noch, Browning-Gedichte rezitierend, die gepflegten Straßen eines Chicagoer Vororts entlang. Das war an sich schon ungewöhnlich, denn auf den ersten Blick hätte niemand in Schwartz einen Browning-Kenner vermutet. Sein Aussehen entsprach vielmehr genau dem, was er tatsächlich war: ein pensionierter Schneider nämlich, und vollkommen unberührt von dem, was die siebengescheite Welt von heute unter »höherer Bildung« versteht. Allerdings war er von Natur aus wissbegierig und hatte viel Zeit mit Lektüre verbracht. In seiner Unersättlichkeit nicht wählerisch, hatte er auf praktisch jedem Gebiet ein paar Brocken aufgeschnappt, und sein überragendes Gedächtnis hatte ihm geholfen, die Übersicht nicht zu verlieren. Robert Brownings Rabbi Ben Ezra etwa hatte er zweimal gelesen, als er noch jünger war, und seither kannte er das Gedicht natürlich auswendig. Obwohl er das wenigste davon verstanden hatte, waren ihm die ersten drei Zeilen in den letzten Jahren so vertraut geworden wie sein eigener Herzschlag. Und sie geisterten auch jetzt, an jenem strahlend schönen, sonni-gen Frühsommertag des Jahres 1949, durch die stummen Tiefen seines Denkens: »Grow old along with me! The best is yet to be, The last of life, for which the first was made …«1 Das konnte Schwartz bis in die Fingerspitzen nachempfinden. Nach den stürmischen Jugendjahren in Europa und dem Existenzkampf der ersten Zeit in den Vereinigten Staaten war ein sorgenfreier, friedlicher Lebensabend nicht zu verachten. Er hatte sich ein Häuschen gebaut, ein kleines Vermögen geschaffen, nun konnte er sich Ruhe gönnen und tat es auch. Seine Frau war gesund, seine beiden Töchter waren gut verheiratet, und ein Enkelsohn verschönte ihm diese letzten, besten Jahre, worüber sollte er sich also Sorgen machen? Die Atombombe war natürlich eine immerwährende Bedrohung, aber Schwartz glaubte fest an das Gute im Menschen und hielt einen weiteren Krieg für ausgeschlossen. Nie wieder würde die Erde erleben müssen, wie die Höllensonne einer nuklearen Explosion zornig vom Himmel strahlte. So lächelte er den Kindern, an denen er vorüberging, nachsichtig zu und wünschte ihnen im Stillen, sie möchten die Jugend rasch und ohne größere Probleme hinter sich bringen, um ebenfalls das Glück dieses späten Friedens genießen zu können. Er hob den Fuß, um über eine Raggedy-Ann-Puppe2 hinwegzusteigen, die, ein bislang noch nicht vermisstes Findelkind, lächelnd mitten auf dem Gehsteig lag. Bevor er den Fuß wieder auf den Boden setzen konnte … In einem anderen Teil von Chicago stand das Institut für Kernforschung. Manche der dort Beschäftigten mochten ebenfalls gewisse Theorien über das Gute beziehungsweise Böse im Menschen entwickelt haben, aber sie schämten sich, das einzugestehen, da bisher noch kein Instrument erfunden worden war, das diese Qualitäten exakt hätte bestimmen können. Genauere Überlegungen gipfelten nur zu oft in dem Wunsch, ein Blitz möge vom Himmel niederfahren und endlich damit aufräumen, dass die menschliche Natur (und der verdammte menschliche Erfindungsgeist) jede noch so harmlose und interessante Entdeckung in eine tödliche Waffe verwandelte. Andererseits konnte ein und derselbe Mann, der ohne die geringsten Skrupel seine Nase immer tiefer in die Kernforschung steckte, um womöglich eines Tages die halbe Erde auszurotten, im Notfall sein Leben einsetzen, um irgendeinen völlig unwichtigen Mitmenschen vor dem Tod zu bewahren. Der blaue Schein hinter dem Rücken des Chemikers war das Erste, was Dr. Smiths Aufmerksamkeit auf sich zog. Er war zufällig an der halb offenen Tür vorbeigekommen und hatte einen Blick ins Innere geworfen. Ein junger Chemiker schüttelte, vergnügt vor sich hinpfeifend, einen Messkolben mit einer abgemessenen Lösung. Ein weißes Pulver schwebte träge durch die Flüssigkeit und löste sich allmählich auf. Mehr passierte zunächst nicht, doch derselbe Instinkt, der Dr. Smith ursprünglich hatte innehalten lassen, trieb ihn nun zur Tat. Er stürmte in den Raum, schnappte sich einen Meterstab und fegte damit alles auf den Boden, was auf dem Tisch stand. Es zischte bedrohlich wie geschmolzenes Metall. Dr. Smith spürte, wie ihm ein Schweißtropfen bis zur Nasenspitze rann. Das Bürschchen starrte verständnislos auf den Betonboden. Die silbrig glänzenden Metallspritzer waren bereits erstarrt, strahlten aber immer noch reichlich Wärme ab. »Was ist passiert?«, hauchte er. Dr. Smith zuckte die Achseln. Auch er hatte sich noch nicht ganz von dem Schrecken erholt. »Ich weiß es nicht. Das wollte ich gerade Sie fragen … Was geht hier vor?« »Hier geht gar nichts vor«, jammerte der Chemiker. »Das war nur eine Rohuranprobe, und ich wollte mittels Elektrolyse den Kupfergehalt bestimmen … Ich kann mir nicht vorstellen, was dabei schiefgegangen sein könnte.« »Wie auch immer, junger Mann, ich werde Ihnen jetzt sagen, was ich gesehen habe. Dieser Platintiegel hatte eine Korona. Das heißt, es hatte sich eine starke Strahlung entwickelt. Uran, sagten Sie?« »Ja, aber Rohuran, und das ist nicht gefährlich. Ich meine, eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Kernspaltung ist doch absolute Reinheit des Materials, nicht wahr?« Er fuhr sich rasch mit der Zunge über die Lippen. »Glauben Sie, das war eine Spaltung, Sir? Es handelt sich doch nicht um Plutonium, und es gab auch keinen Neutronenbeschuss.« »Und«, fügte Dr. Smith nachdenklich hinzu, »selbst wenn es reines Plutonium gewesen wäre, hätte die Menge weit unter der kritischen Masse gelegen.« Er starrte den Labortisch mit der Specksteinplatte an, die Schränke, wo der verbrannte Lack dicke Blasen gebildet hatte, und die silbrigen Streifen auf dem Fußboden. »Andererseits schmilzt Uran bei etwa 1800° C, und wir sind noch längst nicht mit allen Erscheinungen der Nuklearchemie vertraut. Hüten wir uns also vor voreiligen Schlüssen. Immerhin muss das Strahlungsniveau in diesem Raum ganz beachtlich sein. Sobald das Metall abgekühlt ist, junger Mann, sollten Sie es abkratzen, einsammeln und gründlich untersuchen lassen.« Er sah sich nachdenklich um, dann trat er an die gegenüberliegende Wand und betastete argwöhnisch eine Stelle etwa in Höhe seiner Schultern. »Was ist das?«, fragte er den Chemiker. »Ist das schon immer dagewesen?« »Was, Sir?« Der junge Mann trat nervös näher und sah sich an, worauf der Ältere zeigte. Es war ein winziges Loch, so als habe jemand einen dünnen Nagel in die Wand getrieben und wieder herausgezogen – wobei der Nagel allerdings die ganze Mauer samt Verputz und Ziegeln durchstoßen haben musste, denn jenseits des Lochs konnte man das Tageslicht sehen. Der Chemiker schüttelte den Kopf. »Es ist mir bisher nicht aufgefallen. Ich habe allerdings auch nicht danach gesucht, Sir.« Dr. Smith sagte nichts. Als er langsam zurücktrat, kam er am Thermostaten vorbei, einem zylinderförmigen Kästchen aus dünnem Eisenblech. Das Wasser darin brodelte, der motorbetriebene Quirl drehte sich wie verrückt, und die elektrischen Glühbirnen, die das Wasser von unten aufheizten, gingen im Rhythmus des klickenden Quecksilberrelais hektisch an und aus. »Und was ist damit?« Dr. Smith kratzte mit dem Fingernagel vorsichtig über den oberen Rand der breiten Seite des Thermostaten, wo irgendetwas knapp über dem Wasserspiegel einen winzigen Kreis in das Metall gebohrt hatte. Der Chemiker machte große Augen. »Nein, Sir. Das war ganz bestimmt noch nicht da. Dafür verbürge ich mich.« »Hmm. Ist auf der anderen Seite auch ein Loch?« »Der Teufel soll mich holen. Ich meine, ja, Sir!« »Schön, kommen Sie hier herüber und schauen Sie durch die beiden Löcher … Schalten Sie bitte zuerst den Thermostaten ab. Jetzt bleiben Sie stehen.« Er legte den Finger auf das Loch in der Wand. »Was sehen Sie?«, rief er. »Ich sehe Ihren Finger, Sir. Ist dort das Loch?« Dr. Smith antwortete nicht, sondern verlangte mit einer Gelassenheit, die völlig im Widerstreit zu seinen wahren Gefühlen stand: »Schauen Sie in die andere Richtung … Was sehen Sie dort?« »Nichts mehr.« »Aber da stand zuvor der Tiegel mit dem Uran. Sie visieren genau diese Stelle an, nicht wahr?« »Ich glaube schon, Sir«, lautete die zögernde Antwort. Dr. Smith warf einen raschen Blick auf das Namensschild an der immer noch offenstehenden Tür und sagte kalt: »Mr. Jenkins, was hier geschehen ist, unterliegt strengster Geheimhaltung. Sie werden mit keinem Menschen je darüber sprechen. Haben Sie verstanden?« »Vollkommen, Sir!« »Und jetzt sehen wir zu, dass wir hier rauskommen. Wir lassen das Labor von den Strahlungsexperten untersuchen, während wir beide uns auf der Krankenstation...