E-Book, Deutsch, Band 7, 176 Seiten
Reihe: Magic Girls
E-Book, Deutsch, Band 7, 176 Seiten
Reihe: Magic Girls
ISBN: 978-3-7607-8692-6
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Marliese Arold wurde als jüngstes Kind von drei Geschwistern in Erlenbach am Main geboren. Das Nesthäkchen entdeckte sehr früh seine Liebe zu Geschichten und konnte von Büchern nicht genug bekommen, aber Bücher waren knapp. Um Abhilfe zu schaffen, beschloss Marliese Arold kurzerhand, selbst zu schreiben. Über hundert Geschichten hat die Autorin seither geschrieben.
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Das sind aber schöne Besen«, sagte Jeremias Bredov zu dem Baumarkt-Verkäufer, der gerade neben dem Eingang die Einkaufswägen ineinanderschob. »Wo kann man die denn hier ausprobieren?«
Der junge Mann mit dem grünen Kittel deutete fahrig auf den asphaltierten Platz vor der Tür. »Na ja – hier. Aber die Besen kehren alle gut.«
Über den Besen klebte ein schreiend gelbes Plakat mit der roten Aufschrift SONDERANGEBOT. Jeremias nahm einen der Besen in die Hand und klemmte den Stiel zwischen die Beine.
»Der fliegt ja gar nicht!«, sagte er dann enttäuscht und stellte den Besen wieder zurück.
Der Verkäufer hielt irritiert in seiner Arbeit inne. Auf seiner Miene spiegelte sich erst Verblüffung, dann erschien aber ein Lächeln.
»Kleiner Scherz, wie?«
»Nein, das ist kein Scherz«, wetterte Jeremias los. »Ich habe ein Recht auf anständige Ware, und dieser Besen ist einfach …« Er hielt inne, weil ein kleiner Junge ungeduldig an seiner Hose zupfte. »Was ist denn, Rufus?«
Rufus hatte sich inzwischen einen der Kinderbesen geschnappt, die neben den großen Besen standen.
»Guck mal, Opa, ich weiß, wie es geht!« Er setzte sich rittlings auf den kleinen Besen, schnippte mit den Fingern und zog die Knie an. Seine Füße schwebten jetzt einige Zentimeter über dem Boden, ohne dass er sich irgendwo sonst festhielt.
Der Verkäufer starrte den Jungen ungläubig an. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
»Aber das ist … äh … äh … He, Kleiner, wie machst du das?«
Rufus beachtete den Mann gar nicht. Ganz konzentriert saß er auf dem Besenstiel und balancierte das Gleichgewicht aus.
»Soll ich jetzt mal höher fliegen, Opa?« Seine klare Stimme war deutlich zu hören.
Auch von Elena, die sich ein Stück weiter in der Gartenabteilung des Baumarkts bei den Blumen umgesehen hatte. Als sie sich umwandte, konnte sie erkennen, wie ihr kleiner Bruder auf einem Kinderbesen etwa einen halben Meter in der Luft schwebte, nicht sehr hoch, aber doch genug, um aufzufallen. Der Besen schien sich nicht entscheiden zu können, ob er vorwärts oder rückwärts fliegen sollte, und verharrte deswegen auf der Stelle.
Elena sah, wie die Kinnlade des Verkäufers nach unten klappte. Jeremias dagegen betrachtete stolz seinen Enkel, der vor ihm in der Luft schwebte.
»Sehr gut, Rufus! Jetzt musst du ihn nur noch irgendwie vorwärtstreiben …«
An dieser Stelle entschied Elena, dass es höchste Zeit war, einzugreifen und zu verhindern, dass noch mehr Leute das ungewöhnliche Schauspiel bemerkten. Schnell lief sie zu ihrem Bruder, packte ihn am Arm und zog ihn auf den Boden. Dann nahm sie ihm den Besen weg und stellte ihn wieder zu den anderen.
»Typisch!«, murmelte sie dann in Richtung des Verkäufers, der noch immer mit offenem Mund dastand. »Seit mein Bruder Leichtathletik macht, nützt er jede Gelegenheit, um zu üben. So ein Besen eignet sich sehr schlecht zum Stabhochsprung, Rufus! Außerdem ist ein Baumarkt kein Sportplatz!«
»Stabhochsprung?«, wiederholte Rufus verständnislos, aber Elena zwinkerte ihm heftig zu und er hielt daraufhin den Mund. »Aber … aber …« Der Verkäufer deutete auf die Stelle, an der Rufus zuvor in der Luft geschwebt war. »Er hat gar nicht den Boden berührt … Das ist doch nicht möglich!«
»Natürlich nicht«, stimmte Elena dem Mann zu. »Es gibt ja schließlich die Schwerkraft!«
Der Verkäufer lächelte verkrampft. Rufus zog an Elenas Hand, aber sie ließ ihn nicht los. Als sich der Verkäufer kopfschüttelnd umdrehte, streckte Elena ihren Arm aus, deutete mit dem Zeigefinger auf den Mann mit dem grünen Kittel und murmelte:
»
«
Der Verkäufer machte eine Handbewegung, als wollte er eine Fliege abwehren. Als er sich wieder zu Elena umwandte, lächelte er freundlich.
Elena atmete auf, dann ging sie zu ihrem Großvater, der noch immer bei den Besen stand.
»Opa, das geht nicht!«, flüsterte sie. »Wir sind hier in der Menschenwelt! Die Menschen verstehen es nicht, wenn gezaubert wird! Und das sind auch keine Besen, die als Fortbewegungsmittel dienen, sondern es sind nur ganz gewöhnliche Kehrbesen.«
»Hm«, brummte Jeremias und strich sich verlegen übers Kinn, auf dem sich kurze, weiße Bartstoppeln zeigten. »Wenn du es sagst, dann wird es wohl stimmen. Ich glaube, ich brauche noch eine Weile, bis mir ganz bewusst ist, jetzt unter Menschen zu leben …«
»Klar, Opa.« Elena nickte verständnisvoll. Jeremias war vierzig Jahre in einen Felsen eingeschlossen gewesen. Und vorher hatte er noch nie die Menschenwelt besucht. Für ihn war alles neu und fremd. Man musste einfach Geduld mit dem alten Zauberer haben.
Elena reckte den Hals. Sie atmete erleichtert auf, als sie sah, dass ihre Mutter Jolanda bereits an der Kasse stand und ihre Einkäufe bezahlte. Sie hatte zwei Kübel Zimmerfarbe in einem hellen Blauton gekauft, außerdem noch zwei Farbroller und Abdeckfolie. Jeremias sollte im Haus der Bredovs ein eigenes Zimmer bekommen, weil Oma Mona es nicht aushielt, mit ihm ihr Zimmer zu teilen.
»Versteht das bitte nicht falsch«, hatte sie gesagt. »Ich bin mit Jeremias zwar verheiratet, aber wir haben uns vierzig Jahre nicht gesehen. Wir müssen uns erst neu kennenlernen. Da kann er nicht gleich in meinem Schlafzimmer schlafen …«
Auch Elena musste sich erst daran gewöhnen, dass sie jetzt einen Opa hatte, der bei ihnen im Haus lebte. Miranda hatte sich bereit erklärt, ihr Zimmer für Jeremias zur Verfügung zu stellen und mit ihren Sachen zu Elena zu ziehen. Elena war damit einverstanden. Es war zwar jetzt ein wenig enger, aber auch sehr gemütlich. Und es gab nichts Schöneres, als mit der besten Freundin die halbe Nacht lang zu quatschen. Insofern fand sie es nicht so dramatisch, dass sie jetzt ihr Zimmer mit Miranda teilen musste.
Für Jeremias war alles viel schwieriger. Vierzig Jahre seines Lebens waren an ihm vorbeigezogen, ohne dass er etwas davon mitbekommen hatte. Und nun hatte er plötzlich eine große Familie: eine Frau, eine Tochter, einen Schwiegersohn und drei Enkel! Obwohl Jeremias versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, war er manchmal von der Situation überfordert. Außerdem lebte er jetzt in einer völlig neuen Umgebung. Für die Menschenwelt hatte er sich in der Zeit vor seiner Verwandlung nie sonderlich interessiert. Es war eine Welt, mit der er einfach nicht in Kontakt gekommen war. Auch jetzt schien er noch immer der Meinung zu sein, dass die Sitten und Gebräuche der Menschen ihn nichts angingen. Im Grunde hielt er die Menschen für bemitleidenswerte Geschöpfe, weil ihnen die Zauberkraft fehlte.
Aber solange sich Mona, Jolanda und der Rest der Familie im HEXIL aufhielten, blieb Jeremias nichts anderes übrig, als ebenfalls in der Menschenwelt zu leben. Das bedeutete für ihn eine große Umstellung. Nach vierzig Jahren Abwesenheit hätte er auch in der Hexenwelt einige Schwierigkeiten gehabt, sich zurechtzufinden. Aber in der Menschenwelt war alles noch viel komplizierter. Elena und Jolanda halfen ihm zwar, wo sie konnten, trotzdem passierten ihm ständig Missgeschicke. Wie zum Beispiel eben mit den Besen.
Elena war froh, als Jolanda ihre Einkäufe im Kofferraum verstaut hatte und sie alle im Auto saßen. Jeremias saß auf der Beifahrerseite und beobachtete Jolanda, die den Wagen steuerte. Im Gegensatz zu Mona kam sie mit Autos inzwischen ganz gut zurecht.
»Wie kann dieser Wagen sich bewegen, wenn die Menschen keine Magie haben?«, brummte er, während Jolanda den Parkplatz verließ.
»Das habe ich dir doch schon mal erklärt, Papa«, sagte Jolanda geduldig. »Die Menschen haben die Technik. Darin sind sie sehr geschickt. Das Auto besitzt einen Motor … das ist so was Ähnliches wie ein künstliches Herz … Der Motor treibt das Auto an. Damit es fährt, muss man allerdings Benzin in den Tank füllen. Das Benzin verbraucht sich, wenn man eine Weile herumgefahren ist. Dann muss man zur Tankstelle und neues Benzin kaufen.«
»Umständlich«, brummte Jeremias.
»Nein, es ist geradezu genial«, widersprach Jolanda. Sie konnte sich sehr für die menschliche Technik begeistern. »Die Menschen haben sogar Flugzeuge gebaut, mit denen 300 Leute und mehr gleichzeitig durch die Luft fliegen können. Sie sind auch schon auf dem Mond gelandet. Glaub mir, Papa: Die Menschen kommen bestens ohne Magie zurecht. Es ist ein Fehler, dass wir Hexen immer denken, die Menschen seien primitiv.«
»Pah«, schnaubte Jeremias. »Selbst wenn 300 Leute gleichzeitig durch die Luft fliegen können, was ist das schon? Wir können teleportieren und sind innerhalb von Sekunden auf der anderen Seite der Welt.«
Jolanda musste heftig auf die Bremse treten, denn ein anderes Auto hatte ihr die Vorfahrt genommen. Der Fahrer, ein junger Mann, zeigte Jolanda einen Vogel und schoss dann mit quietschenden Reifen davon. Jolanda presste die Lippen zusammen. »Du wärst ihm eben fast reingefahren«, stellte Jeremias fest.
»Bin ich aber nicht«, erwiderte Jolanda. In ihrer Stimme schwang ein Hauch Ungeduld. »Und außerdem hatte ich Vorfahrt.«
»Können die Menschen auch verhindern, dass Autos zusammenstoßen?«, fragte Jeremias.
»Nein, das können sie leider nicht«, antwortete Jolanda.
»Na, siehst du.« Jeremias nickte zufrieden. »Ihre Technik taugt einfach nichts, obwohl sie auf den ersten Blick eine hübsche Spielerei ist.«
Elena konnte im Rückspiegel sehen, wie ihre Mutter einen...