Arnold | Auf und davon | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Reihe: Heyne fliegt

Arnold Auf und davon

Roman

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Reihe: Heyne fliegt

ISBN: 978-3-641-15245-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Manchmal liegt das Ziel woanders, als du denkst
Wer würde nicht gerne einfach mal verschwinden? In den nächsten Bus springen und alles hinter sich lassen? Genau das macht die sechzehnjährige Mim Malone. Es reicht ihr, immer das zu tun, was ihr Vater und seine neue Frau für richtig halten. Sie will wissen, weshalb ihre Mom aus ihrem Leben verschwunden ist. Und ihre Gedanken sollen endlich aufhören, in ihrem Kopf Karussell zu fahren. Also steigt sie einfach in den Greyhound-Bus und haut ab, zu ihrer Mom. Während draußen die Landschaft vorbeifliegt, macht Mim einige unvergessliche Bekanntschaften - die wunderbare Arlene, den unheimlichen Ponchomann und den äußerst attraktiven Beck, an den sie ihr Herz zu verlieren droht ... Doch dann verändert ein tragischer Unfall von einem auf den anderen Augenblick alles. Und Mim muss sich den wirklich entscheidenden Fragen in ihrem Leben stellen.

David Arnold ist ein New-York-Times-Bestsellerautor. Er wurde mit dem Southern Book Prize und dem Great Lakes Book Award ausgezeichnet und erhielt für sein Debüt einen Publishers Weekly Flying Start. Seine Bücher wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. Er lebt mit seiner Familie in Lexington, Kentucky.
Arnold Auf und davon jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Kapitel 2 Die unangenehme Nähe Fremder 1. September, Nachmittag Liebe Isabel, als Mitglied dieser Familie hast du ein Recht zu erfahren, was los ist. Dad stimmt zu, sagt aber, ich solle bitte »Themen von Tiefe und Verzweiflung« meiden. Als ich fragte, wie er sich das vorstelle, da unsere Familie ja nun mal zu tiefer Verzweiflung neige, verdrehte er die Augen und blähte die Nasenflügel, wie er das gern tut. Die Sache ist nur die, seicht kann ich nicht, also lege ich einfach los. Geradeheraus, Mim-Style. Randvoll mit »Themen von Tiefe und Verzweiflung«. Vor gut einem Monat bin ich mit Dad und Kathy aus den blühenden Landschaften von Ashland, Ohio, in die dürre Ödnis von Jackson, Mississippi gezogen. In dieser Zeit habe ich mir möglicherweise ein bisschen Ärger an meiner neuen Schule eingehandelt. Keinen Ärger-Ärger, verstehst du, aber das ist nur ein feiner Unterschied für Erwachsene, wenn sie erst mal entschlossen sind, jemandem die Jugend zu ruinieren. Mein neuer Rektor ist genau so ein Mann. Er hat für heute Vormittag um zehn Uhr einen Termin angesetzt, dessen einziger Tagesordnungspunkt das Fehlverhalten von Mim Malone darstellen sollte. Kathy hat extra ihre Schicht bei Denny’s getauscht, um Dad als elterlichen Vertreter begleiten zu können. Ich saß in Algebra II und beobachtete gerade, wie Mr. Harrow die Liebesbeziehung zu seinen Polynomen vertiefte, als mein Name durch die korallenrot gestrichenen Flure hallte. »Mim Malone, bitte im Büro von Rektor Schwartz melden. Mim Malone ins Rektorat.« (Ich muss wohl nicht betonen, dass ich nicht gehen wollte, aber der Lautsprecher rief, und der Schüler gehorchte, und so war es stets.) Das Vorzimmer zum Rektorat war muffig, eine erstickende Einrichtung in Rostrot und Brauntönen. Die Wände waren mit Motivationsplakaten vollgekleistert, auf denen aufmunternde Imperative und kreisende Adler über majestätischen lila Bergen prangten. Ich übergab mich ein bisschen, schluckte es wieder runter. »Du kannst rein«, sagte die Sekretärin ohne aufzublicken. »Die warten schon.« Hinter ihrem Schreibtisch stand die schwere Eichentür von Rektor Schwartz einen Spalt offen. Als ich näher kam, hörte ich leises Reden. »Wie heißt ihre Mutter noch?«, fragte Schwartz, die Stimme gedämpft von diesem traumhaften Siebzigerjahre-Schnurrbart, zweifelsohne ein Überbleibsel aus den glorreichen Zeiten. »Eve«, sagte Dad. Schwartz: »Genau, genau. Was für ein Jammer. Tja, ich hoffe, Mim ist Ihnen dankbar für Ihre Bemühungen, Kathy. Der Himmel weiß, dass sie gerade jetzt eine Mutter braucht.« Kathy: »Wir alle wollen nur, dass Eve wieder gesund wird, wissen Sie? Und das wird sie auch. Sie wird diese Krankheit besiegen. Eve ist eine Kämpferin.« Unmittelbar vor der Tür erstarrte ich – innerlich und äußerlich. Krankheit? Schwartz: (Seufzen.) »Weiß Mim Bescheid?« Dad: (Andere Art von Seufzen.) »Nein. Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Neue Schule, neue Freunde, viele … neue Entwicklungen, wie Sie sehen.« Schwartz: (Glucksen.) »Allerdings. Na ja, hoffentlich wird sich für Eve alles zum Guten fügen dort in … wo sagten Sie noch?« Dad: »Cleveland. Und danke. Wir hoffen das Beste.« (Jede wirklich gelungene Figur, liebe Isabel, sei es im Buch oder auf der Leinwand, ist mehrdimensional. Die Guten sind nicht nur gut, die Bösen nicht nur böse, und eine Figur, die gänzlich das eine oder das andere ist, dürfte es überhaupt nicht geben. Denk bitte daran, wenn ich die folgenden Eskapaden beschreibe, denn wenn ich auch kein Schurke bin, so bin ich doch nicht immun gegen Schurkerei.) Unsere Heldin wendet sich von der Eichentür ab, verlässt ruhig das Sekretariat, die Schule, das Gelände. Sie ist leicht benommen, versucht, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Quer über das Football-Feld ertönt der Spott von stiernackigen Sportlern, aber sie hört nicht hin. Ihre getreuen Secondhandladen-Schuhe tragen sie über den unebenen Bürgersteig, während sie über die dreiwöchige Brief- und Telefonpause ihrer Mutter nachdenkt. Unsere Heldin nimmt die Abkürzung hinter dem Taco Hole, ohne den Rindfleischduft zu beachten. Sie marschiert durch die einsamen Straßen ihres neuen Viertels, umrundet die himmelhohe Eiche und verharrt einen Moment lang im Schatten ihrer neuen Wohnstätte. Sie öffnet den Briefkasten – leer. Wie immer. Sie holt das Handy heraus, wählt zum hundertsten Mal die Nummer ihrer Mutter, hört zum hundertsten Mal dieselbe Roboterfrau, ist zum hundertsten Mal entmutigt. Diese Nummer ist leider nicht vergeben. Sie klappt das Handy zu und betrachtet dieses neue Haus, ein Haus, gekauft für den viel zu niedrigen Preis von allem, was sie je für wahr gehalten hatte. »Glass and concrete and stone«, flüstert sie den Refrain eines ihrer Lieblingslieder. Glas und Beton und Stein. Sie lächelt, bindet die Haare zu einem Pferdeschwanz und singt den Text weiter. Es ist nur ein Haus, kein Heim. »It is just a house, not a home.« Schwungvoll stürmt unsere Heldin durch die Tür und nimmt immer drei Stufen auf einmal. Sie kümmert sich nicht um den Geruch nach neuem Haus – eine seltsame Mischung aus Desinfektionsmittel, Tacos und sturer Verdrängung – und spurtet in ihr Zimmer. Hier packt sie ihren zuverlässigen JanSport-Rucksack zum Übernachten um, steckt eine Flasche Wasser, Waschzeug, Kleidung zum Wechseln, Medikamente, Kriegsbemalung, Make-up-Entferner und eine Tüte Chips ein. Sie rennt ins Schlafzimmer ihres Vaters und ihrer Stiefmutter und geht vor ihrer Kommode auf die Knie. Unsere Heldin greift in der untersten Schublade hinter einen ordentlich gefalteten Stapel figurformender Unterwäsche und fördert eine Kaffeedose mit dem Aufdruck HILLS BROTHERS ORIGINAL BLEND zutage. Sie zieht den Deckel ab, nimmt ein dickes Bündel Geldscheine heraus und zählt in Zwanzigerschritten bis achthundertachtzig Dollar. (Ihre böse Stiefmutter hat die Heimlichkeit dieses Verstecks überschätzt, denn unsere Heldin sieht alles.) Mit der Gelddose im Rucksack rennt sie aus dem Haus-kein-Heim, trabt einen knappen Kilometer bis zur Haltestelle und steigt in den Bus zum Jacksoner Greyhound-Bahnhof. Das Wohin weiß sie schon seit einiger Zeit: Cleveland, Ohio, 1524 Kilometer entfernt. Aber bis heute war sie nicht sicher, was das Wie oder das Wann betraf. Das Wie: ein Greyhound-Bus. Das Wann: pronto, schnellstmöglich, dalli, dalli. Und … Schnitt. Aber du bist eine echte Malone, und als solche wird dir das nicht reichen. Du brauchst mehr als die Wohins, Wanns und Wies – du brauchst Warums. Du denkst sicher Warum macht unsere Heldin nicht einfach (füge geniale Lösung ein)? Ehrlich gesagt, Gründe sind schwierig. Ich stehe gerade auf einem ganzen Haufen davon und weiß kaum, wie ich hier hochgekommen bin. Vielleicht wird also das hier genau das, Isabel: mein Buch der Gründe. Ich erkläre das Warum hinter dem Was, und du kannst dann selbst nachvollziehen, wie meine Gründe sich auftürmen. Betrachte die heimliche Plauderei zwischen Dad, Kathy und Rektor Schwartz als Grund #1. Der Weg nach Cleveland ist weit, also werde ich mir den Rest möglichst gut einteilen, aber vorläufig eins: Meine Gründe mögen schwierig sein, aber meine Ziele sind ziemlich einfach. Nach Cleveland fahren, zu Mom fahren. Ich salutiere mir. Ich nehme meine Mission an. Es meldet sich ab, Mary Iris Malone, rettungslose Mutter-Retterin Das Strichmännchen vorne auf diesem Tagebuch nachzuziehen, bringt nicht viel. Strichmännchen sind auf ewig anämisch. Ich lege mir die dunklen Haare über eine Schulter, lehne die Stirn ans Fenster und bestaune die Welt da draußen. Bevor Mississippi seinen teuflischen Willen bekam, waren meine Staunereien wunderbar einzigartig. In letzter Zeit sind sie, was weiß ich, was geworden … normal. Tragisch mittelmäßig. Zu allem Überfluss geht gerade ein Regen biblischen Ausmaßes wie eine Strafe auf die Erde nieder, und ich finde, dass sie es verdient hat. Ich stecke mein Tagebuch in den Rucksack und hole das Döschen Abilitol heraus. Kippen, Schlucken, einmal täglich: Das ist die Gewohnheit, und Gewohnheit ist König, sagt Dad. Ich schlucke die Pille, dann schiebe ich das Döschen energisch dahin zurück, wo es war. Das gehört ebenfalls zur Gewohnheit. Sage ich. »Was zum Henker machst du hier, Fräuleinchen?« Den Schopf sehe ich zuerst, ein hohes Haarbüschel, das die beiden Vordersitze überragt. Er ist tropfnass und krumm wie der Schiefe Turm von Pisa. Der Mann – ein Greyhound-Angestellter namens Carl, laut dem feuchten Schildchen auf seinem Hemd – ist riesig. Geradezu hünenhaft. Ohne mich aus den Augen zu lassen, zaubert er einen Burrito hervor, wickelt ihn aus, beißt herzhaft rein. Enchantée, Carl. »Das ist doch der Bus nach Cleveland, oder?« Ich wühle in meinem Rucksack. »Ich hab eine Fahrkarte.« »Fräuleinchen«, sagt er mit vollem Mund. »Von mir aus kannst du Willy Wonkas goldenes Ticket haben. Es wird noch nicht eingestiegen.« Vor meinem geistigen Auge beschießen tausend winzige Mims Carl mit Brandpfeilen und fackeln seine Haare in einem lodernden Feuerball ab. Ehe eine dieser gedachten Mims mich noch in Schwierigkeiten bringt, habe ich die Stimme meiner Mutter im Ohr, ein hallendes Läuten, der...


Arnold, David
David Arnold ist ein New-York-Times-Bestsellerautor. Er wurde mit dem Southern Book Prize und dem Great Lakes Book Award ausgezeichnet und erhielt für sein Debüt einen Publishers Weekly Flying Start. Seine Bücher wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. Er lebt mit seiner Familie in Lexington, Kentucky.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.