Arkell | Charley Moon | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Arkell Charley Moon

Roman

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-293-31008-7
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



An einer abgelegenen Biegung der Themse, dort, wo selbst das kleinste Ruderboot nicht weiterkommt, liegt Little Summerford, ein winziges, verschlafenes, aber paradiesisches Nest mit üppigen Blumenwiesen und prallvollen Fischteichen. Hier wohnt in einer alten Mühle Charley Moon, ein treuherziger Querkopf, der mit seinen Späßen das ganze Dorf unterhält. Bis eines Tages auf einer Amateurbühne sein Talent entdeckt wird und er eintaucht in die glamouröse Welt der großen Bühnen. Von den Zuschauern gefeiert und von den Frauen geliebt, lebt Charley Moon einen Traum – doch London ist nicht Little Summerford, und so ganz kann sein Herz Rose, die Jugendliebe aus dem Dorfladen, und das kleine Dorf zwischen den Hügeln nicht vergessen.
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2
Es war einmal ein Ritter in schimmernder Rüstung auf der Suche nach den Rosenkriegen oder sonst einer Schlacht, der hatte sich in dem Labyrinth aus Bächen und Rinnsalen rund um die Themsequelle verirrt. Als er einem Einheimischen begegnete, fragte er, ob es eine Furt gebe, von der aus er auf höher gelegenes Terrain gelangen könne. »Jaja, die gibt es!«, erwiderte der Einheimische. »Wissen Sie«, erkundigte der Ritter sich höflich, »wo sie ist?« »Ja, das tue ich«, erwiderte der Sohn der Erde. »Könnten Sie mir die Richtung zeigen?«, fragte der Ritter. »Ja, das könnte ich«, bejahte der Wessex-Mann. Mit der einen Hand sein Pferd im Zaum haltend, mit der anderen sich selbst, richtete der Ritter sich in den Steigbügeln auf und schrie: »Wo ist die Furt?« Worauf er die denkwürdige Antwort erhielt: »Som’er or t’other – Da oder dort!« Der Ritter ritt davon und erkundigte sich vergebens nach der Somerortother-Furt; offenbar wurde er schließlich von den nassen Wiltshire-Wiesen verschluckt, denn man hörte nie wieder von ihm – wenn man von dem bisschen verrosteten Eisen absah, das im Museum von Cirencester in einer Vitrine aufbewahrt wird. Der historische Ortsname Summerortother Ford wurde mit der Zeit verfälscht und zu Summerford verkürzt. Die Vermutung der Ortsansässigen, dass diese moderne Version sich von einer Furt ableitet, die nur im Sommer oder bei außergewöhnlicher Trockenheit genutzt werden kann, sollte mit größter Vorsicht aufgenommen werden, warnt die Cricklade Archeological Society. Das Dörfchen Little Summerford heißt so, um es von seinem größeren Nachbarn, Great Summerford, zu unterscheiden, und der wohlbekannte Ort Summerford Keynes hat mit diesem Disput nicht das Geringste zu tun. Und jetzt lassen Sie uns mit der Geschichte fortfahren. Wie es heißt, gab es schon in den Tagen Wilhelm des Eroberers eine Familie Moon in Little Summerford. Vielleicht ist das übertrieben, aber die Moons waren mit Sicherheit schon lange genug an diesem Ort ansässig, um sich an ihn zu gewöhnen. Man musste sich auf dem Friedhof nur Anzahl und Größe ihrer Grabsteine ansehen, um ihre Bedeutung und das Alter ihres Stammbaums zu erahnen. Da waren Thomas Moon, der nach dem großen Brand auf eigene Kosten zwanzig Mehlsäcke nach London schickte, William Moon, der die große Glocke im Kirchturm stiftete, Charity Moon, die mit dem Diamanten in ihrem Verlobungsring ihren Namen ins Schlafzimmerfenster ritzte – die Moons von Little Summerford trugen kein Wappen, zählten auch nicht zum Landadel, doch sie waren mit Sicherheit eine Familie von Rang und Namen.  Inzwischen war ihr Ruhm verblasst. Der Niedergang begann zur Zeit der industriellen Revolution, als England vergaß, dass eine Insel sich selbst versorgen sollte, und das Interesse an seinem wichtigsten Erwerbszweig verlor. Getreideanbau lohnte sich nicht mehr, Käse, oder was man dafür hielt, wurde en gros importiert, und eine synthetische Mischung aus tierischen Fetten und Pflanzenölen verdrängte in den Großstädten die Bauernhofbutter vom Frühstückstisch. Die Moons aus Little Summerford waren unter den Ersten, die den Druck zu spüren bekamen. Eine Weile wurden die Verluste der Farm von den Gewinnen der Mühle ausgeglichen, doch sehr bald mussten die Getreidefelder verkauft werden, um das Geschäft aufrechtzuerhalten. Zu der Zeit, als diese Geschichte beginnt, gehörten dem alten William Moon nur noch die heruntergekommene Mühle und ein halbes Dutzend Rieselwiesen – allesamt bis zum Rand mit Hypotheken belastet – und ein einziger Sohn, Charley. Im Dorf wurde behauptet, Müller Moon sei seit dem Tod seiner Frau bei Charleys Geburt nie mehr derselbe gewesen, doch die Schwierigkeiten reichten weiter zurück. Es braucht mehr als nur einen schweren Schicksalsschlag, um eine angesehene Familie zu ruinieren, und die Moons hatten ja lange genug Gelegenheit, das kommende Unheil zu erkennen. Doch angesichts des heraufziehenden wirtschaftlichen Unwetters hielten sie eisern an ihrem Kurs fest. Hätte der alte Großvater Moon die Landwirtschaft aufgegeben, als die Dinge noch gut standen, wäre alles ganz anders gekommen, doch man brauchte sich nur über der Anrichte sein Bild anzusehen, um zu wissen, dass er nicht zu denen gehörte, die aufgeben und noch einmal ganz von vorn anfangen. Er schlug alle Ratschläge in den Wind, setzte aufs falsche Pferd und ruhte nun in Frieden unter dem letzten großen Grabstein auf dem Friedhof von Little Summerford – und überließ es einem Enkel, die Folgen seiner strengen Grundsätze auszubaden. Müller Moon, gescheitert, noch bevor er richtig begonnen hatte, hegte keinen Groll gegenüber seinen Ahnen, die ihm diese Misere eingebrockt hatten. Er war stolz auf die schönen alten Grabsteine und war ganz in ihre Betrachtung versunken, während er darauf wartete, dass der junge Charley aus der Sakristei kam, wo ihm der Vikar wahrscheinlich gerade ordentlich die Leviten las, weil er im Chor den Clown gespielt hatte. Ein Gedanke, der den einsamen alten Mann wieder an seine einzig wahre Sorge erinnerte. Was würde aus Charley werden? Mit Sicherheit würde es keine Wiesen und keine Mühle mehr geben, die er übernehmen konnte, wenn einmal seine Zeit gekommen wäre. Und wozu wäre er sonst geeignet? Charley war kein Dummkopf, doch für eine Farm brauchte es eine ordentliche Menge Kapital. Das war das Problem eines jeden Bauernsohns. Entweder man bestellte das eigene Land – oder man bearbeitete das eines anderen. Dazwischen schien es nichts zu geben. Und bei dem Gedanken, dass sein Sohn als Farmarbeiter schuftete, blickte der Besitzer der Summerford-Mühle auf die imposanten alten Grabsteine und spürte eine kalte Faust in der Magengrube. Es war ihm schon gegen den Strich gegangen, Charley in die öffentliche Dorfschule zu schicken. Die alten Moons hatten sich gewiss in ihren Gräbern umgedreht! Doch wo das Geld für eine ordentliche Schule hernehmen? Man muss sich nach der Decke strecken, und in der Not frisst der Teufel Fliegen … Mit diesen Allerweltsweisheiten versuchte William Moon an jenem Sonntagmorgen, sich an den Gräbern seiner Vorfahren zu rechtfertigen. Der Einzige, der sich keine Sorgen machte, war Charley. Nachdem er wie ein Engel gesungen und sich in der Sakristei eine streng private Strafpredigt des Vikars angehört hatte, kam er über den Friedhof auf seinen Vater zugesprungen. In Little Summerford gab es sonntags nur einen Gottesdienst, und der war jetzt absolviert. Jetzt stand ihm frei, in seine alten Kleider zu schlüpfen und auf den Rieselwiesen unterhalb der Mühle umherzustreifen. Vielleicht würde er einen Aal in der Reuse finden oder eine schöne Forelle, die im alten Bach festsaß. Man wusste nie, was man in dieser wassersatten Wildnis aus Schilf und Seggen finden würde … Sogar William Moon wurde von der ansteckenden Fröhlichkeit dieses Augenblicks angesteckt. Vater und Sohn spazierten glücklich den Hügel hinunter, als hätten sie keine einzige Sorge auf dieser Welt. Die Wiesen der Mühle von Little Summerford waren einst Sumpfgebiet gewesen und später von einem erfindungsreichen Holländer nutzbar gemacht worden, der mit Wilhelm von Oranien aus Holland gekommen war. Sein ausgeklügeltes Be- und Entwässerungssystem versorgte die Wiesen in Zeiten der Dürre mit Wasser und leitete das Hochwasser ab in den Bach, wenn das Land von Überschwemmung bedroht war. Man hatte einen festen Rieselmeister eingestellt, der die Wassergräben sauber und die Wehre in Ordnung hielt; auf diese Weise wurde eine reiche Heuernte von ausgezeichneter Qualität Tradition in diesem Landstrich. Von seinem ganzen Besitz schätzte Großvater Moon die Rieselwiesen in Summerford am meisten und hütete sie wie seinen Augapfel. Berühmte Landwirtschaftsfachleute aus ganz England machten hier halt, um herauszufinden, wie die Probleme eines hohen Wasserspiegels in tiefer liegendem Land überwunden werden konnten. Sie nahmen komplizierte Messungen vor und kehrten nach Hause zurück, um dort Ähnliches zu versuchen. Großvater Moon kicherte in sich hinein, wenn er ihnen zum Abschied einen Steigbügeltrunk kredenzte – und die Wiesen von Little Summerford behielten ihr Erfolgsgeheimnis für sich. Wenn wir dankbar sind für das, was uns von früheren Generationen beschert wurde, sollten wir besonders dafür dankbar sein, dass uns die Sorgen späterer Generationen nichts mehr angehen. Hätte Großvater Moon gewusst, was aus seinen geliebten Wiesen werden würde, hätte ihn das sehr bekümmert, während sie für Charley gerade in ihrem vernachlässigten Zustand ein wahres Paradies darstellten. Gleich nach dem Mittagessen drängte es Charley zum Aufbruch. Er wusste, wo er nach Forellen Ausschau halten musste, an der alten Schleuse; vielleicht war auch ein Aal in die Weidenreuse gegangen – und Rose würde mittlerweile auf dem weißen Gatter sitzen und auf ihn warten. Seltsame Gefährten, diese beiden. Es war selten, dass ein Junge und ein Mädchen ihres Alters gemeinsam herumstreunten. Gewöhnlich teilten sich Dorfkinder nach Geschlechtern auf, aber Charley und Rose waren schon immer anders gewesen. Für sie waren die Wiesen der alten Mühle ein verzauberter Ort unzähliger Spiele, und das weiße Gatter war der Treffpunkt, von dem aus alle ihre kleinen Abenteuer ihren Anfang nahmen. Rose würde jetzt dort sitzen, ihre...


Arkell, Reginald
Reginald Arkell, geboren 1882 in Gloucestershire, veröffentlichte neben Pinnegars Garten Romane und mehrere Bände mit Gartenlyrik. Bekannt wurde er außerdem als Autor erfolgreicher Musicals und Theaterstücke. Die Theaterfassung von Pinnegars Garten wurde an Weihnachten 1979 vor der Royal Family in Windsor Castle aufgeführt. Reginald Arkell starb 1959 in Cricklade.

Heinrich, Brigitte
Brigitte Heinrich, geboren 1957 am Bodensee, lebt nach Verlagstätigkeit in etlichen Städten und Häusern als Übersetzerin, Herausgeberin und Lektorin in Frankfurt am Main.


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