Andersen / Perlet | »Ja, ich bin ein seltsames Wesen...« | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 800 Seiten

Andersen / Perlet »Ja, ich bin ein seltsames Wesen...«

Tagebücher 1825-1875
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8353-0708-7
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Tagebücher 1825-1875

E-Book, Deutsch, 800 Seiten

ISBN: 978-3-8353-0708-7
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Andersens ungeglätteten und gleichzeitig sensiblen Beobachtungen gelten bereisten Ländern und Zeitzeugen ebenso wie seiner eigenen widersprüchlichen Person.

Rund 4.500 Seiten Tagebuch hat der dänische Dichter Hans Christian Andersen der Nachwelt hinterlassen, geschrieben während des halben Jahrhunderts zwischen 1825 und 1875. Eine Veröffentlichung hatte er selbst nicht beabsichtigt, obwohl er eine Vielzahl seiner Eintragungen, die bis etwa 1860 auf Reisen und zu besonderen Anlässen, später fortlaufend entstanden, auch als Material für Reisebücher, Romane, Märchen und Briefe nutzte.
Er ist ein sensibler und genauer Beobachter der bereisten Länder und der ihm begegnenden Zeitgenossen, darunter Fürsten und Könige, Künstler wie Tieck, Chamisso, Liszt, Mendelssohn-Bartholdy, Balzac, Heine, Dickens, Rossini und Reuter.
Eindrucksvoll erschließt sich in diesen ungeglätteten Notizen - bei aller Vorsicht und letzter Verschwiegenheit, direkt und indirekt - seine eigene widersprüchliche Persönlichkeit und das nie ausgelöschte Bewußtsein, ein Außenseiter zu sein.

Andersen / Perlet »Ja, ich bin ein seltsames Wesen...« jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1;Erster Band;3
2;Inhalt;5
3;Zweiter Band;447
4;Inhalt;449
5;Zu dieser Ausgabe;641
6;Anmerkungen;642
7;Nachwort;698
8;Bibliographie;725
9;Lebensdaten;728
10;Werkregister;732
11;Personenregister;737


1825 und 1826 (S. 7)

[Andersens früheste und in Bruchstücken erhaltene Tagebuchaufzeichnungen stammen aus seiner Zeit an der Lateinschule von Slagelse. Dort war er am 26.10.1822 angekommen, um, unterstützt und vermittelt durch Jonas Collin, seine Bildungslücken auszufüllen und einen höheren Schulabschluß nachzuholen.]

[…] Montag [19. September 1825]. Gott! Gott! Dein Wille geschehe, gib mir Lohn nach dem Fleiß des Jahres, nicht mehr! – (Gott weiß, was das Schicksal gebracht hat, wenn das Blatt sich wendet.) Unglücklicher! – Schnitt erbärmlich ab in Latein, du kommst nicht in die vierte Klasse der Schule, Handwerker oder eine Leiche, das wird deine Bestimmung sein.

Gott, Gott, bist du wirklich gegenwärtig? – Aber noch »sei dein Name gelobt«! – Schnitt in lateinischer Grammatik besser ab, vielleicht ein Gut. Auch Gut in Deutsch. – Ich fasse deinen Willen nicht, Vater, o laß mich doch die Hoffnung nicht verlieren, daß du alles lenkst, gib mir Mut, damit ich meinem Schicksal entgegengehe, ich sehe es, o Gott !

Ade, alle meine Hoffnungen und Träume, ja, es waren nur Träume, o hätte ich doch Mut! – Tod, du bist nicht so entsetzlich. – Warum mußte mich der Rektor gerade im Schlechten hören, o Gott! – Wer im Schweiße seines Angesichts arbeitet, ist glücklicher als jener Mann, der es in einer sogenannten höheren Sphäre tut, ihm ahnt nichts Besseres, Nahrung und Auskommen gilt sein ganzes Wirken, mechanisch gleitet ihm die Arbeit dahin, ein unbedeutender Spaß ist für ihn eine Himmelsfreude, während der andere gegen ein Meer von Schwierigkeiten und Hindernissen kämpft, verleumdet und heruntergemacht wird.

Mit einem höheren Gefühl begabt, bricht ihm das Herz. – Oh, warum bin ich so weit gekommen, warum bin ich so hoch gestiegen, unbemerkt bin ich nicht mehr, und nun sinke ich.

O Wahnsinn, friß dich in mein Hirn hinein,daß ich mein eignes Dasein vergessen darf, Wesen, dessen rechten Namen ich nicht weiß, gib meiner Seele Mut, um sich loszureißen, schwelle, Herz, bis du zerreißt! – Ha, schwülstiger Narr! – Befriedige deine Lüste die wenigen Augenblicke, da du es kannst, ein Schicksal lenkt alles, was geschehen soll, geschieht gleichwohl! – Gott, ich könnte groß werden, von meinen Mitmenschen geachtet Freude schaffen, dorthin wand sich der Weg schon empor, Engel könnte ich werden, Engel oder Teufel muß ich werden, die Waagschale schwankt – Gott, du selbst bestimmst des Verzweifelten Los.

– Warum rafft es manch einen Familienvater, manch einen tüchtigen Mann und geliebten Burschen dahin, und ich soll leben, ich, der ich den Tod wünsche, ja, schick ihn mir, selbst dann, wenn meine Zukunft nicht finster werden sollte, ist er mir lieber, das Leben ohne Hoffnung ist eine Hölle, meine Kameraden steigen zu sehen, während ich sinke, aus dem Kreis der Gebildeten gerissen zu werden, o Gott, nein, das ist zu hart ! Dienstag [20. September].

Was könnte ich werden? Und was werde ich. Meine starke Phantasie bringt mich nun ins Irrenhaus, mein heftiges Gefühl macht mich zum Selbstmörder, früher hätten mich beide vereint zu einem großen Dichter gemacht. O Gott, sind deine Wege wirklich auch hienieden? – Vergib mir, Gott, ich bin undankbar, du hast mir so unsagbar viel Gutes erwiesen, o vergib als Gott und hilf mir weiterhin. – Gott!

Bei bei meiner ewigen Ruhe verspreche ich dir, im Herzen nie wieder an deiner Vaterhand zu zweifeln, wenn ich diesmal in die 4. und nach Helsingør komme.) […] Dienstag [27. September]. Alles wird von Gott gelenkt, es gibt ein Schicksal, der Mensch ist frei, wie das Pferd auf einer Felseninsel, frei kann es sich auf dieser Insel tummeln, jedoch in bestimmten Grenzen, weiter kann es nicht !


Perlet, Gisela
Gisela Perlet (1942-2010) studierte Germanistik und Nordistik. Von 1966-1979 war sie Verlagslektorin, seit 1979 freiberuflich als Übersetzerin, Herausgeberin und Autorin tätig. 2002 wurde sie mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet.

Andersen, Hans Christian
Hans Christian Andersen (1805-1875) begann seine schriftstellerische Karriere mit Reisebeschreibungen und Skizzen. Seinen Weltruhm begründeten die »Märchen und Erzählungen für Kinder«, die er unter dem Einfluss der deutschen Romantik schrieb.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.